BFG RV/7101877/2020

BFGRV/7101877/202026.1.2021

Rechtsanwaltskosten iZm beendetem Dienstverhältnis als Werbungskosten

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101877.2020

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RPC Reschenhofer & Partner Consulting Steuerberatung GmbH, Lichtenfelsgasse 5 Tür 10, 1010 Wien, über die Beschwerde vom 29. April 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom 29. März 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) beantragte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2013 die Berücksichtigung von Umschulungskosten von 3.000 Euro und von sonstigen Werbungskosten von 10.233,20 Euro.

Das Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom 18.1.2019 zur Vorlage von Belegen und Erläuterungen für die geltend gemachten Aufwendungen wurde von der Bf nicht beantwortet.

Im Einkommensteuerbescheid 2013 vom 29.3.2019 wurde daher nur der Pauschbetrag für Werbungskosten von 132 Euro in Abzug gebracht.

Wegen der Nichtberücksichtigung von Werbungskosten und Sonderausgaben brachte die Bf fristgerecht am 29.4.2019 eine Beschwerde ein mit dem Hinweis, dass die Begründung nachgereicht werde.

Da der Beschwerde eine Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, eine Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, und eine Begründung fehlten, beauftragte das Finanzamt die Bf mit Mängelbehebungsauftrag vom 1.7.2019, bis 15.7.2019 diese Mängel zu beheben.

Mit Eingabe vom 10.7.2019 gab der steuerliche Vertreter bekannt, dass es sich um Umschulungskosten von 3.000 Euro betreffend gewerbliche und medizinische Masseurin handle. Diese Tätigkeit sei bei der ***1***, einem physikalischen Institut, mit 18.8.2014 aufgenommen worden. Es sei daher eine berufliche Veranlassung der Umschulungskosten gegeben.

Ebenso hätten die Rechtsanwaltskosten von 10.233,20 Euro der Sicherung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gedient. Diese Kosten hätten den Arbeitsgerichtsprozess gegen die ***2*** GmbH betroffen. Die Lohnzettel dieses Arbeitgebers und des Insolvenz-Entgelt-Fonds seien als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid 2013 enthalten. Daraus ergebe sich die Abzugsfähigkeit der Werbungskosten - berufliche Veranlassung des Streitwertes.

Die Werbungskosten von gesamt 13.233,20 Euro seien daher zu berücksichtigen.

Beigelegt wurde eine Rechnung der ***3*** vom 23.5.2013 über insgesamt 5.755 Euro, zahlbar in 10 Teilraten, eine Rechnung für eine Ausbildung Gewerbliche und Medizinische Masseurin sowie eine Honorarnote der Rechtsanwaltskanzlei vom 24.10.2013 für ein Arbeitsgerichtsverfahren über insgesamt 9.015,68 Euro und eine weitere Honorarnote vom selben Tag für eine Forderungsanmeldung im Konkursverfahren über 1.217,52 Euro.

Das Finanzamt forderte die Bf mit Ergänzungsersuchen vom 27.8.2019 und nochmals vom 26.11.2019 zur Nachreichung von Gerichtsprotokoll, Urteil bzw. Vergleich und Klagschrift auf.

Beide Schreiben blieben unbeantwortet.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 29.1.2020 berücksichtigte das Finanzamt die Umschulungskosten von 3.000 Euro als Werbungskosten. Die Prozesskosten wurden mangels Vorlage der angeforderten Unterlagen nicht anerkannt.

Der steuerliche Vertreter wandte sich im Vorlageantrag vom 29.2.2020 gegen die Nichtanerkennung der Prozess- und Rechtsanwaltskosten. Die bereits vorgelegten Unterlagen hätten die berufliche Veranlassung bewiesen. Weitere Unterlagen betreffend die Prozess- und Rechtsanwaltskosten würden noch eingereicht werden.

In zwei weiteren Schreiben vom 20.3.2020 und vom 20.4.2020 stellte der steuerliche Vertreter die Nachreichung entsprechender Unterlagen in Aussicht. Nach der Aktenlage langten jedoch keine weiteren Nachweise beim Finanzamt ein.

Das Bundesfinanzgericht ersuchte um die Nachreichung von Zahlungsbelegen zu den Werbungskosten und den Vergleich bzw das Urteil im Arbeitsrechtsverfahren. Der steuerliche Vertreter übermittelte mit Schreiben vom 13.1.2021 nochmals die drei Rechnungen zu den Ausbildungskosten bzw. zu den Rechtsanwaltskosten. Darüber hinaus ist ein handschriftlicher Vergleich beigelegt, in dem die Ansprüche der Bf aus dem Dienstverhältnis festgehalten sind und sich die Bf verpflichtet, der beklagten Partei einen Prozesskostenbeitrag von 15.500 Euro zu bezahlen, womit sämtliche wechselseitigen Forderungen zwischen den Parteien verglichen seien.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Bis 8.4.2013 war die Bf bei der ***2*** GmbH als kaufmännische Angestellte beschäftigt. In Zusammenhang mit der Beendigung dieser Tätigkeit erwuchsen der Bf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten. Nach der Insolvenz ihres Dienstgebers erhielt die Bf Zahlungen aus dem Insolvenzentgeltfonds.

Die Bf hatte im Jahr 2013 Aufwendungen von 3.000 Euro für eine Umschulung zur gewerblichen und medizinischen Masseurin. Sie hat im Jahr 2014 eine entsprechende Tätigkeit in einem physikalischen Institut aufgenommen.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus der Aktenlage. Zu den Rechtsanwaltskosten übermittelte die Bf folgende Honorarnoten:

1. Honorarnote der Rechtsanwälte ***4*** vom 24.10.2013 über insgesamt 9.015,68 Euro, davon 3.969 Euro am 26.4.2013 bezahlt, betreffend ***2*** GmbH für eine Klage beim ASG Arbeitsrechtssache, einen vorbereitenden Schriftsatz und eine Verhandlung in den Monaten 5 + 6 /2013

2. Honorarnote der Rechtsanwälte ***4*** vom 24.10.2013 über insgesamt 1.217,52 Euro betreffend eine Forderungsanmeldung im Konkursverfahren und einen Antrag beim Insolvenzentgeltfonds in den Monaten 9 + 10 /2013

Der Zusammenhang der in den Honorarnoten ausgewiesenen Rechtsanwaltskosten mit dem beendeten Dienstverhältnis bei der ***2*** GmbH kann als erwiesen angenommen werden. Zur Höhe der nachgewiesenen Kosten ist festzuhalten, dass laut Honorarnote ein Betrag von 3.969 Euro am 26.4.2013 bezahlt wurde. Für die übrigen Rechtsanwaltskosten fehlen Zahlungsnachweise, da die Bf trotz Aufforderung des Bundesfinanzgerichts keine Zahlungsnachweise übermittelt hat. Bereits im Vorlagebericht des Finanzamtes, dem der Charakter eines Vorhalts zukommt, hat die Abgabenbehörde u.a. bemängelt, dass die Bf keine Zahlungsbelege vorgelegt habe.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Gemäß § 16 Abs 1 Z 10 EStG 1988 gehören zu den Werbungskosten auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Nach § 138 BAO haben die Steuerpflichtigen sowie die Abfuhr- und Zahlungspflichtigen auf Verlangen der Abgabenbehörde zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

Kosten eines Zivilprozesses sind grundsätzlich Werbungskosten, sofern der Prozess objektiv mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängt (zB über die Höhe des Arbeitslohnes bzw einer Kündigungsentschädigung, Schadenersatzforderungen aus dem Dienstverhältnis, Anfechtung einer Entlassung) (siehe Lenneis in JAKOM, EStG 2020, § 16 ABC der Werbungskosten, Tz 56 - Prozesskosten).

Im vorliegenden Fall ist ein Zusammenhang der Rechtsanwaltskosten von insgesamt 10.233,20 Euro mit der beruflichen Tätigkeit zu bejahen. Aus dem vorliegenden Vergleich über die Ansprüche der Bf aus dem Dienstverhältnis ergibt sich darüber hinaus, dass die Bf ihre Prozesskosten selbst tragen musste und von der beklagten Partei keinen Kostenersatz erhalten hat.

Gemäß § 19 Abs. 2 EStG 1988 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

§ 138 BAO betrifft vor allem die Feststellung solcher Verhältnisse, die für die Abgabenbehörde nur unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen aufklärbar sind (VwGH 24.2.2004, 99/14/0247). Es handelt sich um Tatsachen, bei deren Beweisbarkeit der Abgabenpflichtige vorsorglich wirken kann (VwGH 12.6.1990, 89/14/0173; vgl. Ritz, BAO6, § 138 Tz 1).

Es können daher (nur) die im Jahr 2013 nachweislich geleisteten Rechtsanwaltskosten von 3.969 Euro unter den Werbungskosten berücksichtigt werden. Für die übrigen Rechtsanwaltskosten hat die Bf keinen Nachweis für eine im Jahr 2013 erfolgte Zahlung erbracht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Restbeträge erst im Folgejahr entrichtet wurden. Daher ist wegen Nichterfüllung der Mitwirkungs- bzw. Nachweispflichten der Bf. iSd § 138 Abs. 1 BAO eine Anerkennung des Gesamtbetrages nicht möglich.

Hinsichtlich der Umschulungskosten sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 erfüllt. Die Bf hat nach der Ausbildung zur gewerblichen und medizinischen Masseurin im Jahr 2014 eine Tätigkeit in einem physikalischen Institut aufgenommen. Zu berücksichtigen ist daher der Betrag von 3.000 Euro für die Kursgebühren, zumal das Finanzamt Umschulungskosten in dieser Höhe bereits in der Beschwerdevorentscheidung anerkannt hat.

Insgesamt sind bei der Veranlagung 2013 Werbungskosten von 6.969 Euro in Abzug zu bringen.

Der Beschwerde war daher teilweise Folge zu geben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da im Wesentlichen Fragen des Sachverhaltes zu klären waren.

 

 

 

 

Wien, am 26. Jänner 2021

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 138 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Stichworte