BFG RV/7102350/2012

BFGRV/7102350/201217.7.2020

Über einen Pool abgewickelte Weiterleitung von freiwilligen Anteilen an Privathonoraren bzw Sonderklassegebühren an OP-Gehilfen

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102350.2012

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Alexander Hajicek, die Richterin Mag. Regina Vogt sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gertraud Lunzer und Mag. Daniel Samer über die Beschwerde (vormals Berufung) des B**** U****, [Adresse], ehemals vertreten durch INTERCURA Treuhand- und Revisionsgesellschaft mbH, 1010 Wien, Bösendorferstraße 2, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 betreffend den Antrag gemäß § 303 Abs 1 BAO vom 18.4.2012 betreffend Einkommensteuer 2007 - 2009 nach einer am 9. Juni 2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer war OP-Gehilfe im **** Krankenhaus Wien, einem privaten Wiener Krankenhaus.

In seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2007, 2008 und 2009 erklärte der Beschwerdeführer Einnahmen aus Assistenzgebühren, dh Einnahmen aus der Beteiligung an ärztlichen Honoraren (Sondergebühren) (Beilage 2008) als nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegende Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit.

Das Finanzamt erließ Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2009, in welchen es diese Einnahmen als einkommensteuerpflichtig erfasste.

Diese Einkommensteuerbescheide datieren vom 14.3.2008 (2007), 31.3.2009 (2008) und 8.3.2010 (2009).

Am 10.2.2011 brachte der Beschwerdeführer beim Finanzamt persönlich ein Schreiben ein, in welchem es ua heißt, er habe seit Jahren Assistenzgebühren ausbezahlt bekommen und diese versteuert. Der Arbeitgeber habe ihm nunmehr bestätigt, dass es sich bei der sogenannten Assistenzgebühr um Trinkgeld handle. Er ersuche daher um "eine Konto Nullstellung". Auf der Rückseite dieses Schreibens befindet sich eine Bestätigung der B****-GmbH, in welcher mitgeteilt wird, dass es sich bei den ausgezahlten Geldern im Jahr 2010 um als "Trinkgelder" gewidmete Zahlungen dritter Personen gehandelt habe.

Am 24.2.2012 reichte der Beschwerdeführer eine weitere Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2007 ein, welcher eine Bestätigung der B****-GmbH vom 13.2.2012 angeschlossen war, aus welcher sich ergibt, es handle sich bei den an den Beschwerdeführer im Jahr 2007 ausgezahlten Geldern um als "Trinkgelder" gewidmete Zahlungen dritter Personen.

Am 25.5.2011 reichte der Beschwerdeführer weitere Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2008 und 2009 ein, welchen jeweils eine Bestätigung der B****-GmbH vom 23.5.2011 angeschlossen war und in welcher bestätigt wurde, bei den an den Beschwerdeführer in den Jahren 2008 und 2009 ausgezahlten Geldern handle es sich um als "Trinkgelder" gewidmete Zahlungen dritter Personen.

Diese Schreiben lauten jeweils:

" Zur Vorlage beim Finanzamt

Sehr geehrter Herr U****,

auf Ihre diesbezügliche Anfrage teilen wir Ihnen folgendes mit:

Bei den an Sie von uns ausbezahlten Geldern im Jahr im Jahr 2007 [in den Jahren 2008 und 2009] handelt es sich um als "Trinkgelder" gewidmete Zahlungen dritter Personen."

In einem Telefonat am 20.4.2012 teilte die B****-GmbH dem Finanzamt mit, es handle sich bei den gegenständlichen Geldern um weitergegebene Privathonorare und Klassegelder von Ärzten, die an das Pflegepersonal weitergegeben würden und von der B****-GmbH nur verteilt würden.

Am 18.4.2012 richtete der Beschwerdeführer an das Finanzamt ein Schreiben, in welchem er um die "Wiederaufnahme" seines "Steuerrückzahlungsantrages betreffend die Jahre 2007, 2008 und 2009" ersuchte.

Das Finanzamt erließ einen Bescheid, mit welchem es den "Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom 18.04.2012, eingebracht am 18.04.2012 betreffend Einkommensteuer 2007 - 2009" abwies. Zur Begründung führt das Finanzamt aus, gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO sei dem Antrag des Abgabepflichtigen auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig sei und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkämen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Im gegenständlichen Verfahren seien jedoch keine neuen Beweismittel hervorgekommen, da es sich bei den an den Beschwerdeführer ausbezahlten Honoraren um weitergegebene steuerpflichtige Honorare (und nicht um Trinkgelder) handle, die in den Einkommensteuererklärungen 2007 - 2009 korrekt versteuert worden seien. (In diesem Zusammenhang werde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass diese Honorare auch in den Folgejahren als Zuwendungen von dritter Seite ohne Lohnsteuerabzug in der Steuererklärung anzugeben und zu versteuern seien.)

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung (nunmehr Beschwerde), wobei er ausführt, bei den ausgezahlten Geldern in den Jahren 2007 bis 2009 habe es sich um als "Trinkgelder" gewidmete Zahlungen dritter Personen gehandelt. Zukünftig würden keine weiteren Zahlungen zu erwarten sein.

Das Finanzamt erließ eine Berufungsvorentscheidung, mit welcher es den angefochtenen Bescheid dahingehend abänderte, dass der Wiederaufnahmeantrag zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führt das Finanzamt aus, mit Bescheiden vom 14.3.2008, 31.3.2009 und 8.3.2010 sei die Einkommensteuer für die Jahre 2007, 2008 und 2009 rechtskräftig festgesetzt worden.
Am 25.5.2011 seien Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2008 und 2009 eingereicht worden; beigelegt gewesen sei eine Kopie des Schreibens der B****-GmbH vom 23.5.2011, in welchem auf eine diesbezügliche Anfrage des Beschwerdeführers mitgeteilt worden sei, dass es sich bei den an ihn ausbezahlten Geldern in den Jahren 2008 und 2009 um als "Trinkgelder" gewidmete Zahlungen dritter Personen handeln würde.
Am 24.2.2012 sei ein Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2007 samt einem entsprechenden Schreiben der B****-GmbH vom 13.2.2012 eingebracht worden.
Mit Schreiben vom 18.4.2012 habe der Beschwerdeführer um die Wiederaufnahme seines Steuerrückzahlungsantrages betreffend die Jahre 2007, 2008 und 2009 ersucht; angeschlossen gewesen sei nochmals eine Kopie des Schreibens vom 23.5.2011.
Gemäß § 303 Abs 2 BAO sei der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs 1 binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt habe bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen habe.
Aufgrund der dem Antrag beigelegten Kopie sei aus Sicht des Finanzamtes klar erkennbar, dass der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Grund die Steuerfreiheit von Trinkgeldern sei. Ebenso klar sei aber auch, dass der Beschwerdeführer spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung der neuerlichen Steuererklärungen am 25.5.2011 von diesem Grund Kenntnis gehabt habe. Die gesetzliche Frist von drei Monaten sei daher am 25.8.2011 für alle drei Jahre abgelaufen gewesen. Der am 18.4.2012 eingebrachte Antrag erweise sich daher als verspätet gestellt. Folglich sei der Antrag zurückzuweisen.

Der Beschwerdeführer stellte durch seinen damaligen steuerlichen Vertreter einen Vorlageantrag, in welchem zusammengefasst vorgebracht wird, wie in der Bescheidbegründung angeführt habe der zum damaligen Zeitpunkt nicht steuerlich vertretene Beschwerdeführer am 25.5.2011 aufgrund eines Schreibens vom 23.5.2011, somit innerhalb von zwei Tagen ab Kenntnisnahme berichtigte Abgabenerklärungen für die Jahre 2008 und 2009 eingereicht. Diese Abgabenerklärungen müssten vom Finanzamt richtigerweise bereits als Anträge für die Wiederaufnahme gewertet werden. Dabei sei dem Beschwerdeführer, der damals nicht vertreten war, die Form seiner Eingabe nachzusehen, weil der Inhalt seines Begehrens klar erkennbar gewesen sei. Somit sei die bekämpfte Berufungsvorentscheidung zumindest hinsichtlich der Jahre 2008 und 2009 aufzuheben, womit nunmehr richtige Einkommensteuerbescheide zu erlassen seien. Darüber hinaus hätte das Finanzamt auch betreffend das Jahr 2007 aufgrund der Eingaben des Steuerpflichtigen vom 25.5.2011 die Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheides feststellen müssen, weshalb diesbezüglich eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt werde. Weiters beantragte der Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung und die Entscheidung durch einen Senat.

Das Bundesfinanzgericht richtete an die B****-GmbH ein Schreiben (E-Mail), in welchem es betreffend die von der B****-GmbH ausgestellten Bestätigungen um Auskunft betreffend folgende Fragen ersuchte:

".) Worum handelt es sich bei den genannten Geldern bzw wofür wurden diese Zahlungen geleistet?
.) Warum handelte es sich dabei um "Trinkgelder"?
.) Handelt es sich bei diesen Geldern um weitergegebene Privathonorare bzw Klassegelder von Ärzten oder dergleichen?"

Die B****-GmbH teilte dazu mit:

"Ad Frage 1:
Bei den genannten Geldern handelt es sich um branchenübliche freiwillige Trinkgeldzahlungen der Ärzteschaft an die nachgeordneten Mitarbeiter des OP. Diese Zahlungen werden jeweils vom Arzt bekannt gegeben und werden in einen Pool eingezahlt aus dem die einzelnen Mitarbeiter beteiligt werden. Die Zahlungen durch die Ärzte sind individuell.

Ad Frage 2:
Für die Leistungen der Trinkgelder besteht keine Verpflichtung, es handelt sich um freiwillige Leistungen auf die seitens der Empfänger kein Rechtsanspruch besteht. Diese Zahlungen erfolgen ausschließlich durch die Ärzte, die Annahme dieser Zahlungen ist weder durch gesetzliche Bestimmungen noch durch firmeninterne Bestimmungen untersagt. Auch aufgrund der Bestimmungen des Wr. KAG ist die Annahme von Zuwendungen, die von Ärzten gewährt werden nicht verboten, lediglich die Annahme von Zuwendungen durch Patienten ist sowohl nach den Bestimmungen des Wr. KAG als auch nach den Richtlinien der B****-GmbH untersagt.

Ad Frage 3:
Bei den in den Pool zusammengefassten Geldern muss es sich nicht zwingend um weitergegebene Privathonorare bzw. Klassegelder von Ärzten handeln, wie o.a. handelt es sich prinzipiell um freiwillige Leistungen, die nicht unbedingt aber ü berwiegend im Zusammenhang mit der Verrechnungsmöglichkeit von Privathonoraren stehen."

Die B****-GmbH (Dr. E****) gab weiters telefonisch bekannt, dass die Abrechnung betreffend OP-Gehilfen und Assistenzärzte unterschiedlich sei. Der OP-Gehilfe habe (anders als der Assistenzarzt) keinen Rechtsanspruch auf Assistenzgebühren. Ein Assistenzarzt habe zumindest dem Grunde nach einen Rechtsanspruch.
Anspruchsberechtigter sei der Arzt. Dieser könne frei entscheiden, ob er dem OP-Gehilfen etwas abgeben wolle. Der Arzt habe, wenn er etwas abgeben wolle, zwei Möglichkeiten: entweder er gebe etwas in den Pool oder er gebe dem OP-Gehilfen direkt etwas (davon erfahre die B****-GmbH nichts).
Das Geld aus dem Pool werde auf die Beteiligten durch die B****-GmbH ausgezahlt. Die Höhe der Zahlungen sei unabhängig davon, wie oft oder bei welchem Arzt die Beteiligten an Operationen mitgewirkt hätten.
Die von der B****-GmbH ausgestellten Bestätigungen beträfen diese Poolgelder.
Die B****-GmbH habe die Beurteilung, dass es sich dabei um Trinkgelder handle, anhand des entsprechenden Erlasses des BMF getroffen.
Er kenne das gar nicht anders, als dass das Trinkgelder seien.

Der steuerliche Vertreter der B****-GmbH teilte telefonisch mit, die B****-GmbH verwalte das **** Krankenhaus. Sie führe das Rechnungswesen, stelle Rechnungen aus an die Privatpatienten, um den Ärzten das abzunehmen. Es werde für jeden Arzt ein Verrechnungskreis geführt. Der Patient zahle, das Honorar werde dem Arzt gutgeschrieben, der Arzt bestimme, wieviel er davon in den Pool gebe. Diese Zahlungen in den Pool erfolgten unbar.
Es sei zutreffend, dass die Zahlungen an den Beschwerdeführer über Monate hinweg gleich gewesen seien. Die als "FORTBZUSCH" gekennzeichneten Zahlungen beträfen einen Fortbildungszuschuss. Die Ärzte hätten gewollt, dass sich das nichtärztliche Personal fortbilde, daher sei beschlossen worden, Fortbildungszuschüsse zu zahlen.

Das Bundesfinanzgericht führte eine mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer blieb dieser Verhandlung fern. Der Vertreter des Finanzamtes erklärte, das typische Bild, dass der Empfänger einer Leistung dem Ausführenden zusätzlich und freiwillig eine Kleinigkeit zuwendet, sei hier nicht gegeben. Es handle sich daher nicht um ein Trinkgeld im üblichen Sinn.

 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Beschwerdeführer war in den Streitjahren und auch schon davor im **** Krankenhaus Wien, einem privaten Wiener Krankenhaus als OP-Gehilfe beschäftigt.

Träger des **** Krankenhauses ist die **** Krankenhaus GmbH, bei dieser ist der Beschwerdeführer beschäftigt.

Neben seinem Gehalt, das der Beschwerdeführer vom der **** Krankenhaus GmbH bezog, erhielt er weiters von der B****-GmbH "Assistenzgebühren" ausbezahlt.

Die B****-GmbH ist ua für die Abwicklung (Abrechnung) der Privathonorare bzw Klasse- oder Sondergebühren zuständig und eine vom Arbeitgeber verschiedene juristische Person.

Die Zahlungen an den Beschwerdeführer erfolgten meist in monatlich gleicher Höhe.

In den Jahren 2005, 2006 und 2007 bezog der Beschwerdeführer von der B****-GmbH jeweils monatliche Zahlungen von 145 € (1.740 € jährlich).

Im Jahr 2008 erhielt der Beschwerdeführer Zahlungen von 2.910 € + 900 €.

Zumindest im Jahr 2009 erhielt der Beschwerdeführer einen Teil der Zahlungen (3 x 300,00 €) unter dem Titel Fortbildungszuschuss. Diese Beträge sollten nach dem Willen der Ärzteschaft von den Empfängern für Fortbildungszwecke verwendet werde.

Im Jahr 2009 erhielt der Beschwerdeführer von der B****-GmbH im Einzelnen folgende Zahlungen:

100,00

ASSG. 01/09

100,00

ASSG. 02/09

100,00

ASSG. 03/09

100,00

ASSG. 04/09

100,00

ASSG. 05/09

175,00

ASSG. 06/09

175,00

ASSG. 07/09

175,00

ASSG. 08/09

175,00

ASSG. 09/09

175,00

ASSG. 10/09

300,00

FORTBZUSCH

300,00

FORTBZUSCH

175,00

ASSG. 11/09

175,00

ASSG. 12/09

300,00

FORTBZUSCH

Weiters erhielt der Beschwerdeführer im Jahr 2009 von dem "Verein ****" eine oder mehrere Zahlungen von insgesamt 2.575,00 €.

Den Zahlungen der B****-GmbH liegen für die Streitjahre folgende Umstände zu Grunde:

Ein Teil der im **** Krankenhaus tätig werdenden Ärzte wendete auf freiwilliger Basis einen gewissen Betrag dem Pflegepersonal (OP-Personal) zu. Zu diesem Zweck bestand ein Pool, der von der B****-GmbH verwaltet wurde. Die Auszahlungen an das OP-Personal erfolgten monatlich.
Die Zahlungen der B****-GmbH an den Beschwerdeführer stammten aus diesem Pool.

Bei den Zahlungen der Ärzte in den Pool handelte es sich zum größten Teil um Anteile an Privathonoraren bzw an Klasse- oder Sondergebühren.

Ein Teil der Ärzte leistet gar keine Zahlungen, ein Teil der Ärzte wendet dem OP-Gehilfen direkt einen Barbetrag zu.

Die Zahlungen in den Pool waren nicht verpflichtend. Auch bestand keine Regelung betreffend eine bestimmte Höhe der Zahlungen.

Die Annahme dieser Zahlungen aus dem Pool durch das OP-Personal war nicht verboten.

Seitens des OP-Personals bestand kein Rechtsanspruch auf diese Zahlungen aus dem Pool.

Verboten war hingegen nach den Richtlinien der B****-GmbH die Annahme von Zuwendungen von Patienten. Derartige Zahlungen sind jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

Die Hintergründe der Zahlungen des Vereins **** sind nicht feststellbar.

 

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf die Akten des Finanzamtes und die darin erliegenden Urkunden sowie auf die Angaben der B****-GmbH und ihres steuerlichen Vertreters.

 

Rechtlich folgt daraus:

Wiederaufnahme

Gemäß § 279 Abs 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Sachentscheidungen dürfen daher beispielsweise eine Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages in eine Zurückweisung abändern oder umgekehrt (Ritz, BAO6, § 279 Tz 14 mwN).

§ 303 Abs 2 BAO sah bis zur Novelle durch das FVwGG 2012 vor, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß Abs 1 binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hatte, bei der Abgabenbehörde einzubringen war, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hatte.

In seiner gegenwärtigen Fassung kennt § 303 BAO eine solche Drei-Monats-Frist nicht mehr. Gemäß § 323 Abs 37 BAO ist § 303 BAO in seiner Neufassung, soweit er Beschwerden betrifft, auch auf alle am 1. Jänner 2014 unerledigten Berufungen und die Devolutionsanträge anzuwenden.
§ 303 BAO ist eine Verfahrensbestimmung. Sie gilt daher ab Inkrafttreten auch für die Wiederaufnahme vor ihrem Inkrafttreten mit Bescheid abgeschlossener Verfahren (Ritz, BAO6, § 303 Tz 13).

Für eine Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages wegen Nichteinhaltung der Dreimonatsfrist, wie in der Berufungsvorentscheidung vorgenommen, bleibt daher aufgrund der geänderten Rechtslage kein Raum mehr. Vielmehr ist über diesen Wiederaufnahmeantrag nunmehr in der Sache zu erkennen.

Trinkgeld

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG "Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. […]"

Darunter fallen alle Bezüge und Vorteile, wie zB Gehälter, Löhne, Provisionen, Belohnungen, Tantiemen, Sachbezüge, freiwillige Sozialleistungen usw. Wie und in welcher Form die entsprechenden Bezüge zu versteuern sind, ist unmaßgeblich.

Die Bezüge können demnach
.) steuerfrei bleiben (§ 3 EStG 1988, § 67 EStG 1988, § 68 EStG 1988) oder
.) mit festen Sätzen (§ 67 EStG 1988, § 69 EStG 1988) oder
.) im Abzugsverfahren mit dem Lohnsteuertarif (§ 66 EStG 1988, § 70 EStG 1988) oder
.) im Veranlagungsverfahren (§ 41 EStG 1988) versteuert werden (LStR 2002 Rz 646).

Entgelt von dritter Seite gehört zu den Vorteilen aus dem Dienstverhältnis, und zwar unabhängig davon, ob es mit oder gegen den Willen des Arbeitgebers vereinnahmt wird oder auch aus Dienstverfehlungen stammt. Jedoch muss auch bei einem Entgelt von dritter Seite geprüft werden, ob die Gewährung des Vorteils durch das Dienstverhältnis veranlasst ist (Geringer/Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 25 Rz 7/1). Derartige Entgelte unterliegen nicht dem Lohnsteuerabzug Geringer/Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 25 Rz 5)

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die streitgegenständlichen Zuflüsse an den Beschwerdeführer durch ein bestehendes Dienstverhältnis veranlasst waren und nicht vom Arbeitgeber stammten. Sie wurden vielmehr von der B****-GmbH nur abgewickelt und stammten von im **** Krankenhaus tätig werdenden Ärzten.

Erhalten Angehörige des nichtärztlichen Personals eines Krankenhauses neben ihrem vom Arbeitgeber ausbezahlten Arbeitslohn vom Institutsvorstand (Primararzt) oder von anderen Ärzten einen Teil der Klassen- oder Sondergebühren, so zählen nach einhelliger Ansicht von Schrifttum und Rechtsprechung (unabhängig von der Art der Verrechnung) auch die vom Arzt zugewendeten Beträge zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Form eines Arbeitslohnes von dritter Seite (zB VwGH 21.1.1982, 3831/80; LStR 2002 Rz 990; Doralt, EStG8, § 22 Tz 87; Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 22 Anm 91; Peyerl in Jakom, EStG 2020, § 22 Rz 74; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 22 Tz 16.5).

Die streitgegenständlichen Zahlungen gehören daher als Entgelte von dritter Seite zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

In Streit steht, ob diese Entgelte von dritter Seite jedoch als Trinkgelder von der Einkommensteuer befreit sind.

§ 3 Abs 1 Z 16a EStG bestimmt dazu:

"§ 3. (1) Von der Einkommensteuer sind befreit:
16a. Ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist."

Für die Steuerfreiheit müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein (zB Mayr/Hayden, in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18 § 3 Rz 197; LStR 2002 Rz 92a).
- Ortsüblichkeit der Zuwendung
- Zuwendung an den Arbeitnehmer anlässlich einer Arbeitsleistung von dritter Seite
- Freiwilligkeit der Zuwendung
- Zulässigkeit der Annahme (kein gesetzliches oder kollektivvertragliches Verbot der Annahme).

Ein Trinkgeld ist ortsüblich (LStR 2002 Rz 92b),
.) wenn es zu den Gepflogenheiten des täglichen Lebens gehört, dem Ausführenden einer bestimmten Dienstleistung (in einer bestimmten Branche) ein Trinkgeld zuzuwenden (Branchenüblichkeit) und
.) soweit das Trinkgeld am Ort der Leistung auch der Höhe nach den Gepflogenheiten des täglichen Lebens entspricht (Angemessenheit).

Im Bericht des Finanzausschusses heißt es zu der aufgrund eines Initiativantrages eingeführten Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 16a EStG ua:

"[…] Aus Gründen der Verfahrensökonomie sollen daher alle von dritter Seite freiwillig an Arbeitnehmer gewährten ortsüblichen Trinkgelder, auf die der Arbeitnehmer jedoch keinen Rechtsanspruch hat, zur Gänze lohn- bzw. einkommensteuerfrei gestellt werden. Damit sollen in Hinkunft auch Kreditkartentrinkgelder von der Lohnsteuer befreit sein. Die Befreiung gilt auch für den Dienstgeberbeitrag […] sowie für die Kommunalsteuer […]).
Unter ortsüblichen Trinkgeldern sind solche im Sinne der allgemeinen Verkehrsauffassung zu verstehen. Damit ist einerseits eine Unterscheidung auf Grund der geographischen Lage (beispielsweise Stadt, Land) und andererseits auch eine Branchendifferenzierung vorzunehmen (beispielsweise handwerkliche Berufe und Gastronomie). Innerhalb ein und derselben Branche ist ebenfalls eine abgestufte Betrachtung anzustellen (beispielsweise Haubenlokal und ,Beisl').
Die Benennung als ,Trinkgeld' alleine führt noch nicht zu einer Qualifizierung als Trinkgeld und löst damit noch nicht die Einkommensteuerbefreiung aus. Maßgeblich ist vielmehr der wirtschaftliche Gehalt. Demnach können bislang unter dem Titel "Löhne und Gehälter" ausbezahlte Beträge nicht in steuerfreies Trinkgeld umgewandelt werden. Nicht unter die Steuerbefreiung fallen des Weiteren provisionsähnliche Gehaltsbestandteile sowie Umsatzbeteiligungen. […]" (Bericht des Finanzausschusses 906 Blg NR XXII. GP [Hervorhebungen nicht im Original])

Maßgeblich ist somit nach der Absicht des historischen Gesetzgebers der wirtschaftliche Gehalt der Zahlungen.

Nach allgemeinem Verständnis handelt es sich bei einem Trinkgeld um eine Zahlung, die der Kunde (vgl zB Mayr/Hayden, in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18 § 3 Rz 200) bzw Leistungsempfänger dem ausführenden Arbeitnehmer (meist einem Angestellten des leistungserbringenden Unternehmens oder einem Angestellten des Lieferanten udgl) zuwendet.
Dazu gehört auch die anlassbezogene Hingabe in vielen Bereichen des täglichen Lebens, zB an Fahrpersonal im Ausflugsverkehr, an Monteure von Versorgungsunternehmen und andere Arbeitnehmer, die in der Wohnung des Auftraggebers tätig werden (LStR 2002 Rz 92c).
In diesem Sinn spricht auch der Gesetzestext von Trinkgeldern, die "zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist" (vgl dazu näher Mayr/Hayden, in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18 § 3 Rz 201)

Empfänger der Leistungen des OP-Gehilfen ist der Patient. Freiwillige Zahlungen des Patienten an den OP-Gehilfen würden daher dem typischen Bild eines Trinkgeldes entsprechen.

Streitgegenständlich sind jedoch nicht Zahlungen von Patienten an OP-Personal, sondern Zahlungen von Ärzten an das OP-Personal, somit Zahlungen von Ärzten an andere an der Leistungserbringung (durch den Arzt) mitwirkende Personen (im weitesten Sinn also Zahlungen an Arbeitskollegen bzw Mitarbeiter).
Quelle oder Ursprung dieser Zahlungen sind nach den Feststellungen Privat- und Sonderklassegebühren, die die Ärzte für ihre Leistungserbringung erhalten.
Anders als ärztliches Personal hat das nichtärztliche Personal jedoch keinen Rechtsanspruch auf eine derartige Beteiligung.

Die Ärzte teilen somit im Ergebnis die Privathonorare bzw Klasse- oder Sondergebühren aufgrund eines Rechtsanspruches mit dem ärztlichen Personal sowie auf freiwilliger Basis mit dem nichtärztlichen OP-Personal.

Nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt handelt es sich bei den streitgegenständlichen Zahlungen daher um einen Anteil an den Privathonoraren bzw Klasse- oder Sondergebühren und nicht um Trinkgelder im Sinn der allgemeinen Verkehrsauffassung.

Die Zahlungen an den Beschwerdeführer erfolgten zudem über Jahre hinweg Monat für Monat, unabhängig von Urlaub oder Krankenstand sowie unabhängig davon, wie oft der Beschwerdeführer zum Einsatz kam oder wie zufrieden der behandelnde Arzt mit der Leistung des Beschwerdeführers war, in gleicher Höhe. Eine derartige Gestaltung entspricht nicht dem üblichen Bild eines Trinkgeldes.

Ortsüblichkeit liegt damit nicht vor, es handelt es sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt nicht um Trinkgelder.

Da somit eines der kumulativ erforderlichen Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs 1 Z 16a EStG nicht erfüllt ist, sind die streitgegenständlichen Zahlungen nicht von der Einkommensteuer befreit.

Es braucht daher nicht mehr geprüft zu werden, ob diese Zahlungen freiwillig erfolgten, ob es sich um Zahlungen von dritter Seite handelte oder ob die Annahme dieser Zahlungen nicht verboten war.

 

Es liegen somit im Streitfall steuerpflichtige Entgelte von dritter Seite und keine Trinkgelder vor. Dieser Sachverhalt wurde bereits den Einkommensteuerbescheiden zugrunde gelegt und liegt daher keine neue Tatsache im Sinne des § 303 BAO vor. Der Wiederaufnahmeantrag wurde daher vom Finanzamt zu Recht abgewiesen.

Zur Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob es sich bei der über einen Pool abgewickelten Weiterleitung von freiwilligen Anteilen an Privathonoraren bzw Sonderklassegebühren an OP-Personal um Trinkgelder iSd § Abs 1 Z 16a EStG handelt, liegt bisher keine Rechtsprechung vor. Die ordentliche Revision war daher zuzulassen.

Die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid erweist sich damit als unbegründet und ist daher gemäß § 279 BAO abzuweisen.

 

 

Wien, am 17. Juli 2020

[...]

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

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