BFG RV/7102456/2017

BFGRV/7102456/20175.12.2017

Familienbeihilfenanspruch der in Österreich berufstätigen Kindesmutter, wenn die Kinder bei ihrer Großmutter im EU-Ausland wohnen?

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2017:RV.7102456.2017

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom 27.06.2016 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt vom 02.06.2016, betreffend Familienbeihilfe zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist rumänische Staatsbürgerin. Sie ist ab Dezember 2012 geschieden und arbeitet zumindest ab März 2015 in Österreich. Sie ist in Österreich jedenfalls ab 5.12.2014 mit einem Hauptwohnsitz gemeldet. Als Datum der Einreise nach Österreich gab sie in ihrem am 18.11.2015 gestellten Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung für ihre beiden 2002 und 2008 geborenen Kinder den 30.9.2014 an.

Am 18.11.2015 richtete das Finanzamt an die Bf. einen Ergänzungsauftrag, in dem es um Beantwortung folgender Fragen ersuchte:

Aus dem nachgereichten Formular E 401 ist erkennbar, dass die beiden Kinder der Bf. in Rumänien bei der (mütterlichen) Großmutter wohnen. Weiters wird bestätigt, dass die Bf. im Zeitraum 1.9.2014 bis 31.12.2015 in Rumänien keine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Am 2.11.2015 bestätigte weiters die rumänische Behörde, dass die Bf. "in unseren Steuerregistern mit keinen versteuerbaren Einkommen registriert ist".

Das Finanzamt wies mit Bescheid vom 2.6.2016 den Antrag ab November 2015 mit der Begründung ab, die Bf. hätte trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht und sei dadurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen; daher müsse angenommen werden, dass im oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat bzw. besteht.

Die Bf. erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde mit der Begründung, sie besuche derzeit einen Deutschkurs und könne daher nicht nach Rumänien fahren, um die Bestätigungen beizubringen.

Die Bf. ergänzte in weiterer Folge ihre Beschwerde; sie hätte die Unterhaltszahlungen persönlich übergeben. Sie sei alle zwei bis drei Monate in Rumänien gewesen. Die Kinder hätten mit ihrer Mutter zusammen gewohnt. Bei ihrem Besuch in Rumänien hätte sie für die drei Monate Lebensmittel eingekauft und ihrer Mutter immer für den täglich nötigen Einkauf Geld gegeben (ca. 400 €).

Weiters wurde von einer Rechtsanwältin bestätigt, dass der Kindesvater gerichtlich zur Bezahlung einer Unterhaltsleistung von 33 % monatlich vom Mindestlohn (für die Minderjährige 17 % monatlich und für den Minderjährigen 16 % monatlich ab dem 22.05.2012 bis zur Volljährigkeit der Minderjährigen) verpflichtet wurde. Der  Vater ist somit verpflichtet, den Betrag i.H. von 412,5 Ron/monatlich (93  Eur/monatlich) für die beiden Kinder als Unterhaltsleistung laut dem gerichtlichen Beschluss zu bezahlen.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung:

"Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) hat eine Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Die Höhe der notwendigen Unterhaltszahlungen richtet sich nach der Höhe der Regelbedarfsätze für das jeweilige Kalenderjahr. Diese Meinung vertritt auch das Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung RV/7102877/2013.

Da die Lebenserhaltungskosten in Rumänien sicherlich niedriger als in Österreich anzusehen sind, kann angenommen werden, dass Unterhaltszahlungen in Höhe der Hälfte der Regelbedarfsätze in diesem Fall ausreichend wären.

In Ihrem konkreten Fall würde dies monatliche Unterhaltsleistungen in Höhe von mindestens € 349,- bedeuten.

In Ihrem Ergänzungsschreiben zur Beschwerde vom 27.06.2016 haben Sie Unterhaltszahlungen in Höhe von ca € 400,- alle 2-3 Monate angegeben.

Diese Unterhaltszahlungen sind als zu niedrig zu betrachten."

Im dagegen gerichteten Vorlageantrag brachte die Bf. vor, sie hätte im Ergänzungsschreiben einen Betrag von ca. 400 € alle 2-3 Monate angegeben. Dieser Betrag habe sich aber auf jedes Kind bezogen, die Unterhaltsleistungen hätten daher pro Monat und Kind ca. 160 € betragen. Auch habe sie bei jedem Besuch Großeinkäufe (Grundnahrung, Bekleidung, Schulartikel) zusätzlich gekauft. Da der Vater der Kinder untergetaucht sei, würden die Kinder von der Mutter der Bf. betreut, daher hätte die Bf. auch diese, soweit finanziell möglich, unterstützt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist in den entscheidungsrelevanten Teilen unstrittig; die beiden Kinder der Bf. leben im Haushalt der Großmutter, die Bf. selbst arbeitet und wohnt in Österreich und besucht die Kinder alle zwei bis drei Monate. Der Kindesvater wohnt ebenfalls getrennt von seinen Kindern.

Wie unten zu zeigen ist, spielt es für die Entscheidung über die Beschwerde keine Rolle, in welcher Höhe die Bf. ihren Kindern Unterhalt geleistet hat.

2. Rechtliche Würdigung

Gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gilt diese Verordnung für die Bf. und deren Kinder, da diese rumänische Staatsbürger und damit Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union sind. Da aber weiters auch die Mutter der Bf. - wie unten noch näher ausgeführt wird - als Familienangehörige iSd obigen Bestimmungen anzusehen ist, gilt die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 auch für sie.

Der Kindesmutter unterliegt aufgrund ihrer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 den österreichischen Rechtsvorschriften, die Großmutter unterliegt den rumänischen Rechtsvorschriften.

In diesem Fall werden nach den in Art. 68 der Verordnung normierten Prioritätsregeln die Familienleistungen primär nach den rumänischen Rechtsvorschriften gewährt; ein Unterschiedsbetrag in Höhe der darüber hinausgehenden Familienleistungen ist nach den sekundär anzuwendenden österreichischen Bestimmungen zu gewähren (Differenzzahlungen).

Ein Anspruch auf Differenzzahlungen ist im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben. Zu klären ist lediglich die Frage, ob dieser Anspruch der Kindesmutter zusteht.

Dazu bestimmt Art. 60 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009:

"Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird."

Im Urteil des EuGH 22.10.2015, C-378/14 , Tomislaw Trapkowski, hat der EuGH unter Hinweis auf die Familienbetrachtungsweise (Rn 36) mehrfach betont, dass die Frage, wem der Anspruch auf Differenzzahlungen zusteht, ausschließlich nach den innerstaatlichen (hier also österreichischen) Rechtsvorschriften zu prüfen ist (siehe insbesondere die Rn 38 ff dieser Entscheidung), was sich im Übrigen schon unmissverständlich aus dem klaren und unzweideutigen Wortlaut des Art. 60 Abs. 1 zweiter Satz der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 ergibt. Der EuGH stellte daher fest, dass der Anspruch auf Familienleistung auch einer Person zustehen kann, die nicht in dem Mitgliedsstaat wohnt, der für die Gewährung der Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind (Rn 41).

Das Unionsrecht selbst vermittelt somit keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen. Es ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen. Das Unionsrecht verlangt allerdings im Allgemeinen, dass diese Zuerkennung diskriminierungsfrei erfolgen muss, und im Besonderen, dass die Familienangehörigen einer Person, die in den Anwendungsbereich der VO 883/2004 fällt, so zu behandeln sind, als hätten alle Familienangehörigen ihren Lebensmittelpunkt in dem Mitgliedstaat, der Familienleistungen gewähren soll (BFG 24.08.2017, RV/5101270/2017; BFG 31.05.2017, RV/5100349/2016; BFG 07.02.2017, RV/7106469/2016; BFG 15.11.2016, RV/7103786/2015; BFG 19.08.2016, RV/7101889/2016; BFG 17.10.2017, RV/7101596/2016).

Die nach Art. 67 VO 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird. Diese Fiktion besagt aber nur, dass zu unterstellen ist, dass alle Familienangehörigen im zuständigen Mitgliedstaat wohnen. Ob etwa ein gemeinsamer Haushalt besteht, ist dagegen sachverhaltsbezogen festzustellen (BFG 24.08.2017, RV/5101270/2017; BFG 31.05.2017, RV/5100349/2016; BFG 07.02.2017, RV/7106469/2016; BFG 15.11.2016, RV/7103786/2015;  BFG 19.08.2016, RV/7101889/2016; BFG 17.10.2017, RV/7101596/2016).

Wer von den unionsrechtlich grundsätzlich als anspruchsberechtigte Personen anzusehenden Familienangehörigen tatsächlich primär oder sekundär oder gar keinen Anspruch auf österreichische Familienleistungen hat, ist daher nach nationalem Recht zu beurteilen (BFG 07.02.2017, RV/7106469/2016; BFG 15.11.2016, RV/7103786/2015; BFG 19.08.2016, RV/7101889/2016; BFG 17.10.2017, RV/7101596/2016).

Nach Art. I, Buchstabe i, Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bezeichnet der Ausdruck "Familienangehöriger" "jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltszugehöriger bezeichnet wird."

Gemäß § 2 Abs. 3 FLAG 1967 "sind Kinder einer Person

a) deren Nachkommen,
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c) deren Stiefkinder,
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches."

Aus dem bereits oben zitierten Urteil des EuGH 22.10.2015, C-378/14 , Tomislaw Trapkowski, geht hervor, dass auch die Frage, welche Personen als Familienangehörige iSd Art. I, Buchstabe i, Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, anzusehen sind, nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist. Dies ergibt sich aus den Rz 29-31 dieses Urteils:

"29 Wie jedoch das vorlegende Gericht darlegt, steht der Anspruch auf Familienleistungen für ein Kind nach deutschem Recht den mit dem Kind im ersten Grad verwandten Eltern zu, gleich ob sie verheiratet sind oder nicht.

30 Auf dieser Grundlage meint das vorlegende Gericht, das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kind und seine Mutter seien, was den Anspruch auf Familienleistungen betreffe, als Familienangehörige von Herrn Trapkowski im Sinne des deutschen Rechts anzusehen.

31 Es ist indessen nicht Sache des Gerichtshofs, eine solche Feststellung, die auf das nationale Recht in der Auslegung durch das nationale Gericht gestützt ist, in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Slanina, C-363/08 , EU:C:2009:732, Rn. 27)."

Da somit der Kindesbegriff des § 2 Abs. 3 FLAG 1967 auch die Großeltern umfasst (lit. a: "deren Nachkommen"), ist im Beschwerdefall die Großmutter als Familienangehörige zu betrachten.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein (im Abs. 1 genanntes) Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 stellt hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruchs primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967) darauf, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt.

Transformiert man nun entsprechend den Regelegungen des Art. 67 VO 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009 die im Ausland bestehende Wohnsituation fiktiv ins Inland, und beurteilt die Frage, ob ein gemeinsamer Haushalt vorliegt, aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse, so ergibt sich, dass die Mutter der Bf. mit deren Kindern bei einheitlicher Haushaltsführung eine Wohnung teilt (sh. § 2 Abs. 5 FLAG 1967). Die Kinder gehören daher zu ihrem Haushalt.

Der vorrangige Anspruch auf Familienleistungen steht somit bei dem gegebenen Sachverhalt der Mutter der Bf. zu, solange die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach in der Person der Bf erfüllt sind. Der im Verwaltungsverfahren erörterten Frage der überwiegenden Kostentragung durch die Bf. kommt keine Entscheidungsrelevanz zu.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067) ist durch die dargestellte Rechtsprechung des EuGH überholt. Die Ansicht des VwGH, dass eine überwiegende Kostentragung eines in Österreich erwerbstätigen Unionsbürgers, die bei bestehender Haushaltszugehörigkeit der Kinder zum anderen Elternteil (bzw. zu einer anderen Person, gegenüber der Kindeseigenschaft gegeben ist) nach dem anzuwendenden innerstaatlichem Recht keine Entscheidungsrelevanz hat, hier doch Voraussetzung für einen Differenzzahlungsanspruch sein soll, findet weder im Unionsrecht noch im innerstaatlichen Recht Deckung. Diese Rechtsansicht führte im Ergebnis regelmäßig zu einer Diskriminierung von Unionsbürgern (der haushaltsführenden Mutter der Bf.) gegenüber inländischen Staatsbürgern.

In diesem Zusammenhang sein nochmals auf das Urteil des EuGH 22.10.2015, C-378/14 , Tomislaw Trapkowski, verwiesen, in dessen Randziffer 38 der Gerichtshof ausführt:

"Aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 ergibt sich zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen „ beteiligten Personen " , die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden."

Familienleistungen können daher auch von allen „beteiligten Personen", die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, beantragt werden, wozu nach innerstaatlichem Recht auch die Großmutter, bei der Kinder wohnen, gehört, und die nach innerstaatlichem Recht primären Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Somit wird gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 3 VO 987/2009 das österreichische Finanzamt den von der Kindesmutter gestellten Antrag auf Ausgleichszahlung/Differenzzahlung, wenn und soweit diesem ein Anspruch der haushaltsführenden Großmutter vorgeht, zugunsten des Anspruchs der Großmutter auf österreichische Familienleistungen zu berücksichtigen haben, da diese - wiederum nach innerstaatlichem Recht - iSd Art. 60 Abs. 1 dritter Satz der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 als Elternteil behandelt wird (sh. BFH 28.4.2016, III R 68/13 "Zu den 'beteiligten Personen' gehören daher die nach dem nationalen Recht Anspruchsberechtigten").

Ungeachtet des Umstandes, dass der Antrag der Bf. im Beschwerdefall als Antrag der Großmutter gilt, konnte dennoch die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden, da Partei dieses Verfahrens iSd § 78 BAO nur die Bf. ist und sich daher die Wirkung dieses Erkenntnisses nur auf sie erstreckt (aA BFG 15.11.2016, RV/7103786/2015; BFG 7.2.2017, RV/7106469/2016, wo mit Feststellungsbescheid nach § 92 BAO vorgegangen wurde).

3. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Erkenntnis von der – wenn auch durch die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes überholten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig (vgl. VwGH 21.4.2015, Ra 2015/09/0006).

 

 

Wien, am 5. Dezember 2017

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG

betroffene Normen:

Art. 60 VO 987/2009 , ABl. Nr. L 284 vom 30.10.2009 S. 1
Art. 67 VO 883/2004 , ABl. Nr. L 166 vom 30.04.2004 S. 1
§ 2 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967

Verweise:

EuGH 22.10.2015, C-378/14 , Tomislaw Trapkowski
BFG 24.08.2017, RV/5101270/2017
BFG 31.05.2017, RV/5100349/2016
BFG 07.02.2017, RV/7106469/2016
BFG 15.11.2016, RV/7103786/2015
BFG 19.08.2016, RV/7101889/2016
BFG 17.10.2017, RV/7101596/2016
VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067
VwGH 21.04.2015, Ra 2015/09/0006

Stichworte