Normen
§ 49 Ziff. 2 EStG 1955
Tatbestand
Der Bf. betreibt in Spanien ein Früchteexportgeschäft. Streitig ist, ob er in der Bundesrepublik einen ständigen Vertreter hat (§ 49 Ziff. 2 EStG 1955) und daher beschränkt einkommensteuerpflichtig ist.
Nach den Ermittlungen des Finanzamts befindet sich seit März 1954 in X. (Bundesrepublik) ein Büro, in dem der spanische Staatsangehörige A. in der Hauptsache sieben spanische Apfelsinen-Exportfirmen vertritt. Dazu gehört auch der Bf. In den Büroräumen befänden sich, wie im Bericht des Finanzamts vom 15. März 1956 ausgeführt wird, ein Fernschreiber und ein großer Teil der Geschäftspapiere. Von hier aus wickle A. bzw. sein Angestellter Geschäfte der spanischen Firmen ab. Es würden Rechtsgeschäfte verbindlich abgeschlossen und Mängelrügen und anderes bearbeitet. Wegen der unklaren Rechtsverhältnisse zwischen den einzelnen spanischen Unternehmen müßten diese als Einzelfirmen angesehen werden. A. sei ihr ständiger Vertreter im Sinne des § 49 Ziffer 2 EStG.
Der Bf. wurde für das Jahr 1955 mit einem Gewinn von ... DM, der wegen Fehlens ausreichender Unterlagen geschätzt wurde, zur Einkommensteuer herangezogen.
Dagegen wendet der Bf. folgendes ein: A. habe sich im Jahre 1955 zunächst nur vorübergehend in der Bundesrepublik aufgehalten, um im Auftrag einiger spanischer Exportfirmen den deutschen Markt für Apfelsinen zu untersuchen, nach Möglichkeit Geschäfte zu tätigen und deren Abwicklung zu überwachen. Im März oder April 1955 habe er sich entschlossen, sich in der Bundesrepublik niederzulassen, um hier als selbständiger unabhängiger Importagent für verschiedene ausländische Exporteure tätig zu werden. Für seine Tätigkeit habe er ein Erfolgshonorar in Form einer Gewinn- oder Verlustbeteiligung, d.h. bei Erzielung von Überpreisen über die normale Provision hinaus eine etwas höhere Vergütung erhalten sollen. Seine Tätigkeit für ihn (den Bf.) sei nicht über die branchenübliche Funktion eines Importagenten hinausgegangen. Außer A. hätten in anderen Bezirken der Bundesrepublik noch weitere Vertreter und Kommissionäre Geschäfte für ihn getätigt.
Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht führte aus: A. sei nach den eigenen Einlassungen des Bf. in das Bundesgebiet entsandt worden, um während der Saison dessen Interessen wahrzunehmen. Die Tätigkeit sei auch ständig, d.h. nicht auf Grund einer Verpflichtung im Einzelfall ausgeübt worden. Entscheidend sei, ob das ausländische Unternehmen im Inland regelmäßig Geschäfte durch einen Vertreter mache, möge diesem auch mehr oder weniger Selbständigkeit eingeräumt sein. Es komme nicht darauf an, ob der Vertreter mit Geschäften betraut sei, deren Erledigung nicht in den Geschäftsbereich eines Handelsvertreters als eines selbständigen Unternehmers falle. Auch lägen im Streitfall die Voraussetzungen des Abschn. 222 EStR 1955 nicht vor. Aus dem Umfang der Geschäftshandlungen für den Bf. habe das Gericht die Überzeugung gewonnen, daß A. zu Vertragsabschlüssen im Namen des Bf. allgemein bevollmächtigt gewesen sei. A. sei von den Aufträgen des Bf. überwiegend abhängig gewesen.
Mit der Rb. rügt der Bf., das Finanzgericht hätte die Rechtsverhältnisse zwischen A. und den von ihm vertretenen Exportfirmen nach spanischem Recht beurteilen müssen. Es sei nicht aufgeklärt, welche Tätigkeiten A. im Jahre 1955 im einzelnen (insbesondere nach Zeit, Ort und Umfang) ausgeübt habe. Auch sei nicht dargetan, ob sich die Tätigkeit des A. für ihn (Bf.) regelmäßig habe wiederholen sollen. Schließlich habe das Finanzgericht die Voraussetzungen des Abschn. 222 EStR zu Unrecht verneint.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzamt.
Unstreitig hat A. für den Bf. in der Bundesrepublik Rechtsgeschäfte vermittelt und abgeschlossen. Das Finanzgericht hat auch mit zutreffender Begründung dargelegt, daß dies ständig, d.h. auf Grund einer allgemeinen, nicht nur für den Einzelfall getroffenen Regelung der Beziehungen und für eine gewisse Dauer geschehen ist. Nach den eigenen Ausführungen des Bf. kann jedenfalls seit Frühjahr 1955 von einer lediglich gelegentlichen Entsendung eines Geschäftsreisenden, die nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs I A 56/33 vom 29. Juni 1934 (RStBl 1934 S. 1125) noch nicht die Eigenschaft des ständigen Vertreters begründet, nicht mehr gesprochen werden.
Die Annahme eines ständigen Vertreters setzt jedoch außerdem ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis, bestehend in der Bindung an die Weisungen des ausländischen Unternehmers, voraus. Der Vertreter muß anstelle des ausländischen Unternehmers Handlungen vornehmen, die in dessen Betrieb fallen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn es sich um einen Angestellten handelt. Sie können jedoch auch vorliegen, wenn der Vertreter ein selbständiger Gewerbetreibender ist, wie es das Finanzgericht im Streitfall für A. auf Grund einer auch vom Bf. nicht bestrittenen Tatsachenwürdigung angenommen hat. Dabei ist es erforderlich, daß dieser neben seiner Tätigkeit im eigenen Gewerbebetrieb für den ausländischen Unternehmer betriebliche Handlungen vornimmt. Es muß eine Tätigkeit ausgeübt werden, die außerhalb des Gewerbebetriebs des Vertreters liegt (siehe die an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs anknüpfenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 155/60 U vom 10. Mai 1961, BStBl 1961 III S. 317, Slg. Bd. 73 S. 134; I B 156/58 S vom 9. März 1962, BStBl 1962 III S. 227, Slg. Bd. 74 S. 614; I B 223/61 S vom 16. August 1962, BStBl 1962 III S. 477, Slg. Bd. 75 S. 573). In diesem Sinne wird der Begriff des ständigen Vertreters auch im Schrifttum überwiegend ausgelegt (vgl. Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 49, Anm. 4 d; Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 2 Tz. 81; Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl., § 2, Anm. 80).
Die Frage, ob die Tätigkeit eines selbständigen Gewerbetreibenden über den Rahmen seines Gewerbebetriebs hinausgeht, ist nach deutschem Handelsrecht zu entscheiden. Nur bei dieser Betrachtungsweise besteht die Gewähr, daß der Begriff des ständigen Vertreters einheitlich ausgelegt wird. Es kommt mithin darauf an, ob der Gewerbetreibende, dessen Vertretereigenschaft in Frage steht, über den nach den Grundsätzen des deutschen Handelsrechts üblichen Rahmen hinaus Tätigkeiten für einen ausländischen Unternehmer ausübt.
Das Finanzgericht ist bei seiner Entscheidung von der Auffassung ausgegangen, ein selbständiger Gewerbetreibender könne auch dann ständiger Vertreter sein, wenn er nur Handlungen vornehme, die in den Rahmen seines Gewerbebetriebes fallen. Die Vorinstanz hat auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung, die mit den vorstehend dargelegten Grundsätzen nicht im Einklang steht, nicht im einzelnen geprüft, welche Bedeutung den Funktionen zukommt, die A. für den Bf. ausgeübt hat. Nachdem die Vorinstanz A. als Handelsvertreter im Sinne des § 84 HGB angesehen hat, bedarf es der Prüfung, ob dieser über die Vermittlung und den Abschluß von Geschäften hinaus zusätzlich Tätigkeiten für den Bf. ausgeübt hat, insbesondere ob er eine allgemeine Vollmacht zu Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen besessen hat (so übereinstimmend EStR 1955 Abschn. 222 Abs. 1 Satz 3). Hierzu ist bisher nicht erschöpfend Stellung genommen worden. Insbesondere läßt sich die allgemeine Vollmacht des A. zu Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen aus dem Umfang der Geschäftshandlungen für den Bf. allein nicht herleiten. Andererseits kann die Eigenschaft als ständiger Vertreter gerade auch in einer ungewöhnlich engen Bindung an die Weisungen des ausländischen Unternehmers liegen (vgl. Beschluß des Reichsfinanzhofs IV B 25/35 vom 15. November 1935, RStBl 1935 S. 1533). Schließlich kann es auch von Bedeutung sein, ob der inländische Gewerbetreibende für einen ausländischen Unternehmer Tätigkeiten ausübt, die gewöhnlich von diesem selbst oder von einem in seinem Betrieb eingegliederten weisungsgebundenen Angestellten verrichtet zu werden pflegen, jedoch aus besonderen Gründen im Einzelfall aus der Betriebsorganisation herausgenommen und an den Ort der Niederlassung des inländischen Gewerbetreibenden verlagert worden sind.
Die Vorentscheidung war jedoch insbesondere auch deshalb aufzuheben, weil der Vortrag des Bf., es seien für ihn in der Bundesrepublik im Streitjahr noch andere Personen in ähnlicher Weise wie A. tätig gewesen, nicht gewürdigt worden ist. Dieses Vorbringen kann zur Folge haben, daß über die bereits erfaßten Einkünfte hinaus noch weitere in die beschränkte Einkommensbesteuerung des Bf. einbezogen werden müßten. In dieser Richtung sind noch Ermittlungen anzustellen. Es ist in diesem Zusammenhang gegebenenfalls auch die Frage zu klären, welches Finanzamt gemäß § 73 a Abs. 5 AO für die Besteuerung des Bf. örtlich zuständig ist.
Der Rechtstreit wurde daher unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung an das Finanzamt zur erneuten Entscheidung im Einspruchsverfahren zurückverwiesen.