BFG RV/7102589/2019

BFGRV/7102589/201916.7.2019

Rückerstattung von Kapitalertragsteuer an eine in Luxemburg ansässige Muttergesellschaft

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102589.2019

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerde­sache Bf, vertreten durch S , über die Beschwerde vom 22.09.2016 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom 01.08.2016, betreffend Abweisung des Antrages vom 04.01.2016 auf Rückerstattung der von der X-AG (St.Nr. xxxxxxxxxxx) an das Finanzamt im Mai 2015 abgeführten Kapitalertragsteuer, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird insofern abgeändert, als dem Antrag vom 04.01.2016 auf Rückerstattung von Kapitalertragsteuer in Höhe von EUR 2.590.087,50 stattgegeben wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Beim gegenständlichen Verfahren handelt es sich um das fortgesetzte Verfahren nach Ergehen des VwGH- Erkenntnisses vom 27.03.2019, Ro 2018/13/0004.

Hinsichtlich des Sachverhaltes und des mit Revision angefochtenen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom 4.12.2017, RV/7106377, wird auf diese Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes verwiesen.

In der gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 4.12.2017, RV/7106377, erhobenen Revision wurde im Wesentlichen geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht sei sowohl von dem von ihm zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.6.2014, 2011/15/0080, VwSlg 8927/F) als auch von den in aktuellen Entscheidungen des EuGH betonten unionsrechtlichen Vorgaben abgewichen. Nach den Maßstäben dieser Judikatur liege kein Missbrauch vor. Die Entscheidung sei zudem unzureichend begründet. So sei das Bundesfinanzgericht ohne nähere Begründung zum Ergebnis gekommen, die Muttergesellschaft der Revisionswerberin sei "nicht geschäftsleitend tätig geworden". Bei substantiierter Auseinandersetzung mit dem Vorbringen hätte das Bundesfinanzgericht zu dem Schluss kommen müssen, dass "eine Vielzahl an wirtschaftlichen Gründen" für die gewählte Gestaltung bestünden und der Anspruch auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer daher zu Recht bestehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes mit Erkenntnis vom 27.03.2019, Ro 2018/13/0004, mit folgender Begründung aufgehoben:

"Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens ist nicht eine angestrebte Entlastung an der Quelle in der Form des Unterbleibens einer Einbehaltung und Abfuhr von Kapitalertragsteuer. Es geht daher auch nicht um die Voraussetzungen, unter denen die ursprünglich zu § 94a EStG 1988 ergangene Verordnung BGBl. Nr. 56/1995 bei Ausschüttungen an ausländische Muttergesellschaften eine Einbehaltung von Kapitalertragsteuer anordnet.

Revisionsgegenständlich ist ein Rückerstattungsverfahren, das im - hier nicht vorliegenden - Fall der Einbehaltung auf Grund der Verordnung "eine der Richtlinie entsprechende Entlastung (...) herbeizuführen" hat (§ 94 Z 2 letzter Satz EStG 1988) und sich bei Einbehaltung von Kapitalertragsteuer schon mangels rechtzeitigen Erreichens der Mindestdauer der Beteiligung unmittelbar auf "europarechtliche Vorgaben" gründet (vgl. dazu die Nachweise in der vom Bundesfinanzgericht zitierten Kommentarstelle).

Das Bundesfinanzgericht hat diesen rechtlichen Rahmen dargestellt, daraus aber nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen und die Rechtslage verkannt, indem es die Richtlinie nicht als Rechtsquelle heranzog und der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Judikatur des EuGH keinerlei Beachtung schenkte (vgl. zu dieser Judikatur zuletzt Fuchs , ÖStZ 2018/722, 559, mwN).

Die angefochtene Entscheidung findet auch nicht Deckung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014, 2011/15/0080, VwSlg 8927/F. Nach diesem Erkenntnis spricht die Beherrschung durch in einem Drittstaat ansässige Personen für das Vorliegen missbräuchlicher Rechtsgestaltung, wenn für die Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft "wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet".

Das Bundesfinanzgericht scheint anzunehmen, für die Einschaltung der beiden im EU-Raum ansässigen Gesellschaften bestehe kein "wirtschaftlicher Grund", wenn sie für die Gliederung der Beteiligungen u.a. nach Regionen kein "Erfordernis" darstelle und nicht konkret dargetan werde, dass die Beteiligung an der österreichischen Aktiengesellschaft sonst "gescheitert" wäre. Diese Betrachtungsweise ist verfehlt, weil ein wirtschaftlicher Grund für eine Gestaltung nicht nur dann vorliegen kann, wenn das angestrebte wirtschaftliche Ziel nicht anders erreichbar ist. Ein wirtschaftlicher Grund für eine Gestaltung liegt auch vor, wenn das Ziel damit, wie hier vorgebracht, besser und sicherer zu erreichen war.

Was die Wirtschaftstätigkeit anlangt, so hat das Bundesfinanzgericht im Prinzip richtig angenommen, dass das Fehlen einer solchen bei der in Luxemburg ansässigen Revisionswerberin nicht schädlich wäre, wenn ihre ebenfalls dort ansässige Muttergesellschaft in Luxemburg wirtschaftlich tätig ist. Das Fehlen einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Muttergesellschaft lässt sich aus der Beschäftigung "lediglich" eines Geschäftsführers, eines Bilanzbuchhalters und eines Büroleiters im Luxemburger Büro, aus der Entsendung eines Geschäftsführers aus dem Umfeld der Anteilseigner während der Zeit der Suche nach einem ständigen Geschäftsführer, aus der Vorgabe einer bestimmten Investitionspolitik durch die Anteilseigner und aus der Zusammenfassung dieser Umstände mit dem Wort "Gesamtbild" aber nicht ableiten.

Dass die Muttergesellschaft der Revisionswerberin "nicht geschäftsleitend tätig" geworden sei, steht auch im Widerspruch zu den unwiderlegten, detaillierten Angaben über die Aufgabenbereiche der drei Mitarbeiter. "Geschäftsleitend" ist nach Meinung des Bundesfinanzgerichtes der Fonds auf den Cayman Islands (gemeint wohl: über die Treuhandgesellschaft), weil von ihm das Kapital für die Beteiligung stammt und er über die ihn beratende australische Gesellschaft die Zielgesellschaft fachlich beraten kann. Der geschäftsleitenden Tätigkeit einer Holdinggesellschaft von der Art der Muttergesellschaft der Revisionswerberin steht es aber nicht entgegen, wenn sie finanzkräftige Anteilseigner hat und sich die Tätigkeit der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter nicht auch auf die fachliche Beratung der Zielgesellschaft in der Führung eines Flughafens erstreckt (vgl. zur Verwaltung von Wirtschaftsgütern als wirtschaftlicher Tätigkeit jetzt EuGH 20.12.2017, Deister Holding und Juhler Holding , C-504/16 und C-613/16 , Rn. 73; 14.6.2018, GS , C-440/17 , Rn. 54; anders als in den dort angesprochenen Fällen war die Muttergesellschaft der Revisionswerberin nach dem Vorbringen in der Verhandlung auch umsatzsteuerpflichtig).

Das angefochtene Erkenntnis war schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."

Infolge der Aufhebung des BFG-Erkenntnisses vom 4.12.2017, RV/7106377 , durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Beschwerde­verfahren wieder offen. Es ist daher vom Bundesfinanzgericht nochmals hierüber abzusprechen.

Mit ergänzendem Schriftsatz vom 10.07.2019 verzichtete die Bf. auf die Entscheidungs­fällung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Bei der Entscheidung im fortgesetzten Verfahren ist das Bundesfinanzgericht gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ( VwGH 27.03.2019, Ro 2018/13/0004 ) folgt.

 

 

Wien, am 16. Juli 2019

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 63 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985

Verweise:

VwGH 27.03.2019, Ro 2018/13/0004

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