BFG RV/3100704/2019

BFGRV/3100704/201923.9.2019

Vertragserrichtungskosten als Teil der Gegenleistung - nicht nach dem Vertragswortlaut, aber nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt des Rechtsgeschäfts

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100704.2019

 

Beachte:
Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/16/0190. Zurückweisung mit Beschluss vom 4.12.2019.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, Adr_Bf, vertreten durch RA, Schmerlingstraße 2/1, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom 08.06.2019 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 31.05.2019, ERFNr. 10-128.870/2019 betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

 

Sachverhalt/Verfahrensgang

1. Mit Kaufvertrag vom 8. Februar 2019 erwarb der Beschwerdeführer (Bf) - aufgrund des zum damaligen Zeitpunkt noch einzuholenden Nutzwertgutachtens überschlagsmäßig geschätzte - 110(94+7+9)/3787 Anteile an der Liegenschaft in GB_S.

Unter Punkt III. des Kaufvertrages wurde als Kaufpreis ein Pauschalbetrag von € 413.000,00 vereinbart.

Unter Punkt XII. (Kostentragung) wurde festgelegt, dass sämtliche mit der Errichtung, treuhändigen Abwicklung und grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrages verbundenen Kosten, Steuern und Gebühren einschließlich der Kosten der Beglaubigung der Unterschriften sämtlicher Vertragspartner vom Käufer zu tragen seien. Explizit bezog sich diese Nebenabrede unter anderem auf die "Kosten des Vertragsverfassers für die Errichtung, treuhändige Abwicklung und grundbücherliche Durchführung dieses Kaufvertrages (1,5 % des vereinbarten Kaufpreises zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von derzeit 20 %)".

Unter Punkt XIII. (Vertragsabwicklung) ist festgehalten, dass der Käufer Herrn RA mit der Errichtung, treuhändigen Abwicklung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages beauftrage. Dort verpflichtete sich der Bf als Käufer auch dazu, die Kosten der Vertragserrichtung und -abwicklung über entsprechende Rechnungslegung durch den Vertragsverfasser zu bezahlen.

2. Die Grunderwerbsteuer für diesen Vorgang wurde mit Bescheid vom 31. Mai 2019 festgesetzt, wobei neben dem Kaufpreis iHv € 413.000,00 Vertragserrichtungskosten iHv € 7.434,00 in die Bemessungsgrundlage einbezogen wurden.

3. In der Beschwerde wird zunächst geäußert, die Abgabenbehörde habe die Vertragserrichtungskosten - ohne nennenswertes Ermittlungsverfahren - in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen. Diese Einbeziehung sei jedoch nur für den Fall zulässig, dass allein die Verkäuferin Z GmbH den Vertragsverfasser RA mit der Urkundenerrichtung beauftragt, sich der Bf aber im Innenverhältnis gegenüber der Verkäuferin zur Übernahme der Kosten der Vertragserrichtung verpflichtet hätte. Tatsächlich habe der Vertragsverfasser jedoch der Firma Z GmbH nur insofern eine Mitwirkung an der Vorbereitung des geplanten Bauträgerprojektes zugesichert, als er sich unter der Voraussetzung, dass es der Bauträger beim Verkauf künftiger Wohnungseigentumseinheiten zur Rechtsgeschäftsbedingung erhebe, dass ihn der jeweilige Käufer mit der Errichtung, treuhändigen Abwicklung und grundbücherlichen Durchführung des jeweiligen Kaufvertrags beauftrage, bereit erklärt habe, entsprechende Urkundenentwürfe für die Verkäuferin entgeltfrei zu erstellen.

Die Abgabenbehörde habe jedes Ermittlungsverfahren unterlassen, welches diesen rechtserheblichen Sachverhalt erhellt hätte und sich einfach über den Wortlaut des Kaufvertrages (siehe oben) hinweggesetzt. Dort sei unter Punkt XIII.1. und 2. ausdrücklich bedungen, dass der Bf selbst in seiner Eigenschaft als Käufer den Urkundenverfasser mit der Vertragserrichtung und -abwicklung beauftrage und sich über entsprechende Rechnungslegung durch den Vertragsverfasser zur Direktzahlung des vereinbarten Pauschalhonorars verpflichtet. Insofern bestehe nicht der geringste Spielraum für die Einbeziehung der Vertragserrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer.

Abschließende Ausführungen in der Beschwerde dürften nur versehentlich erfolgt sein, betreffen sie doch eine im gegenständlichen Verfahren nicht vorliegende Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung.

4. Die Abgabenbehörde vertrat in der abweisenden Beschwerdevorentscheidung den Standpunkt, es sei nach der Lebenserfahrung anzunehmen, dass bei der Durchführung von Wohnungsverkäufen im Rahmen der Errichtung von Wohnhausanlagen mit mehreren Wohnungen der Veräußerer an einen Rechtsanwalt oder Notar mit dem Auftrag zur Erstellung eines Mustervertrages herantrete. In der Folge erschöpfe sich die von den Käufern zu entfaltende Aktivität darin, den hinsichtlich der Eigenheiten des jeweiligen Wohnungsverkaufes (Käufer, Kaufpreis, Miteigentumsanteil) adaptierten Kaufvertrag zu begutachten und zu unterfertigen. Die Käuferseite habe demzufolge keine Wahl, welcher Vertragserrichter genommen werde, weshalb die gesamten Vertragserrichtungskosten als sonstige Leistung nach § 5 Abs. 1 Z. 1 GrEStG in die Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage einzubeziehen seien.

5. Im Vorlageantrag wurde erneut der Vorwurf erhoben, die Abgabenbehörde habe ihre Pflicht zur Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes verletzt. Jegliche Erhebung und behördliche Feststellung der Umstände, unter welchen die Beauftragung des Urkundenverfassers mit der Errichtung, treuhändigen Abwicklung und späteren Verbücherung des Kaufvertrages vom 8.2.2019 erfolgt sei, sei unterblieben; über die Sachverhaltsdarstellung des Bf habe ich die Abgabenbehörde stillschweigend hinweggesetzt, stattdessen nur auf einen "tatsächlichen Geschehensablauf" verwiesen, wie er sich nach Auffassung der Abgabenbehörde nach der Lebenserfahrung dargestellt habe.

Es sei für die Einbeziehung von Vertragserrichtungskosten in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht relevant, ob der Käufer betreffend den Urkundenverfasser ein Wahlrecht habe, sondern einzig, ob er durch seine Honorierung des Vertragserrichters den Verkäufer von einer diesbezüglichen Zahlungspflicht befreie. Anschließend wird nochmals das Beschwerdevorbringen wiederholt, wonach die Firma Z GmbH zwar vermittelnd tätig gewesen, aber aufgrund der direkten Beauftragung des Vertragserrichters durch den Bf nicht von einer eigenen Entgeltpflicht befreit worden sei. Es läge daher keine "sonstige Leistung" des Bf an die Z GmbH vor, welche Teil der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sein könne.

 

Rechtslage

1. Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer grundsätzlich vom Wert der Gegenleistung (§ 5), mindestens vom Grundstückswert zu berechnen.

2. Bei einem Kauf (§ 1053 f. ABGB, § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG) ist nach der Legaldefinition des § 5 Abs. 1 Z 1 leg.cit. die Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen.

3. Der Begriff der Gegenleistung iSd §§ 4 und 5 GrEStG ist ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht. Der Begriff der Gegenleistung im Grunderwerbsteuerrecht ist im wirtschaftlichen Sinn ( ​ §21 BAO) zu verstehen; es kommt für die Beurteilung der Gegenleistung daher nicht auf die äußere Form der Verträge, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt an, der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln ist. Zur Gegenleistung gehört jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstückes gewährt, oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstückes empfängt, somit die Summe dessen, was der Käufer an wirtschaftlichen Werten dagegen zu leisten verspricht, dass er das Grundstück erhält bzw. alles, was der Käufer einsetzen muss, um das Grundstück zu erhalten.  ( Fellner in Fellner [Hrsg], Grunderwerbsteuer [15. Lfg 2016] zu § 5 GrEStG 1987, Rz 4ff mwN)

4. Wird der Auftrag zur Errichtung und Verbücherung der Vertragsurkunde vom Käufer erteilt, sind die Vertragserrichtungskosten seine eigenen Kosten und können nicht Gegenleistung sein, da sie sich im Vermögen des Verkäufers nicht werterhöhend auswirken. Dies gilt dann nicht, wenn der Käufer erst gleichzeitig mit Unterfertigung der Vertragsurkunde in ein Mandatsverhältnis mit dem Verfasser des Vertrages tritt und bei Nichtzustandekommen des Vertrages der Veräußerer das Kostenrisiko getragen hätte (Ressler/Arnold in Arnold/Bodis [Hrsg.], GrESt 1987, 16. Lfg., § 5 Rz 127 mit Verweis auf VwGH 23.1.2003, 2001/16/0353).

 

Erwägungen

1. Strittig ist im gegenständlichen Fall ausschließlich, ob die Vertragserrichtungskosten im Ausmaß von 1,5 % des Kaufpreises iHv € 413.000,00, sohin € 7.434,00, in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind oder nicht.

2. Der Bf stellt sich diesbezüglich auf den Standpunkt, dass infolge der gemäß dem Wortlaut des Kaufvertrages durch den Bf als Käufer erfolgten Beauftragung des Vertragserrichters der Bf durch die Bezahlung der Vertragserrichtungskosten nicht die Verkäuferin Z GmbH von einer sie treffenden Zahlungsverpflichtung befreit hat, sondern - originär - eigene Kosten zu tragen hatte.

3. Demgegenüber geht aus Beschwerde und Vorlageantrag eindeutig hervor, dass sich der Vertragsverfasser gegenüber der Z GmbH ausbedungen hat, von sämtlichen Wohnungskäufern des Projektes mit der Errichtung des Kaufvertrages und insgesamt der Abwicklung des Liegenschaftskaufes beauftragt zu werden. Dieses Vorbringen impliziert, dass der Vertragsverfasser von der Verkäuferin im Vorfeld des tatsächlichen Verkaufs (bzw. der tatsächlichen Verkäufe) damit beauftragt worden war, einen Mustervertrag zu erstellen. 

Der Bf musste sodann, wie bereits die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung ausführte, den von der Verkäuferin mit der Erstellung eines Mustervertrages beauftragten Rechtsanwalt mit der Vertragserrichtung und weiteren Abwicklung betrauen, so er denn die Wohnung haben wollte.

4. Es steht weiters fest bzw. geht aus dem Wortlaut des Kaufvertrages unter Punkt XIII. hervor, dass die Mandatserteilung an den Vertragsverfasser im gegenständlichen Fall gleichzeitig mit der Unterfertigung des Kaufvertrages seitens des Bf am 8. Februar 2019 erfolgte; hätte der Bf den Kaufvertrag mit der Z GmbH nicht geschlossen, wäre es zu keiner Beauftragung des Vertragsverfassers durch den Bf gekommen. Das Kostenrisiko für die Erstellung des Mustervertrages hätte, was ebenfalls aus dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen hervorgeht, diesfalls nur die Verkäuferin getroffen.

5. Vor dem Hintergrund der oben zitierten Entscheidung des VwGH (VwGH 2.5.2003, 2001/16/0353) war das Schicksal der Beschwerde damit entschieden, zumal außerdem der Begriff der Gegenleistung nicht nach der äußeren Form bzw. dem strengen Wortlaut des jeweiligen Vertrages, sondern nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt des zugrunde liegenden Erwerbsvorganges zu beurteilen ist.

Dazu ist festzuhalten, dass die seitens der Z GmbH gewählte Vorgehensweise keinesfalls als außergewöhnlich angesehen werden kann. Es entspricht, wie bereits die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung - in Entsprechung mit aktueller Judikatur des Bundesfinanzgerichtes zu ähnlich gelagerten Fällen (zB BFG 4.6.2019, RV/3100356/2019; 14.5.2019, RV/7102439/2019) - ausführte, den Erfahrungen des Wirtschaftslebens, wenn ein Rechtsanwalt oder Notar vom Bauträger (Veräußerer) mit der Erstellung eines Mustervertrages beauftragt wird, welcher dann den jeweiligen Käufern in angepasster Form zur Begutachtung und Unterfertigung vorgelegt wird.

6. Insofern bestand auch kein Anlass anzunehmen, die Abgabenbehörde habe, indem sie die Vertragserrichtungskosten laut Kaufvertrag - ohne weiteres Ermittlungsverfahren - in die Gegenleistung gem. §§ 4 und 5 GrEStG einbezogen hat, ihre Ermittlungspflicht verletzt.

 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung wurde in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung getroffen; die Revision war daher nicht zuzulassen.

 

 

Innsbruck, am 23. September 2019

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 5 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 4 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987

Verweise:

VwGH 23.01.2003, 2001/16/0353
BFG 04.06.2019, RV/3100356/2019
BFG, RV/7102439/2019

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