Normen
§ 2 Ziffer 3 KapVStG
Tatbestand
Die steuerpflichtige GmbH ist durch notarielle Urkunde vom 24. Februar 1949 gegründet. Das Stammkapital von 90.000,00 DM ist durch Gesellschafterbeschluß vom 5. April 1950 auf 120.000,00 DM erhöht. Die Gesellschaft ist am 30. März 1950 in das Handelsregister eingetragen. Sie hat den Geschäftsbetrieb schon vor Eintragung aufgenommen und dabei hohe Verluste erlitten. Um zu verhüten, daß infolge dieser Verluste die Eintragung in das Handelsregister abgelehnt würde, hat ein Gesellschafter auf die Rückzahlung eines Darlehens verzichtet und ein anderer Gesellschafter eine Verbindlichkeit gegenüber der steuerpflichtigen GmbH begründet. Die Sanierung der Gründergesellschaft wurde grundsätzlich im Oktober 1949 beschlossen.
Streitig ist, ob die zusätzlichen Leistungen zur Gesellschaftsteuer herangezogen werden können, und bejahendenfalls, zu welchem Steuersatz.
Das Finanzamt hat die Barzahlung auf das Stammkapital und die weiteren Leistungen der Gesellschafter als einheitlichen Vorgang angesehen, der den Ersterwerb der Gesellschaftsrechte ermöglicht habe. Es hat sämtliche Leistungen zum Steuersatz von 3 v. H. zur Steuer herangezogen.
Die steuerpflichtige Gesellschaft ist der Ansicht, die zusätzlichen Leistungen der Gesellschafter seien keine Gegenleistung für den Erwerb der Gesellschaftsrechte. Die Steuer könne nur von der Barzahlung auf das Stammkapital erhoben werden. Eine Versteuerung der von den Gesellschaftern übernommenen Verluste komme deshalb nicht in Betracht, weil die Verzichts- und Forderungsbegründungen für einen Zeitpunkt erfolgt seien, in dem die Gesellschaft noch nicht entstanden war.
Das Finanzgericht hat die Barleistungen auf das Stammkapital und die zusätzlichen Leistungen je für sich behandelt. Die zusätzlichen Leistungen hat es zum ermäßigten Steuersatz des §9 Absatz 2 Ziffer 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) versteuert.
Entscheidungsgründe
Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamtsvorstehers, der sich die steuerpflichtige GmbH angeschlossen hat. Die Rb. des Finanzamtsvorstehers ist unbegründet. Die Anschlußbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Mit Recht hat das Finanzgericht eine Bargründung und keine verschleierte Sachgründung angenommen. Die Leistungen sind freiwillig im Sinne des Kapitalverkehrsteuergesetzes, wenn sie nicht auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis oder im Gesetz begründeten Verpflichtung bewirkt werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 475/26 vom 7. Dezember 1926, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1927 S. 71). Die Leistungen bzw. die Verpflichtungen hierzu beruhen im vorliegenden Falle auf Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrages und sind auch nicht in unmittelbarem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem übernommen. Die Charakterisierung der zusätzlichen Leistungen als solche zum Erwerb der Gesellschaftsrechte durch den ersten Erwerber kann nicht daraus hergeleitet werden, daß diese Leistungen übernommen werden, um zu verhüten, daß die Eintragung ins Handelsregister abgelehnt wird. Zwar ist richtig, daß die Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag gegenseitig verpflichtet sind, alle Maßnahmen zu treffen, um die Eintragung in das Handelsregister herbeizuführen und die Gesellschaft rechtsfähig zu machen. Aber aus dieser Verpflichtung kann nicht eine erzwingbare Verbindlichkeit gefolgert worden, weitere finanzielle Opfer zu diesem Zwecke auf sich zu nehmen.
Weiter ist zu prüfen, ob bei diesen zusätzlichen Leistungen die Voraussetzungen für die Steuerpflicht nach § 2 Ziffer 3 Buchstabe b KapVStG gegeben sind. Hiernach unterliegen der Gesellschaftsteuer freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistungen geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Daß Forderungsverzichte und die Begründung von Schuldverpflichtungen gegenüber der Gesellschaft objektiv geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, bedarf keiner näheren Ausführungen.
Im vorliegenden Falle sind Rechtsvorgänge vor der Eintragung der Kapitalgesellschaft steuerrechtlich zu beurteilen, also Rechtshandlungen der sogenannten Vorgesellschaft. In der Rechtsprechung werden die Vorgesellschaft und die Kapitalgesellschaft (hier: GmbH) als ein und dasselbe Rechtsgebilde in verschiedenen Entwicklungsabschnitten bezeichnet (Einheits-Identitätstheorie). Der erkennende Senat hat, sich diese Lehre in dem Urteil II 45/50 vom 30. Januar 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl. - III 1951 S. 53) zu eigen gemacht, gleichzeitig aber ausgesprochen, daß die Einheitstheorie nichts darüber besage, mit welchem Entwicklungsabschnitt die Entstehung der Steuerschuld verknüpft ist. Bei freiwilligen Leistungen im Sinne des § 2 Ziffer 3 KapVStG entsteht die Steuerschuld mit dem Bewirken der Leistung. Die Kapitalverkehrsteuer ist eine Rechtsverkehrsteuer. Sie stellt regelmäßig auf den bürgerlich-rechtlichen Vorgang ab. Es kommt auf die Rechtswirksamkeit der Rechtsvorgänge an. Nach § 11 des GmbH-Gesetzes besteht die GmbH vor der Eintragung in das Handelsregister als solche nicht. Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft (GmbH) gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. § 2 Ziffer 3 KapVStG setzt das Vorhandensein der Kapitalgesellschaft und eines Gesellschafters voraus. Im Stadium der Vorgesellschaft gibt es weder einen Gesellschafter noch eine Gesellschaft. Es kann also im Vorstadium der Gesellschaft von Leistungen an die Gesellschaft noch nicht gesprochen werden. Die Leistungen erfolgen im Hinblick auf die Entstehung der Gesellschaft und sind im Stadium der Vorgesellschaft gegenüber der Gesellschaft nur schwebend rechtswirksam. Rechtswirksamkeit erlangen sie regelmäßig mit der Eintragung als der tatsächlichen Entstehung der Gesellschaft und für den Zeitpunkt der Eintragung. Hierdurch sind die Voraussetzungen des § 2 Ziffer 3 Buchstabe b KapVStG erfüllt.
Die zusätzlichen Leistungen sind demnach grundsätzlich zu Recht zur Gesellschaftsteuer herangezogen. Da sie erfolgt sind, um die Überschuldung bzw. den Verlust am Stammkapital der GmbH zu decken, die infolge der Tätigkeit der Vorgesellschaft entstanden sind, hat das Finanzgericht zutreffend für diese Leistungen den ermäßigten Steuersatz des § 9 Absatz 2 Ziffer 1 Buchstaben a, b als anwendbar erklärt. Wenn die Vorgesellschaft zu Lasten der Steuerpflichtigen (GmbH) als mit der Gesellschaft identisch angesehen wird, muß dies auch bei Anwendung der Vergünstigungsvorschrift gelten.
Die Sache muß jedoch aus einem anderen Grunde aufgehoben und zurückverwiesen werden. Bei freiwilligen Leistungen entsteht die Steuerschuld, wenn sie bewirkt sind. Beim Eingehen von Schuldverpflichtungen ist nicht der Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung, sondern der Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung auf Grund der Schuldverpflichtung für die Entstehung der Steuerschuld maßgebend. Die Unterlagen lassen nicht mit voller Klarheit erkennen, daß sämtliche Leistungen bereits bewirkt sind. Dies wird von den Ermittlungen des Finanzamts abhängen. Hiernach ist auch die Heranziehung zur Steuer vorzunehmen.