BFG RV/7100584/2022

BFGRV/7100584/202228.2.2022

Aufwendungen für ein Arbeitszimmer sind nicht notwendig, wenn ein Arbeitsplatz seitens des Arbeitgebers zur Verfügung steht

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100584.2022

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 17. September 2021 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 16. September 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Das bisherige Verfahren stellt sich wie folgt dar:

Die Beschwerdeführerin beantragte im Rahmen ihrer Arbeitnehmerveranlagung Werbungskosten für ihr Homeoffice in Höhe von 741,20 € (anteilige Ausgaben für Miete, Kreditraten, Strom, Internet, Haushaltsversicherung und Wärme). Zusätzlich machte sie Ausgaben für die Betriebsratsumlage (101,74 €) und für Arbeitsmittel (59,49 € für eine Docking Station und 14,98 € für einen HDMI Adapter) geltend.

Die belangte Behörde ersuchte zweimal um Ergänzung, worauf die Beschwerdeführerin neben der Fragenbeantwortung eine Aufstellung der Homeoffice-Ausgaben sowie der Arbeitstage im Homeoffice, einen Wohnungsplan samt Foto des Arbeitsplatzes und Belege hinsichtlich der Arbeitsmittel übermittelte. Mit Bescheid vom 16. September 2021 wurde dem Antrag bezüglich Werbungskostenabzug nur insoweit Folge gegeben, als die Ausgaben für Arbeitsmittel als Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar für Homeoffice anerkannt wurden. In der Begründung wurde konkretisiert, dass die Behörde trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen erhalten habe und daher nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigen konnte.

Dagegen richtete sich die Beschwerde vom 17. September 2021 mit dem Antrag auf erklärungsgemäße Veranlagung.

Aufgrund eines weiteren, unbeantworteten Ergänzungsersuchens zur Nachreichung des Dienstvertrags und Zusatzvertrags hinsichtlich Homeoffice oder von vertraglichen Regelungen mit dem Dienstgeber wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 9. Februar 2022 als unbegründet abgewiesen.

Mit Vorlageantrag vom 19. Februar 2022 legte die Beschwerdeführerin mehrere Vereinbarungen mit dem Dienstgeber über Telearbeit vor, erklärte ihr Versäumnis damit, dass sie am ***Geb*** Mutter geworden sei und beantragte wie bisher.

Die Beschwerde wurde seitens der belangten Behörde am 25. Februar 2022 dem Bundefinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Sie beantragte eine teilweise Stattgabe im Ausmaß der bisher anerkannten Ausgaben für Arbeitsmittel, für die Betriebsratsumlage sowie Internetkosten abzüglich eines Privatanteils von 40%.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war 2020 als Versicherungskauffrau bei der ***Vers*** Versicherung angestellt und im Mahnwesen sowie der Buchhaltung tätig. Aufgrund mehrerer, zeitlich gestaffelter Vereinbarungen mit dem Dienstgeber übte sie ihre berufliche Tätigkeit an einem Arbeitsplatz aus, der in einem Zimmer (10,21 m²) in ihrer Wohnung eingerichtet war.

Die Vereinbarungen mit dem Dienstgeber über Telearbeit verweisen regelmäßig darauf, dass sie als "Vorsorgemaßnahme aus gegebenem Anlass zur Aufrechterhaltung des Betriebs im Falle von behördlichen Einschränkungen der Personenfreiheit im Zuge der Gesundheitsmaßnahmen gegen den Coronavirus (SARS-CoV-2, COVID-19) abgeschlossen" wurden.

Arbeitsleistungen haben nach den Vereinbarungen vom 1. bis zum 31. Mai 2020 sowie vom 9. bis zum 30. November 2020 ausschließlich, vom 1. Juni bis einschließlich 31. August 2020 in ungeraden Kalenderwochen an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte zu erfolgen, wobei in den Monaten Juni bis August eine Ausdehnung der Telearbeit auf gerade Kalenderwochen möglich war. Vom 1. September bis zum 8. November 2020 waren zumindest 3 Arbeitstage pro Woche in der betrieblichen Zentrale zu leisten. Ab 16. November 2020 bis zum 31. März 2021 konnte Teleworking im privaten Bereich auf bis zu 5 Tage pro Woche ausgedehnt werden.

Während des gesamten Kalenderjahres stand am Arbeitsort ein Arbeitsplatz bereit, der jedoch aufgrund der Vereinbarungen mit dem Dienstgeber ab 16. März 2020 an 137 Arbeitstagen (außerhalb der Urlaubstage) nicht benutzt wurde.

Die Art der beruflichen Tätigkeit (Buchhaltung, Mahnwesen) erfordert nicht unbedingt die Nutzung des im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmers. Die Nutzung ist in erster Linie durch die Gesundheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem SARS-CoV-2-Virus veranlasst und liegt insoweit im Interesse des Arbeitgebers und der Arbeitnehmerin. Sie erfolgt nach der dokumentierten Absicht sowie in Anbetracht der jeweiligen Verlängerungen/Adaptierungen und deren max. vier Monate langen Laufzeiten nur für einen vorübergehenden Zeitraum.

Vom Arbeitgeber wurden keinerlei Vergütungen für die Ausgaben im Homeoffice getätigt.

Die Ausgaben für die Internetnutzung von 384,88 € sind zu 60% durch die berufliche Tätigkeit veranlasst.

Der Ankauf einer Docking Station sowie eines HDMI Adapters führte zu Ausgaben von 74,47 €. Zusätzlich wurde eine Betriebsratsumlage von 101,74 € geleistet. Diese Ausgaben sind zur Gänze beruflich bedingt.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung sowie den Erhebungen des Bundesfinanzgerichts.

Das Ausmaß der beruflichen Veranlassung der Internetausgaben beruht auf einer Schätzung der belangten Behörde, der nach Vorhalt des Vorlageberichts in einem Gespräch des zuständigen Richters mit der Beschwerdeführerin nicht widersprochen wurde.

Die Feststellungen hinsichtlich der Ausgaben für Arbeitsmittel bzw. Betriebsratsumlage beruhen auf dem unstrittigen beruflichen Zusammenhang und bestehen auch seitens des erkennenden Gerichts keine diesbezüglichen Bedenken.

3. Rechtliche Beurteilung (Spruchpunkt I.)

Da die Beschwerde zulässig ist, rechtzeitig eingebracht wurde und keine Erledigung in Beschlussform gemäß § 278 BAO zu ergehen hat, entscheidet das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 BAO in der Sache selbst.

§ 16 Abs 1 EStG 1988 in der für Zeiträume bis inkl. 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (siehe § 124b Z 373 und 374 EStG 1988) lautet auszugsweise:

"Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:

[…]

7. Ausgaben für Arbeitsmittel (zB Werkzeug und Berufskleidung). Ist die Nutzungsdauer der Arbeitsmittel länger als ein Jahr, ist Z 8 anzuwenden.

7a. Ausgaben und Beträge eines Arbeitnehmers, der seine berufliche Tätigkeit in der Wohnung (im Homeoffice) erbringt und bei dem keine Ausgaben für ein Arbeitszimmer gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d berücksichtigt werden:

a) Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar (insbesondere Schreibtisch, Drehstuhl, Beleuchtung) eines in der Wohnung eingerichteten Arbeitsplatzes bis zu insgesamt 300 Euro (Höchstbetrag pro Kalenderjahr), wenn der Arbeitnehmer zumindest 26 Homeoffice-Tage gemäß § 26 Z 9 lit. a im Kalenderjahr geleistet hat. Übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten insgesamt den Höchstbetrag, kann der Überschreitungsbetrag innerhalb des Höchstbetrages jeweils ab dem Folgejahr bis zum Kalenderjahr 2023 geltend gemacht werden. Z 8 ist nicht anzuwenden.

[…]"

§ 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988 lautet:

"Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig."

Die berufliche Nutzung eines Arbeitszimmers muss nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erforderlich, das heißt notwendig sein (Peyerl in Jakom EStG14, § 20 Rz 41).

Verfügt ein Steuerpflichtiger als Arbeitnehmer über ein jederzeit zugängliches Arbeitszimmer an der Arbeitsstätte, steht dies der Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers entgegen (VwGH 16.12.2003, 2001/15/0197 bzw. VwGH 07.10.2003, 99/15/0203).

Grundsätzlich stand der Beschwerdeführerin ein Arbeitsplatz am Dienstort zur Verfügung. Die Einschränkung der Nutzung als Gesundheitsmaßnahme in der Zeit der COVID-19-Pandemie ist auf eine beidseitig unterschriebene Vereinbarung auf Telearbeit zurückzuführen. Eine darüber hinaus gehende rechtliche Pflicht (aufgrund von Gesetz oder Verordnung), einer Beschäftigung aus Gründen der COVID-19-Krise im privaten Bereich nachzugehen, bestand zu keiner Zeit.

Die Nutzung des Arbeitszimmers ist daher nicht als notwendig anzusehen. Sie ist vielmehr Folge einer freiwilligen, auch im Interesse der Beschwerdeführerin stehenden Willenserklärung. Ein steuerlich abzugsfähiges Arbeitszimmer liegt daher nicht vor.

Auf die weiteren Kriterien eines steuerlich anzuerkennenden häuslichen Arbeitszimmers, insbesondere die nahezu ausschließliche berufliche Nutzung, war folglich nicht mehr einzugehen, da die Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen (VwGH 25.10.2006, 2004/15/0148).

Zudem hat der Gesetzgeber mit § 16 Abs 1 Z 7a EStG 1988 eine Bestimmung geschaffen, die auf die steuerliche Entlastung von aufgrund von COVID-19-bedingter beruflicher Tätigkeit im privaten Wohnbereich abzielt. So sind Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar ab 2020 (lit a) sowie insbesondere für digitale Arbeitsmittel, die vom Arbeitgeber nicht zur Verfügung gestellt werden ab 2021 (lit b) als Werbungskosten abzugsfähig (ErläutRV 669 BlgNR 27. GP 4f). Die Regelung ist auf die hier konkret vorliegende Beschäftigungssituation ausgerichtet. Dementsprechende Ausgaben wurden jedoch nicht geltend gemacht.

Der beantragte anteilige Abzug von Ausgaben für Miete, Kredit, Strom, Haushaltsversicherung und Wärme war daher gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988 zu versagen.

Wie die belangte Behörde im Vorlagebericht richtig erkennt, wurden im Einkommensteuerbescheid fälschlicherweise die Ausgaben für Docking Station und HDMI Adapter als Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar im Homeoffice anerkannt. Richtigerweise handelt es sich dabei um Arbeitsmittel, die aufgrund der Feststellungen zur Gänze als Werbungskosten abzugsfähig sind. Dies gilt im Übrigen für die Ausgaben für Internet im festgestellten Ausmaß.

Die entsprechenden Ausgaben waren gemäß § 16 Abs 1 Z 7 EStG 1988 einkünftemindernd zu berücksichtigen sind.

4. Unzulässigkeit einer Revision (Spruchpunkt II.)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der unter Punkt 3. benannten einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

 

 

Wien, am 28. Februar 2022

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

VwGH 07.10.2003, 99/15/0203
VwGH 25.10.2006, 2004/15/0148
VwGH 16.12.2003, 2001/15/0197

Stichworte