BFG RV/1200089/2015

BFGRV/1200089/20159.1.2018

Erstattung von Eingangsabgaben

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2018:RV.1200089.2015

 

Beachte:
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2018/16/0045. Mit Erk. v. 15.5.2018 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zl. RV/1200020/2018 erledigt.

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Richter Ri., der beisitzenden Richterin Ri. sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2, im Beisein der Schriftführerin S., in der Be­schwer­desache Bf., Adr., vertreten durch RA, über die Beschwerde vom 6. Juli 2015 gegen den Bescheid des Zollamtes Z. vom 3. Juni 2015, Zahl Z., betreffend Erstattung von Eingangsabgaben, in der Sitzung am 23. November 2017, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt: 

1. Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird wie folgt abgeändert:
Dem Antrag auf Erstattung der mit Bescheid des Zollamtes Z.
vom 2. Juni 2014, Zahl Zahl, mitgeteilten Eingangsabgaben
wird gemäß Art. 236 ZK stattgegeben.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 2. Juni 2014, Zahl Zahl, teilte das Zollamt Z. dem Beschwerdeführer die buchmäßige Erfassung gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK iVm. Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO entstandener Eingangsabgaben iHv. € 224.000,00 (davon Zoll € 70.000,00 und Einfuhrumsatzsteuer € 154.000,00) mit. Der Beschwerdeführer habe am 27. Mai 2014 das Fahrzeug der Marke Bugatti Veyron 16.4, amtliches Kenn­zeichen (CH) GE, das sich auf dem Sattelanhänger des von ihm gelenkten LKWs befand, auf Befragen des Zollbeamten nach mitgeführten Waren nicht erklärt und es daher vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht. Eine Bescheidbeschwerde wurde nicht erhoben.

Mit Eingabe vom 16. Juni 2014 stellte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter unter anderem einen auf § 236 BAO gestützten Antrag und führte diesbezüglich begründend aus, dass er davon ausgegangen sei, dass das angemeldete und mit Kenn­zeichen versehene Fahrzeug nicht zu einem Zollverfahren angemeldet werden müsse und dafür auch keine Abgaben entrichtet werden müssten. Er habe weder in betrüge­rischer Absicht noch fahrlässig gehandelt. Für den zur Zahlung vorgeschriebenen Abgabenbetrag sei eine Bankbürgschaft ausgestellt worden. Der Beschwerdeführer sei als Chauffeur tä­tig. Die Einhebung der Abgaben führe bei ihm zu ernsten Schwierigkeiten wirt­schaft­licher und sozialer Art. Es werde daher beantragt, die mit Bescheid fest­ge­setz­ten Ein­gangs­ab­gaben gemäß § 236 BAO bzw. anderen anzuwendenden Ge­setzes­be­stimmungen zur Gänze zu erlassen.

Ergänzend wurde mit Schriftsatz vom 16. Juli 2014 vorgebracht, der Beschwerdeführer sei mit dem Sattelzug seines Arbeitgebers samt dem im Sattelanhänger geladenen und angemeldeten Fahrzeug Bugatti Veyron aus Diepoldsau kommend Richtung öster­reichische Grenze mit Fahrziel München unterwegs gewesen. Das Fahrzeug sei für die (von München über mehrere Zwischenstationen nach Molsheim in Frankreich, dem Produktionsort dieser Automarke) stattfindende Rallye "Safe the Date, Grand Tour Elysee 2014, 30. Mai bis 2. Juni 2014", bestimmt gewesen. Der Beschwerdeführer hätte das für einen gewissen M. K. bestimmte Fahrzeug dem Concierge des Hotel X. in München übergeben sollen. Von seinem Arbeitgeber, der C. AG, habe er die Anweisung erhalten, den Originalfahrzeugschein und die Vollmacht mitzuführen und darauf zu achten, dass die amtlichen Kennzeichen am Fahrzeug angebracht sind. Sämtliche Zollformalitäten seien vom hauseigenen zentralen Kundendienst vorbereitet und dem jeweiligen Chauffeur übergeben worden. In diesem Fall habe es keine Anweisungen gegeben, das gegenständliche Fahrzeug zu verzollen und entsprechend zu deklarieren. Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers habe in der Vergangenheit noch nie Fahrzeuge ins Ausland verbracht, die zu verzollen gewesen seien. Das Kerngeschäft der C. AG, dem Arbeitgeber des Beschwerdeführers, liege in der Verteilung von Neufahrzeugen auf das Händlernetz innerhalb der Schweiz. Diese Dienstleistung werde von verschiedenen Standorten in der Schweiz für verschiedene Fahrzeugimporteure erbracht. Der Beschwerdeführer sei bisher hauptsächlich für Fahrten innerhalb der Schweiz eingesetzt gewesen.

Der Beschwerdeführer sei angewiesen worden, den Originalfahrzeugschein und die Vollmacht mitzuführen sowie die amtlichen Kennzeichen am Fahrzeug anzubringen. Weiterer Papiere bedürfe es nicht, da das Fahrzeug im "Touristenverkehr" transportiert werde. Ein Arbeitskollege habe ihm von einer ähnlichen Fahrt mit einem aufgeladenen und zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug nach Italien berichtet, wobei der Fahrer ebenfalls auf der "Leerspur" nach Italien eingereist sei. Da er keine Instruktionen betreffend Verzollung erhalten habe, habe er im guten Glauben, das Fahrzeug sei keine zu verzollende Ware, die Frage des Zollbeamten, ob er eine Leerfahrt durchführe, bejaht.
Im Fall der Erstattung oder des Erlasses nach Art. 239 ZK iVm. Art. 899 ZK-DVO liege ein besonderer Fall vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet sei. Durch die Nichtdeklaration habe er keinerlei Vorteile erlangt. Er sei nach wie vor der Überzeugung, dass für das Fahrzeug keine Abgaben zu erheben gewesen wären. Aber selbst wenn derartige Eingangsabgaben zu erheben gewesen wären, hätten diese nicht ihn persönlich sondern die Transportfirma treffen müssen.

Die Abgabenvorschreibung sei nach Lage der Sache unbillig und würde seine Existenz gefährden, da er als Chauffeur kein entsprechend hohes Einkommen beziehe und auch keine nennenswerten Vermögenswerte besitze. Durch die Abgabeneinhebung sei seine Existenz ernsthaft gefährdet.

Das Zollamt wies mit Bescheid vom 3. Juni 2015, Zahl Z., den "Antrag auf Erlass nach Art. 239 ZK" als unbegründet ab. Gemäß Art. 239 ZK iVm. Art. 900 ZK-DVO würden Einfuhrabgaben in Sonderfällen erstattet. Gemäß Art. 900 Abs. 1 Buchst. o ZK-DVO sei eine Erstattung möglich, wenn die Zollschuld auf andere als die in Art. 201 ZK beschriebene Weise entstehe und der Beteiligte durch Vorlage eines Ursprungszeugnisses, einer Warenverkehrsbescheinigung oder einer anderen ent­sprechen­den Unterlage nachweise, dass im Fall der Anmeldung zur Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr ein Anspruch auf Gemeinschaftsbehandlung oder auf eine Zollbehandlung mit Abgabenbegünstigung bestanden hätte, sofern die übrigen Voraussetzungen nach Art. 890 ZK-DVO erfüllt sind.

Der Beschwerdeführer habe keine mit zollamtlicher Bestätigung versehene Waren­verkehrs­be­scheinigung EUR 1 im Original mit Bestätigung der Schweizer Behörde vorgelegt. Ein Sachverständigengutachten könne diese Bestätigung nicht ersetzen. Doch selbst bei Vorlage einer ordnungsgemäß ausgestellten Warenverkehrsbescheinigung könne dem Antrag nicht entsprochen werden, da der Beschwerdeführer offensichtlich fahrlässig gehandelt habe. Er habe sich nicht erkundigt und dem Beamten bei der Befragung nicht mitgeteilt, dass er eine Ware mitführe. Daher habe das Fahrzeug nicht in das zulässige Zollverfahren übergeführt werden können.

Die Zollbefreiung für Rückwaren iSd. Art. 185 ZK komme deshalb nicht in Betracht, weil er die Ware nicht zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet habe. Gleiches gelte für die Abgabenbefreiung nach Art. 212a ZK, weil der Beschwerdeführer offensichtlich fahrlässig gehandelt habe.

Es liege auch keine Unbilligkeit nach Lage der Sache vor, da die Abgabenvorschreibung lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage und kein atypischer Ver­mögens­eingriff sei. Eine Existenzgefährdung könne das Zollamt ebenfalls nicht erkennen, da er in geordneten Verhältnissen lebe, CHF 158.282,00 Jahreseinkommen beziehe, über ein Bankguthaben in Höhe von CHF 11.464,65 verfüge und Miteigentümer einer Liegenschaft sei.

In der gegen den Abweisungsbescheid eingebrachten Beschwerde vom 6. Juli 2015 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, bei dem Fahrzeug handle es sich um eine Gemeinschaftsware, die ausschließlich in Molsheim/Frankreich produziert werde. Es könnten daher keine Eingangsabgaben entstanden sein.

Aus Gründen, die nicht von ihm zu vertreten seien, könne er keine (andere) Waren­verkehrs­bescheinigung beibringen. Durch ein Sachverständigengutachten könne das Zollamt feststellen, dass das Fahrzeug eine Gemeinschaftsware sei.

Er habe keine anmeldepflichtigen Waren mitgeführt, sodass er die Frage des Zollbeamten nach anmeldepflichtigen Waren verneint habe. Mit "ich bin leer" habe er zum Ausdruck bringen wollen, dass er keine anmeldepflichtigen Waren mitführe. Die Fragestellung des Zollbeamten sei undeutlich gewesen. Leerfahrt und keine anmeldepflichtigen Waren dabei zu haben, könnten in diesem Sinn auch als wechselseitig synonyme Redewendungen verstanden werden. Die Fragestellung des Beamten habe sich auf das Mitführen anmeldepflichtiger Waren bezogen und nicht auf Waren allgemein. Er sei davon ausgegangen, dass ein angemeldetes Fahrzeug, eine Gemeinschaftsware, nicht den Zollbestimmungen unterliege, da es für ihn keinen Unterschied mache, ob er das Auto fahre oder es geladen habe.

Sein Antrag werde ausdrücklich auch auf § 236 BAO gestützt, worüber vom Zollamt noch nicht entschieden worden sei.

Es liege ein besonderer Fall im Sinne der Bestimmungen des Art. 239 ZK iVm. Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO vor, da sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweise. Entgegen der Ansicht des Zollamtes liege eine Existenzbedrohung des Be­schwerde­führers vor. Es sei zwar richtig, dass er Miteigentümer einer Liegenschaft sei, diese sei aber mit einem Grundpfandrecht iHv. CHF 595.000,00 belastet. Eine Raten­zahlung sei bei der Höhe der Abgabenbelastung und im Hinblick auf sein Jahresgehalt nicht möglich.

Ergänzend führte er im Schriftsatz vom 6. August 2015 aus, ihm sei lediglich ein Fehler passiert, da er bisher nicht für Auslandsfahrten eingesetzt worden sei. Für ihn sei die Fahrt eine Leerfahrt gewesen, da er seiner Ansicht nach nichts zu verzollen gehabt habe. Dieser Fehler könne ihm nicht als offensichtliche Fahrlässigkeit ausgelegt werden. Es sei nie geplant gewesen das Fahrzeug nach Österreich bzw. Deutschland einzuführen. Eigentümer und Halter des Fahrzeuges sei die AD. N..

Das Zollamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 28. September 2015, Zahl Zahl, als unbegründet ab.

Das Fahrzeug sei auch dann ordnungsgemäß zu gestellen gewesen, wenn es aus Frankreich stamme, da es in die Schweiz exportiert worden sei. Der Beschwerdeführer habe die Ursprungseigenschaft des Fahrzeuges, welche in Form einer Waren­verkehrs­bescheinigung EUR 1 nachzuweisen sei, nicht belegen können. Eine Erstattung nach Art. 239 iVm. Art. 900 (1) Buchstabe o in Bezug auf den Zoll sei daher nicht möglich.

Mit der Antwort auf die Frage des Zollbeamten "er sei leer" habe er dem Zollbeamten zu verstehen gegeben, er habe überhaupt keine Waren mitgeführt, tatsächlich jedoch den Bugatti geladen gehabt. Der Beamte habe ihn gefragt, ob er eine Leerfahrt durchführe. Diese Frage habe sich allgemein auf den Inhalt des vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeugs bezogen. Er hätte, auch ohne Kenntnisse des Zollrechts, die Frage des Beamten bejahen müssen bzw. wenn ihm die Frage unklar erschienen wäre, hätte er nachfragen können. Als der Beamte die Fahrzeugkontrolle angeordnet habe, habe er entgegnet, er sei doch nicht leer. Dies zeige nach Ansicht des Zollamtes, dass er die Frage verstanden und nunmehr um Schadensbegrenzung bemüht gewesen sei. Da er dies nicht getan habe, habe er offensichtlich fahrlässig gehandelt. Auch sei für jedermann einsichtig, dass bei Überschreiten einer Zollgrenze sämtliche mitgeführten Waren gestellt werden müssen.

Die Abgabenbelastung nach Lage der Sache sei auch nicht unbillig, da diese eine Aus­wirkung der Rechtslage sei. Ob der Beschwerdeführer Vorteile aus der Sache gezogen habe oder nicht, spiele für die Zollschuldentstehung keine Rolle.

Die Abgabenschuld sei bereits erloschen, da die Bankgarantie eingelöst worden sei, sodass bereits aus diesem Grund nicht anzunehmen sei, der Beschwerdeführer sei in seiner Existenz bedroht. Im Übrigen hätte er um Bewilligung von Ratenzahlungen ansuchen können.

Den Nachweis der Ursprungseigenschaft des Fahrzeuges könne er nicht mit einem Sachverständigengutachten erbringen, was sich aus der Verordnung (EU) Nr. 1063/2010 der Kommission vom 18. November 2010 ergebe.

Mit Eingabe vom 19. Oktober 2015 beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage an das Bundesfinanzgericht und die Entscheidung durch den Senat.

Weiters führte er aus, dass die Bankgarantie im Auftrag des Transportunternehmens, der C. AG, ausgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer wäre nie in der Lage gewesen, eine für ihn persönlich ausgestellte Bankbürgschaft zu erbringen. Die Abgabenlast trage die C. AG, die sich bei ihm schadlos halten werde.

In der Eingabe vom 25. Juli 2017 führte er ergänzend aus, dass die C. AG den Auftrag hatte, das Fahrzeug zum X. Hotel in München, AdrX, zu transportieren. Auftraggeber sei die CH gewesen. Im Lieferschein zum Auftrag sei vermerkt gewesen, dass das Fahrzeug für einen Hotelgast, Herrn K. bestimmt und dem Concierge des X. Hotels zu übergeben sei. Das Fahrzeug sei auf die AD. Geneve, zugelassen. Herr K. sei russischer Staatsbürger, (angeblich) Eigentümer des Fahrzeugs, und nicht in der EU ansässig.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Am 27. Mai 2014 kam der Beschwerdeführer als Fahrer eines auf die schweizerische C. AG zugelassenen Sattelzuges zum Grenzübergang Hohenems. Gegenüber dem am Amtsplatz in der Einreisespur auf Höhe des Bürocontainers der Spedition Weiss stehenden Zollbeamten führte er mehrmals die Hände vor dem Körper zu einem X zusammen, öffnete die Arme und drehte die Handflächen nach außen. Der Beamte forderte den Beschwerdeführer auf, anzuhalten und befragte ihn, ob er anmeldepflichtige Waren dabei habe oder ob er leer sei. Dieser antwortete, dass es sich um eine Leerfahrt handle. Nachdem der Beamte ihn aufgefordert hatte, an den Fahrbahnrand zu fahren erklärte der Beschwerdeführer, dass er ein Auto geladen habe.

Auf dem Auflieger befand sich der in der Schweiz zum Verkehr zugelassene PKW der Marke Bugatti Veyron (amtliches Kennzeichen GE Zahl, Zulassungsinhaber X., N.).

Das Fahrzeug sollte im Auftrag der Fa. BE Geneve, AdrBE, nach München, verbracht und dem Concierge des Hotels X. übergeben werden, der ihn für den Hotelgast, den russischen Staatsbürger M. K., in Empfang nehmen sollte. Das Fahrzeug war zur Teilnahme an der in München beginnenden Rallye "Save the Date, Grand Tour Elysee 2014" bestimmt.  

Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich unstrittig und zweifelsfrei aus dem vorgelegten Akt des Zollamtes.

Rechtliche Erwägungen:

Die anzuwendenden Bestimmungen richten sich auf Grund des Zoll­schuld­entstehungs­zeit­punktes 27. Mai 2014 nach den bis zum 30. April 2016 geltenden Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex - ZK) und der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) in der Fassung vor der Novelle durch die
Durchführungsverordnung (EU) 2015/234 der Kommission vom 13. Februar 2015.

Gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine ein­fuhr­ab­gaben­pflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.

Zollschuldner ist nach Art. 202 Abs. 3 erster Anstrich ZK die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat.

Artikel 236 ZK lautet:

"Artikel 236

(1) Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben werden insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Artikel 220 Absatz 2 buchmäßig erfasst worden ist.

Eine Erstattung oder ein Erlass wird nicht gewährt, wenn die Zahlung oder buchmäßige Erfassung eines gesetzlich nicht geschuldeten Betrags auf ein betrügerisches Vorgehen des Beteiligten zurückzuführen ist.

(2) Die Erstattung oder der Erlass der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erfolgt auf Antrag; der Antrag ist vor Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen.

Diese Frist wird verlängert, wenn der Beteiligte nachweist, dass er infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höherer Gewalt gehindert war, den Antrag fristgerecht zu stellen.

Die Zollbehörden nehmen die Erstattung oder den Erlass von Amts wegen vor, wenn sie innerhalb dieser Frist selbst feststellen, dass einer der in Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 beschriebenen Sachverhalte vorliegt."

Gemäß Art. 232 Abs. 1 ZK-DVO können Zoll­an­mel­dungen zur vorübergehenden Verwendung für folgende Waren durch eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 nach Maßgabe des Artikels 579 abgegeben werden, sofern sie nicht schriftlich oder mündlich angemeldet werden:

"a) persönliche Gebrauchsgegenstände und Waren zu Sportzwecken, die von Reisenden gemäß Artikel 563 eingeführt werden;

b) in Artikel 556 bis 561 genannte Beförderungsmittel;

c) ...

d) ..."

Nach Art. 234 ZK-DVO gelten Waren als vor­schrifts­wi­drig verbracht oder ausgeführt, wenn sich bei einer Kontrolle ergibt, dass die Willens­äuße­rung im Sinne des Artikels 233 erfolgt ist, ohne dass die ver­brachten oder ausgeführten Wa­ren die Voraussetzungen des Artikel 230 bis 232 erfüllen.

Gemäß Art. 137 ZK können im Verfahren der vorübergehenden Verwendung Nicht­ge­mein­schafts­waren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Ver­än­derungen erfahren hätten, unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Ein­fuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zoll­gebiet der Gemeinschaft verwendet werden.

Nach Art. 138 ZK wird die Bewilligung des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung auf Antrag der Person erteilt, welche die Waren verwendet oder verwenden lässt.

In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen das Verfahren der vor­über­gehen­den Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Ein­fuhr­ab­ga­ben in Anspruch ge­nommen werden kann, wird gemäß Art. 141 ZK nach dem Aus­schuss­verfahren fest­ge­legt.

Die betreffend Beförderungsmittel ergangenen Durchführungsvorschriften finden sich in den Art. 555 bis 562 des Kapitels 5, Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 der ZK-DVO.

Artikel 555 Abs. 1 ZK-DVO lautet auszugsweise:

„Artikel 555

(1) Für diesen Unterabschnitt gelten folgende Definitionen:

a) „gewerbliche Verwendung": die Verwendung eines Beförderungsmittels zur Beförderung von Personen gegen Entgelt oder zur industriellen oder gewerblichen Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt;

b) „eigener Gebrauch": eine andere als die gewerbliche Verwendung eines Beförderungsmittels;

c) „Binnenverkehr": …"

Art. 558 Abs. 1 ZK-DVO lautet auszugsweise:

„Artikel 558

(1) Die vorübergehende Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben wird für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel bewilligt, die

a) außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen sind; in Ermangelung einer amtlichen Zulassung gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn die betreffenden Fahrzeuge einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person gehören;

b) unbeschadet der Artikel 559, 560 und 561 von einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person verwendet werden und

c) bei gewerblicher Verwendung …"

Beim verfahrensgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich entgegen der vom Vertreter des Zollamtes in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht nicht um eine Ware zu Sportzwecken, sondern um ein Beförderungsmittel auf welches die Bestimmungen der Art. 555 bis 562 ZK-DVO anzuwenden sind. Das Fahrzeug kann aufgrund seiner amtlichen Zu­lassung normal im Straßenverkehr verwendet werden. Das Bestreiten einer Straßen-(Rallye) ändert daran nichts.

Das Fahrzeug erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen für die Bewilligung der vorübergehenden Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben nach Art. 558 Abs. 1 ZK-DVO.

Es ist außerhalb des Zollgebiets der Union auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person, nämlich auf die N., amtlich zugelassen und war dazu bestimmt von einer außerhalb der Union ansässigen Person benutzt zu werden (dass M. K. seinen Wohnsitz in der Union hat, wurde weder festgestellt, noch ergeben sich Hinweise darauf aus dem vorgelegten Zollakt).

Umstände, die darauf schließen lassen, dass bereits im Zeitpunkt des Verbringens feststand, dass der PKW entgegen den Bestimmungen der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben verwendet werden soll, liegen nicht vor.

Selbst wenn, was hier mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht bezweifelt wird, M. K., der das Fahrzeug bei der Rallye fahren sollte, diese Voraussetzungen nicht erfüllt, würde eine allfällige Zollschuld erst im Zeitpunkt der Überlassung an einen (allenfalls) Nichtberechtigten entstehen (vgl. Art. 90 ZK). 

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, die Voraussetzungen für die Verwendung des Fahrzeuges im Rahmen des Art. 558 Abs. 1 Buchstabe b) ZK-DVO erfüllt. Die Bewilligung, das geladene Fahrzeug vorübergehend im Gebiet der Union zu verwenden oder verwenden lassen, konnte ihm daher konkludent erteilt werden.

Das Zollamt ist der Ansicht, dass für das Fahrzeug die Zollschuld nach Art. 202 ZK durch vorschriftswidriges Verbringen entstanden ist. Der Beschwerdeführer habe durch Handzeichen und der Aussage "ich bin leer" eine unrichtige Anmeldung für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug abgegeben. Er hätte den PKW konkludent anmelden können, da er aber bei der Kontrolle eine unrichtige Anmeldung mündlich abgegeben habe, könne das Fahrzeug nicht mehr in das zulässige Zollverfahren übergeführt werden.

Das Bundesfinanzgericht vermag sich dieser Rechtsansicht nicht anzuschließen. Voraussetzung für die Abgabe einer Zollanmeldung zur vorübergehenden Verwendung gemäß Art. 233 ZK ist es, dass es sich um eine in Artikel 232 ZK angeführte Ware handelt. Eine Ware, die diese Voraussetzung erfüllt, gilt gemäß Art. 234 (1) ZK-DVO als gestellt (Art. 40 ZK), die Zollanmeldung als angenommen (Art. 63 ZK) und die Ware als überlassen (Art. 73 ZK).

Nur wenn eine Kontrolle ergibt, dass die Willensäußerung im Sinne des Art. 233 erfolgt ist, ohne dass die verbrachten oder ausgeführten Waren die Voraussetzungen des Artikels 232 erfüllen, gelten diese Waren als vorschriftswidrig verbracht. Die noch an der Zollstelle durchgeführte Kontrolle hätte jedoch richtigerweise ergeben müssen, dass die Voraussetzungen für die konkludente Anmeldung erfüllt sind.

Wenn also Waren, die die Voraussetzungen erfüllen, ohne Mitwirkung des Zollamtes beim Passieren mittels Fiktion in das Verfahren übergeführt werden können, muss dies im Umkehrschluss auch für jene Waren gelten, die nicht ausdrücklich angemeldet werden, also auch für versteckte und verheimlichte Waren. Erfüllen sie die Voraussetzungen, sind sie auch dann abgabenfrei zu belassen oder in die vorübergehende Verwendung zu überführen, wenn sie trotz ausdrücklichem Befragen nicht angemeldet werden (Witte, Zollkodex6, Rz 21 zu Art. 202).

Eine widerrechtliche Verwendung des Fahrzeugs durch den Beschwerdeführer liegt nicht vor. Die beabsichtigte Verwendung durch den nicht in der Union ansässigen russischen Staatsbürger wäre im Rahmen des Art. 558 Abs. 1 Buchst. b ZK-DVO ebenfalls zulässig gewesen.

Es handelte sich deshalb um kein vorschriftswidriges Verbringen, sodass keine Zollschuld
entstanden ist.

Gemäß Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst worden ist. Die Erstattung bzw. der Erlass erfolgt auf Antrag (innerhalb einer Frist von drei Jahren) oder von Amts wegen, wenn die Zollbehörden innerhalb dieser Frist selbst feststellen, dass einer der in Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 beschriebenen Sachverhalte vorliegt.

Gemäß Art. 239 Abs. 1 ZK können Einfuhrabgaben in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden, wenn diese Fälle nach dem Ausschussverfahren festgelegt wurden und sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.

Der Beschwerdeführer hat im Schriftsatz vom 16. Juni 2014 beantragt, die mit Bescheid des Zollamtes vom 2. Juni 2014, GZ Zahl, festgesetzte Eingangs­ab­gaben­schuld im Gesamtausmaß von € 224.000,00 gemäß Art. § 236 BAO bzw. "anderen anzuwendenden Gesetzesbestimmungen" zur Gänze zu erlassen.

Da der Zollkodex eigene Erstattungs- bzw. Erlassvorschriften kennt, werden die Be­stimmun­gen der BAO überlagert. Allfällige Anträge sind sinngemäß als Anträge auf Erstattung/Erlass zu behandeln. Über Anregung des Zollamtes hat der Beschwerdeführer ergänzend einen Antrag auf Erlass nach Art. 239 ZK eingebracht.

Stellt der Zollschuldner einen Erlass- oder Erstattungsantrag, sind die Zollbehörden verpflichtet, den Antrag im Hinblick auf alle in Betracht kommenden Erlass/Er­stat­tungs­vor­schriften des Art. 236 ZK einerseits und des Art. 239 ZK andererseits nicht in unterschiedlichen Verfahren zu behandeln, sondern hat die Behörde den Antrag umfassend auf alle Erlass-/Erstattungsgründe hin, die nach dem Vorbringen des Antragstellers einschlägig sein können, zu prüfen (BFH vom 27.6.2006, VII R 43/05, BFH vom 20.7.2004, VII R 99/00, BFHE 206,495). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller nur eine dieser Vorschriften genannt hat. Es genügt, wenn die Antrags­fristen eingehalten wurden (Alexander in Witte6, Zollkodex, Vor Art. 235, Rz 2, mit weiteren Nachweisen).

Wie der BFH in der Entscheidung vom 20.7.2004, VII R 99/00 ausführt, ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die konkrete Verordnungsbestimmung zu benennen, auf die er seinen Erstattungsantrag stützt (vgl. EuGH vom 11. November 1999 Rs. C-48/98 --Söhl & Söhlke--, EuGHE 1999, I-7877 Rdnr.89). Zum anderen hat der EuGH bereits zur Vorgängervorschrift des Art. 239 ZK entschieden, dass die Zollbehörde nicht gehindert ist, sich in allen Fällen zu vergewissern, ob die für den Erstattungsantrag geltend gemachten Umstände nicht unter irgendeinen der von der Erstattungsregelung erfassten Tatbestände fallen (EuGH-Urteil vom 18. Jänner 1996 Rs. C-446/93 --SEIM-- EuGHE 1996, I-73 Rdnr. 52 f.). Der EuGH sieht die verschiedenen Erstattungstatbestände wohl als einheitliche Regelung an, nämlich neben der Nacherhebung als einen der beiden besonderen Ausnahmetatbestände im Hinblick auf die Zahlung der Zollschuld (vgl. EuGH-Urteil vom 14. November 2002 Rs. C-251/00 -- Ilumitronica --, EuGHE 2002, I-10433, Rdnr. 34 f.).

Die zur Entscheidung über einen Erstattungsantrag berufenen Zollbehörden und mithin auch die Gerichte sind daher nicht nur berechtigt, sondern sogar von Amts wegen verpflichtet, einen Erstattungsantrag umfassend auf alle Erstattungsgründe hin zu überprüfen, die nach dem Vorbringen des Antragstellers einschlägig sein könnten.

Der ursprünglich auf "§ 236 BAO und anderen anzuwendenden Gesetzesbestimmungen" gestützte Antrag wäre nicht nur in Richtung des Art. 239 ZK umzudeuten und der Partei eine dahingehende Änderung vorzuschlagen, sondern auch auf Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 236 ZK zu prüfen gewesen, zumal der Beschwerdeführer dem Inhalt nach auf die seiner Meinung nach nicht bestehende Eingangsabgabenschuld hingewiesen und die Formulierung "nach anderen anzuwendenden Gesetzes­bestim­mungen" dem Antrag hinzugefügt hatte. Auch in der mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nochmals darauf verwiesen.

Beim Beschwerdeführer, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, lagen die Voraussetzungen für die Verwendung des Fahrzeuges im Rahmen des Art. 558 Abs. 1 Buchstabe b) ZK-DVO vor. Die Bewilligung, das geladene Fahrzeug vorübergehend im Gebiet der Union zu verwenden oder verwenden lassen, konnte ihm daher konkludent erteilt werden.

Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass die mit Bescheid vom 2. Juni 2014, GZ Zahl, vorgeschriebene Zollschuld im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war. Die Voraussetzungen für die Erstattung der nicht gesetzlich geschuldeten Zollschuld nach Art. 236 ZK lagen vor, sodass dem Antrag auf Erstattung der nicht gesetzlich geschuldeten Abgaben stattzugeben war.

Auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Erstattung der Eingangsabgaben nach Art. 239 ZK war daher nicht weiter einzugehen.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Das Bundesfinanzgericht konnte sich auf die in der Entscheidung zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie des Bundesfinanzhofes berufen. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.

 

 

Innsbruck, am 9. Jänner 2018

 

Zusatzinformationen

Materie:

Zoll

betroffene Normen:

§ 110 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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