BFH I 188/59 U

BFHI 188/59 U1.3.1960

Amtlicher Leitsatz:

  1. 1. Bei der Bemessung der Absetzung für Abnutzung im Sinne des § 7 EStG sind die Gebäude eines Fabrikkomplexes einzeln zu behandeln.
  2. 2. Zur Abgrenzung von Erhaltungs- und Herstellungsaufwand.
  3. 3. Wird ein Fabrikhof statt wie bisher mit einer Schotterschüttung mit einer Pflasterdecke ausgestattet, so sind die Kosten der Pflasterung Herstellungskosten.

Zusammenfassung:

  1. 1. Bei der Bemessung der Absetzung für Abnutzung im Sinne des §7 EStG sind die Gebäude eines Fabrickomplexes einzeln zu behandeln.
  2. 2. Zur Abgrenzung von Erhaltungs- und Herstellungsaufwand.
  3. 3. Wird ein Fabrikhof statt wie bisher mit einer Schotterschüttung mit einer Pflasterdecke ausgestattet, so sind die Kosten der Pflasterung Herstellungskosten.

Normen

§ 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG
§ 7 EStG

 

Tatbestand

Die Bfin. betrieb im Streitjahr 1953 eine Farben- und Lackfabrik. Im Oktober 1953 wurde der bisher mit Schotter und einer wassergebundenen Decke befestigte Fabrikhof gepflastert. Die Bfin. schrieb die Kosten der Pflasterung von 9.976,00 DM als laufende Unkosten (Erhaltungsaufwand) ab. Das Finanzamt behandelte den Betrag als gemäß § 7 EStG verteilungspflichtigen Herstellungsaufwand. Die Nutzungsdauer bemaß es auf 50 Jahre und ließ deshalb eine Absetzung für Abnutzung (AfA) von 2 v. H. jährlich zu.

Das Finanzgericht erhöhte die AfA auf 4 v. H. jährlich; im übrigen folgte es der Auffassung des Finanzamts. Es führte im wesentlichen aus: Der Unterbau sei erhalten geblieben; an die Stelle einer wassergebundenen Schotterdecke, die durch laufende Schotterzufuhren habe erhalten werden müssen, sei eine dauerhafte Kleinpflasterung im Sandbett getreten. Die Bfin. habe bisher die Hofbefestigung und die Schotterdecke nicht aktiviert; die Kosten für die Schotterzufuhren habe sie jeweils als Unkosten (Erhaltungsaufwand) behandelt. Ein mit einer wassergebundenen Schotterdecke versehener Fabrikhof sei ein anderes Wirtschaftsgut als ein gepflasterter Fabrikhof, dessen Nutzungsdauer durch die Pflasterung erheblich verlängert werde und eine laufende Instandhaltung, wie bei einer Schotterdecke, nicht mehr erforderlich mache. Es handle sich hier um ähnlichen aktivierungspflichtigen Aufwand wie bei der Generalüberholung eines Wirtschaftsguts im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs I 111/54 U vom 31. Januar 1956 (BStBl 1956 III S. 86, Slg. Bd. 62 S. 230). Die vom Finanzamt zugrunde gelegte Nutzungsdauer von 50 Jahren sei jedoch zu hoch; eine Nutzungsdauer von 25 Jahren sei angemessen. Die Bfin. macht mit der Rb. geltend, eine Änderung der Wesensart sei nicht eingetreten; ein mit einer wassergebundenen Schotterdecke versehener Hof und ein gepflasterter Hof seien in gleicher Weise ein Hof. Der Hof sei zur Zeit der Bebauung des Fabrikgeländes in zeitgemäßem Zustand gewesen. Er habe aber später den wirtschaftlichen Ansprüchen nicht mehr genügt und sei unmodern geworden. Die Minderung des wirtschaftlichen Nutzens rechtfertige die Pflasterung, zumal bei Neuanlagen jetzt die Betonierung üblich sei. Zur ordnungsmäßigen Erhaltung eines Wirtschaftsguts gehöre, es den heutigen wirtschaftlichen Anforderungen anzupassen. Reparaturkosten würden nicht dadurch Herstellungsaufwand, daß sie gleichzeitig der Modernisierung dienten. Der Streitfall sei nicht anders zu beurteilen als der Fall im Urteil IV 8/53 U vom 9. Juli 1953 (BStBl 1953 III S. 245, Slg. Bd. 57 S. 639), in dem der Bundesfinanzhof anerkannt habe, daß ein Kuhstall durch den Einbau einer Betondecke an Stelle der bisherigen Backstein- und Holzdecke in seiner Wesensart nicht geändert werde.

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Das Finanzgericht hat angenommen, der Belag des Fabrikhofes sei hinsichtlich der AfA und, damit verbunden, hinsichtlich der Abgrenzung von Herstellungsaufwand und Erhaltungsaufwand selbständig bewertungsfähig. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Finanzgericht geht davon aus, daß die Hofpflasterung im Zuge der Fertigstellung der Fabrikgebäude vorgenommen worden sei. Die Bfin hat, wie die Akten ergeben, seit dem Jahr 1950 nach und nach das Verwaltungsgebäude und die Fabrikgebäude erneuert und erweitert. Offenbar war die Unterhaltung des Fabrikhofes in seiner früheren Art unwirtschaftlich geworden; der Fabrikhof genügte auch den durch die Erweiterung des Betriebs und durch das Befahren mit schweren Fahrzeugen erhöhten Belastungen nicht mehr. Trotzdem können die Kosten der Hofpflasterung nicht schon deshalb als Herstellungsaufwand behandelt werden, weil sie im Zusammenhang mit dem allgemeinen neuen Ausbau der Betriebsgebäude stehen. In der Entscheidung VI 533/36 vom 19. Januar 1938 (RStBl 1938 S. 179, Slg. Bd. 43 S. 93) hat zwar der Reichsfinanzhof den Komplex von räumlich in Verbindung stehenden Fabrikgebäuden als ein einheitlich zu behandelndes Wirtschaftsgut im Sinne des § 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG angesehen. Der Reichsfinanzhof hat das im Zusammenhang mit einer Abschreibung auf den niederen Teilwert ausgesprochen. Nach der Entscheidung ist eine Teilwertabschreibung unzulässig, wenn der Teilwert des Fabrikkomplexes insgesamt nicht unter den Buchwert gesunken ist; für die Bestimmung des Teilwerts kann ein Gebäude ebensowenig aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den anderen Gebäuden gelöst und einzeln bewertet werden, wie man für die Bestimmung des Teilwerts eines Grundstücks den Grund und Boden vom Gebäude trennen darf. Wie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 74/58 S vom 2. Juni 1959 (BStBl 1959 III S. 323, Slg. Bd. 69 S. 162) dargelegt wird, sind aber diese Grundsätze nicht auf die Bemessung der AfA im Sinne des § 7 EStG zu übertragen. Hier ist es zulässig und, weil wirtschaftlich vernünftig, meist sogar geboten, die AfA für die einzelnen Gebäude einer Fabrikanlage, deren wirtschaftliche Nutzungsdauer wegen des verwendeten Materials, der Art und des Umfangs der Nutzung usw. oft verschieden ist, selbständig zu bemessen. Die Rechtsprechung hat sogar zugelassen, daß bei abgrenzbaren und schneller abnutzbaren Bestandteilen desselben Betriebsgebäudes die AfA nicht nach der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Gebäudes im ganzen, sondern für den kürzer nutzbaren Bestandteil getrennt festgesetzt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs I 82/56 U vom 14. August 1956, BStBl 1956 III S. 321, Slg. Bd. 63 S. 322, betreffend gesonderte Aktivierung und Abschreibung von Ladenumbauten). Dieselbe Betrachtungsweise wie für die Bemessung der AfA auf einzelne Gebäude eines Gesamtkomplexes muß auch bei Beurteilung der Frage angewendet werden, ob die Aufwendungen auf einzelne Teile eines Komplexes als Erhaltungsaufwand bei diesem Teil behandelt werden können. Nach diesen Grundsätzen konnte das Finanzgericht, wie auch alle Beteiligten annehmen, die Aufwendungen für die Pflasterung losgelöst von den gesamten Aufwendungen für den Neubau und die Erweiterung der Fabrikgebäude betrachten.

Zutreffend hat das Finanzgericht ferner angenommen, daß die streitigen Kosten aktivierungspflichtiger Herstellungsaufwand sind. Wert und Art einer Straße oder eines Hofes werden im Verkehr in erster Linie nach dem Deckmaterial bestimmt. Wird deshalb eine unbrauchbar gewordene Straßen- oder Hofdecke beseitigt und durch eine neue moderne und dauerhafte Decke ersetzt, so ändert sich dadurch die Art der Straße oder des Hofes, so daß es im allgemeinen gerechtfertigt ist, die Kosten als Herstellungskosten zu bezeichnen. Im Streitfall lag jedenfalls nicht eine Erhaltungsmaßnahme im üblichen Sinne vor. Denn die Nutzungsdauer des Fabrikhofes wurde ganz wesentlich erhöht; die sonst erforderlichen laufenden Schotterzufuhren fielen in Zukunft weg; der Hof konnte nunmehr auch von schweren Fahrzeugen benutzt werden. Die Änderung war erforderlich geworden, weil der alte Hof den gewachsenen Ansprüchen des Betriebs nicht mehr genügte. Die Bfin. hat also gewissermaßen ein abgenutztes, unbrauchbar gewordenes Wirtschaftsgut durch ein anderes neues ersetzt, das dem Betrieb nunmehr wieder auf lange Zeit dienen wird. Nach diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung auch bisher die Aktivierung von Generalüberholungskosten (Urteil des Bundesfinanzhofs I 111/54 U vom 31. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 86, Slg. Bd. 62 S. 230) und von Ladenumbauten (Urteil des Bundesfinanzhofs I 82/56 U a.a.O.) beurteilt.

Die Bfin. macht geltend, der Hof sei vorher und nachher ein Fabrikhof gewesen; er sei nur aus wirtschaftlichen Überlegungen modernisiert worden. Zu Unrecht beruft sie sich für ihre Auffassung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U a.a.O. Die Grenze zwischen Herstellungs- und Erhaltungsaufwand ist allerdings flüssig. Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Abgrenzung ist aber, ob durch die streitige Maßnahme der Gegenstand in der Substanz, die im wesentlichen seine Lebensdauer bestimmt, verändert worden ist. Im Fall der Entscheidung IV 8/53 U a.a.O. blieb das Mauerwerk, das in erster Linie über die Nutzungsdauer eines Gebäudes entscheidet, unverändert. Würde etwa ein Holzstall abgerissen und dafür an derselben Stelle ein Steinstall gebaut worden sein, so wäre zwar auch vorher und nachher ein Stall da gewesen. Aber der Aufbau des Steinstalles hätte unverkennbar die Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts bedeutet. Bleibt aber das Gebäude wie im Fall IV 8/53 U a.a.O. als solches bestehen und wird darin nur ein neuer Teil, z.B. statt einer Holzdecke eine Steindecke, eingefügt, so handelt es sich um Erhaltungsaufwand. Es spielt dann keine Rolle, ob die neue Decke eine wesentlich längere wirtschaftliche Nutzungsdauer hat als die alte, und damit in der Gesamtnutzungsdauer weniger oft Erhaltungsaufwand nötig wird oder ob das Gebäude dadurch modernisiert wird und in seinem wirtschaftlichen Wert steigt. Im Streitfall war, wie gesagt, entscheidend, daß im Verkehr der Fabrikhof in erster Linie durch die Art seiner Decke bestimmt wird; diese ist die wesentliche Substanz, die für die Nutzungsdauer maßgebend ist. Wenn die Bfin. also eine Parallele zwischen ihrem Fall und dem der Entscheidung IV 8/53 U a.a.O. ziehen will, so muß sie annehmen, daß damals nicht nur ein Bestandteil des Gebäudes, die Decke, erneuert worden wäre, sondern das Gebäude selbst statt wie bisher in Holz nunmehr in Stein errichtet worden wäre. Dann wäre aber auch im Fall IV 8/53 U a.a.O. Herstellungsaufwand angenommen worden.

Da durch die Pflasterung der Fabrikhof voll erneuert worden ist, kann der Restbuchwert für das beseitigte Wirtschaftsgut abgeschrieben werden, wie sich aus den Entscheidungen des Senats I 14/55 U vom 16. August 1955 (BStBl 1955 III S. 306, Slg. Bd. 61 S. 283), I 111/54 U a.a.O. und I 74/58 S a.a.O. ergibt. Die Beteiligten gehen aber im Streitfall übereinstimmend davon aus, daß für den alten Fabrikhof kein Buchwert mehr vorhanden war.

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