Normen
§ 6 Abs. 1 S. 2 KStG
Tatbestand:
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, bezog ihren Strom von ihrer Gesellschafterin, einer KG, aus der sie durch eine Betriebsaufspaltung hervorgegangen war. Seit dem 1. Januar 1950 lieferte die KG den Strom an die Steuerpflichtige zu einem Vorzugspreis von 3 Pf/kWh. Durch Vertrag vom 17. Mai 1954 wurde der Strompreis rückwirkend ab 1952 auf den verkehrsüblichen Preis von 10 Pf/kWh erhöht. Das für die Gesellschaftsteuer zuständige FA -- Kapitalverkehrsteuerstelle -- sah in der Lieferung des Stroms zu dem verbilligten Preis in den Jahren 1950 und 1951 eine freiwillige, den Wert der Gesellschaftsrechte erhöhende Leistung der KG an die Steuerpflichtige in Höhe von 173 719 DM und erhob darauf eine Gesellschaftsteuer von 5 211 DM. Daraufhin leistete die Steuerpflichtige im Streitjahr 1957 den Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsächlich gezahlten und dem angemessenen Strompreis an die KG durch Gutschrift auf einem Verrechnungskonto. Bei der Steuerpflichtigen wurde der Betrag als außerordentlicher Aufwand, bei der KG als außerordentlicher Ertrag gebucht. Die Steuerpflichtige schrieb der KG außerdem Zinsen aus dem geleisteten Betrag bis 31. Dezember 1957 in Höhe von 64 827 DM gut.
Der Revisionsbeklagte (das FA) behandelte die Nachzahlung des Preisunterschieds und der Zinsen im berichtigten Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr 1957 als verdeckte Gewinnausschüttungen.
Die Sprungklage blieb ohne Erfolg.
Das FG hat ausgeführt:
1. Jede Gesellschaft habe ein wirtschaftliches Interesse daran, ihren Strom so günstig wie möglich zu beziehen. Wenn die Steuerpflichtige von einem Dritten verbilligten Strom bezogen hätte, so hätte sie keine freiwillige Nachzahlung bis zur Höhe des verkehrsüblichen Preises vorgenommen. Derartige Nachzahlungen seien im Geschäftsleben nicht üblich. In der Nachzahlung an die KG liege daher eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Der Einwand, die Nachzahlung sei durch den Gesellschaftsteuerbescheid ausgelöst worden, rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Steuerpflichtige habe den Gesellschaftsteuerbescheid hingenommen und damit zu erkennen gegeben, daß sie den Unterpreis als Kapitalzuführung habe behandelt wissen wollen. Gleichwohl könne die Nachzahlung körperschaftsteuerrechtlich nicht als Rückzahlung von zuvor eingelegtem Kapital angesehen werden, die grundsätzlich keine Gewinnausschüttung sei. Denn sie sei nur über einen in handelsrechtlicher Form vollzogenen Kapitalherabsetzungsbeschluß möglich.
Schließlich sei auch der Antrag der Steuerpflichtigen auf Rückgängigmachung der bereits gebuchten Leistung an die KG zurückzuweisen, und zwar schon deshalb, weil die Steuerpflichtige und die KG bereits im Jahre 1954 erkannt hätten, daß der Strompreis für die vergangenen Jahre nicht dem Marktpreis entsprochen habe. Sie hätten damals für die Jahre 1952 und 1953 die entsprechenden Folgerungen gezogen, nicht dagegen für die Jahre 1950 und 1951. Eine Rückgängigmachung einer verdeckten Gewinnausschüttung sei außerdem nur ausnahmsweise unter Voraussetzungen möglich, die hier nicht erfüllt seien.
2. Die Berichtigungsveranlagung sei auch zulässig. Denn dem FA sei der umstrittene Sachverhalt erst durch die Betriebsprüfung bekanntgeworden. Aus den Erläuterungen, die der Körperschaftsteuererklärung der Steuerpflichtigen für das Streitjahr beigefügt worden seien, sei die Tatsache der Nachzahlung des Strompreises nicht erkennbar gewesen. Dem FA habe zwar bei der endgültigen Veranlagung der Steuerpflichtigen am 16. August 1960, die dann aufgrund der Ergebnisse der Betriebsprüfung berichtigt worden sei, ein Schreiben der KG in einer Umsatzsteuersache der KG vom 25. Februar 1960 mit einer Anlage vorgelegen. In dieser Anlage sei die Gewinn- und Verlustrechnung der KG erläutert worden. Darin sei die Nachzahlung der Steuerpflichtigen in Höhe von 173 719 DM als außerordentlicher Ertrag aufgeführt gewesen. Obwohl zur damaligen Zeit die KG und die Steuerpflichtige von demselben Sachbearbeiter des FA veranlagt worden seien, habe dieser die Tatsache der Nachzahlung des Preisunterschieds für die Veranlagung zur Körperschaftsteuer nicht gekannt und auch nicht kennen müssen, weil sich das Schreiben der KG auf eine andere Steuerpflichtige und auf eine andere Steuerart bezogen habe. Außerdem sei die Tatsache der Zahlung der Zinsen von 64 827 DM nicht in dem Schreiben der KG dargelegt worden, so daß bereits in der Zinszahlung eine neue Tatsache erblickt werden könne.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen mit folgenden Anträgen:
1. Das Urteil des FG wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, daß die Nachzahlung auf den Strompreis von 173 719 DM keine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt.
3. Die Nachzahlung des Strompreises darf rückgängig gemacht werden.
4. Wenn die Nachzahlung des Strompreises als verdeckte Gewinnausschüttung festgestellt wird, ist der im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1957 festgesetzte Gewinn der KG entsprechend zu kürzen.
5. Die Berichtigungsveranlagung für das Streitjahr ist unzulässig, weil die Nachzahlung des Strompreises keine neue Tatsache darstellt.
Zur Begründung dieser Anträge führt die Steuerpflichtige aus:
Unstreitig sei die Erhöhung des Strompreises von 3 Pf/kWh auf 10 Pf/kWh eine Anhebung auf den angemessenen Preis gewesen. Sie wäre auch mit jedem Dritten vereinbart worden, zumal dann, wenn der Dritte auf die Stromabnahme angewiesen sei. Jeder anständige Kaufmann hätte die Nacherhebung des angemessenen Strompreises anerkannt, denn der niedrigere Preis habe auf einer Fehl- und Erstkalkulation beruht, bei der man noch keine Erfahrung gehabt habe, welcher Strompreis angemessen sei.
Die Steuerpflichtige sieht ein widersprüchliches und daher gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten des FA darin, daß das FA einerseits in einem Gesellschaftsteuerbescheid sage, der Strompreis sei zu niedrig gewesen, und andererseits im Körperschaftsteuerbescheid die Nachzahlung bis zur Höhe des angemessenen Strompreises als verdeckte Gewinnausschüttung behandle.
Im Streitfall seien die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ausnahmsweise verdeckte Gewinnausschüttungen rückgängig gemacht werden dürften. Denn die steuerlichen Folgen der verdeckten Gewinnausschüttung seien bei ihr und bei der KG so hart, daß die Beteiligten bei Kenntnis der Auswirkungen die rechtliche Gestaltung unterlassen hätten.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Nachzahlung des Strompreises für die Jahre 1950 und 1951 in Höhe des Unterschieds zwischen dem tatsächlich bezahlten und dem verkehrsüblichen Preis sowie die Zahlung von Zinsen aus diesem Betrag stellen verdeckte Gewinnausschüttungen dar, die dem Gewinn der Steuerpflichtigen für das Streitjahr hinzuzurechnen sind (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG).
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung besteht darin, daß die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Dritten nicht gewährt hätte (Urteil des BFH I 261/63 vom 16. März 1967, BFH 89, 208, BStBl III 1967, 626). Diese Merkmale sind im Streitfall erfüllt.
a) Empfängerin der Leistung war die Gesellschafterin der Steuerpflichtigen. Sie erhielt mit der Nachzahlung einen Vermögensvorteil. Dieser Feststellung steht nicht entgegen, daß die Nachzahlung nur den Unterschied zwischen dem ursprünglich bezahlten und dem verkehrsüblichen Strompreis ausfüllen sollte. Es ist zwar richtig, daß im Falle eines gegenseitigen Vertrags eine verdeckte Gewinnausschüttung nur so weit vorliegt, wie die Leistung der Gesellschaft die Gegenleistung des Gesellschafters übersteigt (BFH-Urteil I 302/61 S vom 16. November 1965, BFH 84, 268, BStBl III 1966, 97). Das gilt aber im allgemeinen nur für den Abschluß des ursprünglichen Vertrags und nicht für spätere Änderungen dieses Vertrags. Denn bei dem Abschluß des ursprünglichen Vertrags sind die Vertragsteile frei; jeder kann die angemessene Leistung fordern oder vom Abschluß des Vertrags Abstand nehmen. Haben sich die Vertragsteile aber auf einen bestimmten Preis geeinigt, mag dieser nun angemessen sein oder nicht, so sind sie grundsätzlich daran gebunden. Die Änderung des Preises bedürfte eines neuen Vertrags (§ 305 BGB). Bei dieser Sachlage bedeutet es für den einen Vertragsteil einen Vermögensvorteil, wenn sich der andere Vertragsteil bereit erklärt, einen höheren als den vereinbarten Preis zu bezahlen. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, daß die Steuerpflichtige nach besonderen Vorschriften des bürgerlichen Rechts oder nach Vorschriften des öffentlichen Rechts verpflichtet gewesen wäre, die Nachzahlung auf den Strompreis zu leisten. Die Strompreise unterlagen zwar in den Jahren 1950 und 1951 der Preisbindung. Die damals geltenden Preisvorschriften schrieben indes nur Höchstpreise vor, ließen es dagegen zu, den Höchstpreis zu unterschreiten (§ 1 Nr. 3 der Preisfreigabeanordnung vom 25. Juni 1948).
b) Einem Dritten hätte die Steuerpflichtige bei Anwendung der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters den Vermögensvorteil, der in der Nachzahlung lag, nicht gewährt. Das ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG und aus weiteren rechtlichen Überlegungen. Das FG hat ausgeführt, jede Gesellschaft habe ein wirtschaftliches Interesse daran, ihren Strom so günstig wie möglich zu beziehen. Wenn die Steuerpflichtige von einem Dritten verbilligten Strom bezogen hätte, so hätte sie keine freiwillige Nachzahlung geleistet. Unter Berufung auf das BFH-Urteil I 11/61 vom 17. Juli 1963 (HFR 1963, 443) hat das FG ausgeführt, im Geschäftsleben seien derartige Nachzahlungen nicht üblich. Diese Feststellungen sind frei von Rechtsfehlern und daher für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Insbesondere ist gegen die Annahme eines allgemeinen Erfahrungssatzes, daß Nachzahlungen auf einen zu niedrigen Preis im Geschäftsleben nicht üblich seien, nichts einzuwenden. Das FG konnte sich auf diesen Satz stützen, da die Üblichkeit als ein Anzeichen dafür gewertet werden darf, wie sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter verhält (vgl. BFH-Urteil I 220/64 vom 1. Februar 1967, BFH 88, 545, BStBl III 1967, 495). Es kann im Streitfall auf sich beruhen, ob Fälle denkbar sind, in denen es die Rücksicht auf die Belange der Gesellschaft angezeigt erscheinen läßt, unter Abänderung des Vertrags (§ 305 BGB) einen höheren als den ursprünglich vereinbarten Preis zu entrichten, und in denen daher in der Nachzahlung keine verdeckte Gewinnausschüttung liegt. Denn für die Nachzahlungen samt Zinsen im Streitjahr ist eine betriebliche Veranlassung nicht zu erkennen. Diese Nachzahlung beruhte auf keiner neuen Erkenntnis und auf keinen neuen, bisher nicht oder nicht ausreichend berücksichtigten geschäftlichen Erwägungen, sondern erfolgte nach dem eigenen Vortrag der Steuerpflichtigen nur deshalb, weil die Kapitalverkehrsteuerstelle die Steuerpflichtige zur Gesellschaftsteuer herangezogen hatte. Scheiden somit betriebliche Gründe für die Nachzahlung auf den Strompreis und für die Zinszahlung aus, so ist die Feststellung gerechtfertigt, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Nichtgesellschafter diese Leistungen nicht gewährt hätte.
Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Sie steht nicht im Widerspruch zum Erlaß des Gesellschaftsteuerbescheids. Der Gesellschaftsteuerbescheid beruht auf der Tatsache, daß der Strompreis in den Jahren 1950 und 1951 unangemessen niedrig war. Diese Tatsache wird nicht dadurch geleugnet, daß die Nachzahlung des angemessenen Strompreises im Streitjahr 1957 als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt wird. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid beruht vielmehr darauf, daß auch Nachzahlungen auf einen unangemessen niedrigen, aber von den Vertragsteilen bindend vereinbarten Preis verdeckte Gewinnausschüttungen darstellen können.
2. Die verdeckte Gewinnausschüttung kann im Streitfall mit steuerrechtlicher Wirkung nicht wieder beseitigt werden. Nach den Urteilen des Senats I 310/62 vom 30. November 1966 (BFH 87, 394, BStBl III 1967, 152) und I 65/61 U vom 10. April 1962 (BFH 74, 690, BStBl III 1962, 255) können verdeckte Gewinnausschüttungen nur in Ausnahmefällen rückgängig gemacht werden, die dadurch gekennzeichnet sind, daß die Beteiligten offensichtlich die steuerlichen Folgen ihres Handelns nicht überblicken konnten, diese Folgen ungewöhnlich hart sind und daß spätestens bis zur Aufstellung der Bilanz der frühere Zustand wieder hergestellt wird. Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob diese Rechtsprechung aufrechterhalten werden kann (vgl. BFH-Urteil I 192/64 vom 22. Juni 1967, BFH 90, 114, BStBl II 1968, 4), denn die von ihr aufgestellten Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zunächst kann nicht angenommen werden, daß die Steuerpflichtige die steuerrechtlichen Folgen ihres Handelns nicht habe überblicken können. Die Vorschrift über die verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) mußte ihr bekannt sein. Sie mußte auch mit der Möglichkeit rechnen, daß das FA in der Nachzahlung auf den Strompreis und in der Zinszahlung verdeckte Gewinnausschüttungen erblicken würde. Ferner sind die Folgen der verdeckten Gewinnausschüttung im Streitfall nicht härter als sonst.
3. Über die Frage, ob der Gewinn der KG entsprechend zu kürzen sei, wenn es bei der Behandlung der Nachzahlung auf den Strompreis und der Zinszahlung als verdeckte Gewinnausschüttung bleibe, ist im gegenwärtigen Verfahren, das sich nur mit der Körperschaftsteuer der Steuerpflichtigen im Streitjahr 1957, aber nicht mit der einheitlichen Gewinnfeststellung der KG zu befassen hat, nicht zu entscheiden.
4. Die Berichtigungsveranlagung durch den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid scheitert schließlich nicht an der Behauptung der Steuerpflichtigen, daß keine neue Tatsache vorliege (§ 222 Abs. 1 Nr. 1 AO). Es kann auf sich beruhen, ob dem FA durch das Schreiben der KG vom 25. Februar 1960 die Tatsache der Nachzahlung des Strompreises für die Jahre 1950 und 1951 für die Veranlagung der Steuerpflichtigen zur Körperschaftsteuer bekannt wurde. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich, daß das FA jedenfalls die Tatsache der Zinszahlung nicht kannte. Diese rechtfertigt für sich allein eine höhere Veranlagung für das Streitjahr, da sie nach vorstehenden Ausführungen eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt, und führt nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Wiederaufrollung des ganzen Steuerfalls 1957 und damit auch zur Berücksichtigung der verdeckten Gewinnausschüttung durch Nachzahlung auf den Strompreis.