BFG RV/7101771/2015

BFGRV/7101771/201524.10.2016

Keine Ausgleichszahlung/Differenzzahlung für die in Österreich lebende Mutter bezüglich Familienbeihilfe betreffend den in Polen bei seinem Vater lebenden Sohn.

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.7101771.2015

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch Ri. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom 15.12.2014 gegen den  Abweisungsbescheid  bezüglich Ausgleichszahlung betreffend Familienbeihilfe  von 06/2009 bis 11/2014 des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom 21.11.2014, zu Recht erkannt: 

I.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

 

II.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art.

133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

 

Strittig ist, ob für den namentlich aktenkundigen Sohn der Bf. für den beschwerdeanhängigen o.a. Zeitraum die gesetzlich geforderten Voraussetzungen für Ausgleichszahlung bzw. Differenzzahlung bezüglich Familienbeihilfe erfüllt sind.

 

In einem Ergänzungsvorhalt des Finanzamtes vom 13.11.2014 wurde die Bf. aufgefordert einen Nachweis über die monatlich geleisteten Unterhaltszahlungen für den gegenständlichen Sohn an den Kindesvater ab Juni 2009 vorzulegen.

 

In den Akten des Finanzamtes liegt folgende Erklärung der Bf. v. 18.11.2014 auf:

„Ich bezahle keinen Unterhalt für meinen Sohn, weil bei mir die beiden aktenkundigen Töchter wohnen, darum zahle ich bis jetzt keine Alimente für meinen Sohn.“

Der Abweisungsbescheid vom 21. 11.2014 bezügliche des beschwerdegegenständlichen Antrages  vom 26.3.2014 lautet wie folgt:

"Zu Sohn (namentlich aktenkundig): Gemäß den Bestimmungen der VO (EG) Nr. 883/2004 ist ein Anspruch auf Familienbeihilfe für in einem anderen EU Staat lebende, nicht haushaltszugehörige Kinder dann gegeben, wenn der überwiegende Unterhalt durch den Antragsteller geleistet wird.

Da Sie laut Ihren eigenen Angaben keine Unterhaltszahlungen leisten, war Ihr Antrag abzuweisen.“

In der Beschwerde vom 15.12.2014 beantragte die Bf. die Berücksichtigung des Unterhalts für ihren Sohn.

Der Beschwerde beigelegt war eine beglaubigte Übersetzung einer Erklärung des Kindesvaters v. 8.12.2014, die lautet wie folgt: „Ich erkläre hiermit, dass ich wegen meiner schwierigen finanziellen Lage von meiner ehemaligen Ehefrau wohnhaft in Wien, seit 2007 bis laufend die finanzielle Unterstützung in der Höhe von 100-150 Euro monatlich für den Unterhalt unseres minderjährigen Sohnes erhalte.“

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung wurde vom Finanzamt begründet wie folgt:

„Es wurde Ihnen die Familienbeihilfe/AZ für den Zeitraum ab 6/09 mit der Begründung abgewiesen, dass Sie keinen Unterhalt leisten.

In Ihrer Beschwerde wurde ein Nachweis der Höhe der Unterhaltsleistung beigelegt.

Über den obigen Zeitraum wird wie folgt entschieden: Anspruch auf Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung haben Sie nur dann, wenn Sie eine lückenlose monatliche Kostentragung, mindestens in Höhe der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages, mit entsprechenden Belegen (Daueraufträge, Überweisungsbelege, etc.) nachweisen können.

Da Sie keine dieser Nachweise erbracht haben, war Ihre Berufung abzuweisen.“

 

Im Vorlageantrag führte die Bf. aus wie folgt:

„Der Grund für die Abweisung war, dass ich die monatliche Kostentragung in entsprechender Höhe nicht nachweisen konnte.

Die Behauptung des Finanzamtes ist absolut falsch. Mein Sohn lebt in Polen, und ich lebe und arbeite in Österreich. Ich habe sehr wohl nachgewiesen, dass ich für meinen Sohn Kosten trage, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Die beglaubigte Erklärung des Vaters des Sohnes wurde vorgelegt, in der er angibt, jeden Monat Euro 100 bis 150 persönlich von mir zu erhalten. Ich fahre jeden Monat nach Polen um meinen Sohn zu sehen. Ich übergebe d. Vater das Geld und zusätzlich gehen wir zu dritt Einkaufen. Mein Sohn wächst schnell und ständig braucht er neue Kleidungstücke und Schuhe. Das ist jedenfalls 100 - 130 €. Zusammen macht das 200 bis 280 € monatlich. Ist das KEINE Kostentragung?  Natürlich gibt es in d. Familie KEINE „ Daueraufträge oder Überweisungsbelege". Es wird auch KEINE geben. Wer tut so was?  Hat d. Finanzreferent keine Kinder? Hat er je gehört, dass eine Mutter dem Kind Geld per Überweisung gibt, wenn sie d. Kind jedes Monat sieht? Ich habe doch meinen Sohn geboren. Ich liebe meinen Sohn. Ich gebe Ihm alles was ich kann. Soll ich jedes Mal wenn ich Ihm was kaufe Rechnungen sammeln? Soll ich d. Vater des Kindes Geld überweisen, obwohl ich beide jeden Monat sehe? Natürlich, wenn sich das Finanzamt wünscht, werde ich in d. Zukunft die GANZE Familienbeihilfe d. Vater überweisen. Aber zuerst muss ich d. Familienbeihilfe vom Finanzamt bekommen. Aus o.g. Gründen bitte ich um positive Entscheidung und um Zuerkennung d. Familienbeihilfe für mein Sohn.“

 

Im Zuge der Beschwerdevorlage an das Bundesfinanzgericht führte das Finanzamt aus wie folgt (der Vorlagebericht wurde der Bf. zur Kenntnisnahme übermittelt):

„Sachverhalt: Die Bf., polnische Staatsbürgerin, bezog von September 2007 bis Juni 2013 die Familienbeihilfe (FB) in voller Höhe nach dem FLAG für ihre Tochter, geb.1995 (Name und genaues Geburtsdatum sind aktenkundig), von September 2007 bis September 2014 die FB für ihre weitere Tochter, geb. 1996 (Name und genaues Geburtsdatum sind aktenkundig). Kindesvater der beiden Kinder ist der in Polen lebende namentlich aktenkundige frühere Ehemann der Bf. Die Bf. ist laut ihren Angaben seit 2006 vom Kindesvater geschieden. Am 04.09.2013 reichte sie unter der Wohnadresse Wien (Adresse ist aktenkundig) einen Antrag für ihre Tochter geb. 2013 (Name und genaues Geburtsdatum sind aktenkundig) ein. Vom Kindesvater (in Wien lebend) ist die Bf. laut ihren Angaben nicht dauernd getrennt in Wien lebend. Am 26.03.2014 reichte sie einen Antrag (rückwirkend ab Juni 2009) für ihren in Polen lebenden Sohn, geb. 1999 (Name und genaues Geburtsdatum sind aktenkundig) ein. Kindesvater ist ihr geschiedener Ehemann (in Polen lebend). Als gemeinsamer Wohnort wurde die Adresse in Polen (genaue Adresse ist aktenkundig) angegeben. Dem Antrag beigelegt waren eine Anmeldebescheinigung des Sohnes vom 08.11.2007 und eine Bescheinigung der polnischen Behörden über den Bezug von Familienleistungen für den Sohn von 2007 bis Oktober 2013 durch den Kindesvater. Am 10.02.2014 habe er den Antrag auf Weitergewährung der Familienleistungen im Zusammenhang mit der Antragstellung der Kindesmutter in Österreich zurückgezogen. Weiters wurden Abschriften und Übersetzungen der Geburtsurkunde, einer Schulbestätigung aus Polen für das Schuljahr 2013/2014 und einer polnischen Wohnsitzbestätigung vorgelegt. Am 13.11.2014 wurde im Ergänzungsersuchen um den Nachweis der Unterhaltszahlungen für den Sohn ersucht. Im Schreiben vom 18.11.2014 erklärte die Bf., sie leiste für den Sohn keinen Unterhalt, da die beiden älteren Töchter bei ihr in Wien wohnten. Das Finanzamt wies daher den Antrag mit Bescheid vom 21.11.2014 ab Juni 2009 ab. Dagegen brachte die Bf am 15.12.2014 eine Beschwerde ein. Der Beschwerde beigelegt waren eine beglaubigte Übersetzung einer Erklärung des Kindesvaters, er erhalte von der Bf monatlich zwischen 100 Euro und 150 Euro, und eine Erklärung der Bf., sie leiste keine vom Gericht festgesetzten Alimente, sondern übergebe das Geld freiwillig und in bar. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 28.01.2015 abgewiesen. Am 12.02.2015 brachte die Bf einen Vorlageantrag ein und ergänzte, sie leiste nicht nur monatlich 100 bis 150 Euro, sondern 200 bis 280 Euro.

Stellungnahme des Finanzamtes: Gem. den Bestimmungen der Verordnungen Nr. 108/71 (gemeint 1408/71) und 883/2004 werden als Familienangehörige jene Personen bezeichnet, die im gemeinsamen Haushalt leben. Liegt keine Haushaltszugehörigkeit vor, so ist die Voraussetzung erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person vom Arbeitnehmer überwiegend bestritten wird. In der ersten schriftlichen Aussage erklärte die Bf, sie leiste keinen Unterhalt, da sie bereits für ihre anderen beiden Töchter zu sorgen hätte. Zudem wurde ihr 2013 ein viertes Kind geboren (Name und genaues Geburtsdatum sind aktenkundig). Aufgrund der Höhe ihrer Einkünfte laut den Einkommensteuerbescheiden ist diese Aussage glaubhaft. In der Beschwerde wurden Unterhaltsleistungen in Höhe bis zu 150 Euro behauptet und durch den Kindesvater bestätigt. Würde man der Behauptung folgen, würde auch diesfalls kein Anspruch auf Familienleistungen bestehen. Von einer überwiegenden Unterhaltsleistung kann nämlich unter Bezugnahme auf Art. 75 Abs. 2 der VO(EWG) Nr. 1408/71 bzw. Art. 68a der VO(EG) Nr. 883/2004 nur dann ausgegangen werden, wenn sie mindestens die Höhe der Familienbeihilfe (130,80 Euro für ein Kind über 10 Jahre) einschließlich des Kindesabsetzbetrages (58,40 Euro) erreicht. Da auch die in der Beschwerde angegebene Unterhaltshöhe nicht zu einem Beihilfenanspruch führen konnte, wurden im Vorlageantrag weitere Unterhaltsleistungen behauptet. Gemäß § 167 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) hat die Abgabenbehörde mit Ausnahme von offenkundigen Tatsachen und solchen Tatsachen, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Dabei hat die belangte Behörde bei mehreren Möglichkeiten diese gegeneinander abzuwägen und zu begründen, warum sie ihrer Feststellung jene Möglichkeit zugrunde legt, die sie für wahrscheinlicher hält als die andere (vgl. u.a. VwGH 20.04.2004, 2003/13/0165). Ein Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein, muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Dass dabei Zweifel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen wären, ist nicht erforderlich (VwGH 2002/15/0020, 23.11.2004). In Anbetracht einer Einkommenshöhe der Bf. und der Unterhaltsleistungen der Bf. an die in Österreich lebenden Kinder, der unterschiedlichen Angaben zum Wohnsitz auf den Beihilfenanträgen und der ersten Erklärung der Bf., ist davon auszugehen, dass die Bf. keinen Unterhalt an den in Polen lebenden Sohn geleistet hat und somit keine Familienangehörigeneigenschaft i.S.d. o. g. Bestimmungen vorliegt.“

 

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

 

 

Sachverhalt

Unstrittig ist, dass der beschwerdegegenständliche Sohn der Bf. im Beschwerdezeitraum bei seinem Kindesvater an der aktenkundigen Adresse in Polen gelebt hat.

Vom Finanzamt wurde der Beschwerdefall hinsichtlich des Zeitraums von 06/2009 bis 11/2014 vorgelegt (vgl. Vorlagebericht des Finanzamtes).

Das Bundesfinanzgericht geht vom unstrittigen Sachverhalt aus, dass keine Nachweise für von der Bf. behauptete Unterhaltszahlungen in der von ihr zuletzt genannten Höhe für den namentlich aktenkundigen  beschwerdegegenständlichen Sohn (kurz: Sohn) von der Bf. vorgelegt wurden.

Rechtslage

§ 2 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 idgF lautet wie folgt:

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe (FB) für ein im Abs 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhalts­kosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsbe­rechtigt ist.

 

§ 4 [Ausgleichs­zahlung bei Anspruch auf geringere ausländische Beihilfe]

(1) Personen, die Anspruch auf eine gleich­artige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

(2) Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs 1 oder gemäß § 5 Abs 5 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten eine Ausgleichs­zahlung, wenn die Höhe der gleich­artigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundes­gesetz ansonsten zu gewähren wäre.

(3) Die Ausgleichs­zahlung wird in Höhe des Unterschieds­betrages zwischen der gleich­artigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundes­gesetz zu gewähren wäre, geleistet.

(4) Die Ausgleichs­zahlung ist jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, wenn aber der Anspruch auf die gleich­artige ausländische Beihilfe früher erlischt, nach Erlöschen dieses Anspruches über Antrag zu gewähren.

 

Ad Ausländischer Beihilfenanspruch

Unterschied Ausgleichs­zahlung – Differenzzahlung

Die Ausgleichs­zahlung ist in § 4 geregelt und kommt dann zum Zug, wenn ein Anspruch auf eine gleich­artige ausländische Beihilfe durch Drittstaaten besteht.

Besteht hingegen Anspruch auf Familienleistungen durch EU-Staaten, liegt ein Anwendungsfall der VO (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004, in Geltung für alle EU-Staaten mit 1.5.2010, vor. Nach Art 68 Abs 2 der VO (EG) 883/2004 werden bei Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den Rechts­vorschriften gewährt, die nach Abs 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechts­vorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechts­vorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschieds­betrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren.

Ein derartiger Unterschieds­betrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Hat jemand Anspruch auf eine ausländische FB, so ist er nur hinsichtlich derjenigen Kinder vom Anspruch auf die FB nach dem FLAG ausgeschlossen, für die er Anspruch auf die ausländische FB hat.

Diese Leistung in Höhe des Unterschieds­betrages zwischen in- und ausländischen Familienleistungen nach beiden VO wird als „Differenzzahlung“ bezeichnet, unterscheidet sich aber inhaltlich kaum von der Ausgleichs­zahlung des § 4, sieht man davon ab, dass die Ausgleichs­zahlung nach Abs 4 grds erst jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres gewährt wird. Auch die Verwaltungspraxis bezeichnet Differenz­zahlungen stets als Ausgleichs­zahlungen und spricht über sie erst nach Ablauf des Kalenderjahres ab.

Auch in der Kommentierung wird daher grds nicht zwischen diesen beiden Begriffen unterschieden. (Aigner/Lenneis in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 4 Rz 1 und 2).

VO  (EG) Nr. 1408/71 Artikel 75 lautet wie folgt:

Gewährung der Leistungen und Erstattungen

(1) a) Die Familienleistungen werden in den Fällen des Artikels 73 Absätze 1 und 3 vom zuständigen Träger des Staates gewährt, dessen Rechtsvorschriften für den Arbeitnehmer gelten; in dem in Artikel 74 Absatz 1 genannten Fall gewährt sie der zuständige Träger des Staates, nach dessen Rechtsvorschriften der Arbeitslose Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezieht. Sie werden nach den für diese Träger geltenden Bestimmungen unabhängig davon gezahlt, ob die natürliche oder juristische Person, an die sie zu zahlen sind, im Gebiet des zuständigen Staates oder in dem eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sich dort aufhält;

b) der zuständige Träger zahlt jedoch auf Antrag und durch Vermittlung des Trägers des Wohnorts des Familienangehörigen oder der von der zuständigen Behörde ihres Wohnlandes hierfür bestimmten Stellen die Familienleistungen mit befreiender Wirkung der natürlichen oder juristischen Person, die tatsächlich für die Familienangehörigen sorgt, wenn die Person, der die Familienleistungen zu gewähren sind, diese nicht für den Unterhalt der Familienangehörigen verwendet;

c) zwei oder mehr Mitgliedstaaten können gemäß Artikel 8 vereinbaren, daß der zuständige Träger die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten oder eines dieser Staaten geschuldeten Familienleistungen unmittelbar oder durch Vermittlung des Trägers des Wohnorts der an die natürliche oder juristische Person zahlt, die tatsächlich für die Familienangehörigen sorgt.

(2) a) Die Familienbeihilfen nach Artikel 73 Absatz 2 und Artikel 74 Absatz 2 werden vom Träger des Wohnorts der Familienangehörigen nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften gezahlt;

b) sind nach diesen Rechtsvorschriften die Familienbeihilfen dem Arbeitnehmer zu gewähren, so zahlt der in Unterabsatz a) genannte Träger die Familienbeihilfen an die

natürliche oder juristische Person, die für die Familienangehörigen an ihrem Wohnort tatsächlich sorgt, oder gegebenenfalls unmittelbar an die Familienangehörigen;

c) der zuständige Träger erstattet die nach den Unterabsätzen a) und b) gewährten Beihilfen in vollem Umfang. Die Erstattungen werden nach Maßgabe der in Artikel 97 vorgesehenen Durchführungsverordnung festgestellt und vorgenommen.

Art 68 Abs 1lit a der VO  (EG) Nr. 883/2004 lautet wie folgt:

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach

den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine

selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit

ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) …

 

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den

Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) …

 

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gültig ab 1.5.2010:

Artikel 1

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a) "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

b) "selbstständige Erwerbstätigkeit" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

c) "Versicherter" in Bezug auf die von Titel III Kapitel 1 und 3 erfassten Zweige der sozialen Sicherheit jede Person, die unter Berücksichtigung der Bestimmungen dieser Verordnung die für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des gemäß Titel II zuständigen Mitgliedstaats vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt;

i) "Familienangehöriger"

1. i) jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt

werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als  Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;

...

2. unterscheiden die gemäß Nummer 1 anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind, so werden der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder als Familienangehörige angesehen;

3. wird nach den gemäß Nummern 1 und 2 anzuwendenden Rechtsvorschriften eine Person nur dann als Familien- oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Versicherten oder dem Rentner in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von dem Versicherten oder dem Rentner bestritten wird;

j) "Wohnort" den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person;

...

Artikel 67

Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

(30.4.2004 DE Amtsblatt der Europäischen Union L 166).

 

VO 987/2009 A rtikel 60

Verfahren bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung

(1)   Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.

(2)   Der nach Absatz 1 in Anspruch genommene Träger prüft den Antrag anhand der detaillierten Angaben des Antragstellers und berücksichtigt dabei die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die die familiäre Situation des Antragstellers ausmachen.

Kommt dieser Träger zu dem Schluss, dass seine Rechtsvorschriften nach Artikel 68 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung prioritär anzuwenden sind, so zahlt er die Familienleistungen nach den von ihm angewandten Rechtsvorschriften.

Ist dieser Träger der Meinung, dass aufgrund der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ein Anspruch auf einen Unterschiedsbetrag nach Artikel 68 Absatz 2 der Grundverordnung bestehen könnte, so übermittelt er den Antrag unverzüglich dem zuständigen Träger des anderen Mitgliedstaats und informiert die betreffende Person; außerdem unterrichtet er den Träger des anderen Mitgliedstaats darüber, wie er über den Antrag entschieden hat und in welcher Höhe Familienleistungen gezahlt wurden.

 

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004  des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit tritt nunmehr an die Stelle der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 . Die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004  ersetzt die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 . Die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 Art 1 lit f sublit i und (EWG) Nr. 574/72 werden mit dem Beginn der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 flag und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 aufgehoben.

( Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, S 607 ff, Anhang).

 

Erwägungen

Die Bf. legte keinerlei Nachweise für ihre zuletzt gemachten Behauptungen bezüglich Unterhaltszahlungen an ihren Sohn vor.

Da auch die in der Beschwerde angegebene Unterhaltshöhe im Verfahren vor dem Finanzamt nicht zu einem Beihilfenanspruch führen konnte, wurden im Vorlageantrag weitere Unterhaltsleistungen behauptet. Gemäß § 167 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) hat die Abgabenbehörde mit Ausnahme von offenkundigen Tatsachen und solchen Tatsachen, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Dabei hat die  Behörde bei mehreren Möglichkeiten diese gegeneinander abzuwägen und zu begründen, warum sie ihrer Feststellung jene Möglichkeit zugrunde legt, die sie für wahrscheinlicher hält als die andere (vgl. u.a. VwGH 20.04.2004, 2003/13/0165). Ein Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein, muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Dass dabei Zweifel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen wären, ist nicht erforderlich. (VwGH 2002/15/0020, 23.11.2004). In Anbetracht der aktenkundigen Einkommensverhältnisse der Bf., der Verpflichtungen der Bf. gegenüber der in Österreich in ihrem Haushalt lebenden zwei bzw. drei weiteren Kinder (Töchter), der unterschiedlichen Angaben zum Wohnsitz auf den Beihilfenanträgen und der ersten Erklärung der Bf., dass sie für ihren in Polen bei dessen Vater lebenden Sohn keinen  Unterhalt leiste, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bf. im Beschwerdezeitraum keinen Unterhalt bzw. überwiegenden Unterhalt für den in Polen lebenden Sohn geleistet hat. Dies wird der Vollständigkeit halber angemerkt, obwohl die Beschwerde ohnehin aus im Folgenden angeführten Gründen abzuweisen ist.

 

Laut Aktenlage wohnt der Sohn der Bf.  bei seinem Vater an der aktenkundigen Adresse in Polen; die Bf. war in Streitzeitraum in Österreich beschäftigt bzw befand sich in einer einer Beschäftigung gleichgestellten Situation.

Es liegt somit ein Anwendungsfall der VO (EG) 883/2004 vor. Nach Art 67 der VO (EG) 883/2004 iVm Art 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009 wird die Wohnsituation auf Grund der im Streitzeitraum in Polen gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen. Diese Fiktion besagt aber nur, dass zu unterstellen ist, dass alle Familienangehörigen im zuständigen Mitgliedstaat wohnen, nicht aber, dass diese im selben Haushalt wohnen. Wer von den Familienangehörigen anspruchsberechtigt ist, ist nach nationalem Recht zu beurteilen.
Gemäß o.a. § 2 Abs. 2 Satz 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 idgF hat die Person Anspruch auf Familie, zu deren Haushalt das Kind gehört. Ist das Kind bei keiner anspruchsberechtigten Person haushaltszugehörig, hat die Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die überwiegend die Unterhaltskosten bestreitet. (Angemerkt wird, dass Letzteres gegenständlich jedoch ohnehin nicht der Fall ist, zumal der Vater des Sohnes der Bf. im Beschwerdezeitraum anspruchsberechtigt ist.)
Da der Sohn der Bf. im beschwerdegegenständlichen Zeitraum bei seinem Vater und nicht bei der Bf. haushaltszugehörig war, ist die Bf. nicht als Anspruchsberechtigte anzuerkennen. 

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass keine Rechtswidrigkeit der Beweiswürdigung vorliegt, wenn die Behörde den ursprünglichen Angaben der Bf. zu den Sachverhaltsdarstellungen (zB  der ersten Erklärung der Bf., dass sie für ihren in Polen bei dessen Vater lebenden Sohn keinen  Unterhalt leiste)  mehr Glaubwürdigkeit beimisst als ihren späteren Darlegungen (unter bereits erworbener Kenntnis der vermeintlichen gesetzlichen Voraussetzungen für das Beschwerdebegehren vor der Abgabenbehörde bzw. dem Bundesfinanzgericht (VwGH 1.10.1991, 90/14/0189). Darüber hinaus wird im Zusammenhang mit der unterlassenen Nachweiserbringung bezüglich der von der Bf. (zuletzt) behaupteten Zahlungen auf die Mitwirkungspflicht der Bf. auf Grund der BAO hingewiesen.

 

Angemerkt wird, dass laut Aktenlage der Vorlagebericht des Finanzamtes der Bf. zur Kenntnis gebracht bzw. dieser vorgehalten wurde, zumal die Bf. zum Bundesfinanzgericht auch von sich aus telefonisch Kontakt aufgenommen hat.

Da der Vater des Sohnes der Bf., bei dem der Sohn der Bf. im Beschwerdezeitraum in einem gemeinsamen Haushalt in Polen gelebt hat bzw. noch immer lebt, familienbeihilfenanspruchsberechtigt ist, steht der in Österreich lebenden Bf. bzw. Mutter des in Polen bei seinem Vater in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Sohnes keine Ausgleichszahlung/Differenzzahlung betreffend Familienbeihilfe zu (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 idgF) .

Darüber hinaus ist das Bundesfinanzgericht aus oben ausführlich dokumentierten Gründen zu der Ansicht gelangt, dass die Bf. für den Sohn im Beschwerdezeitraum keinesfalls den Unterhalt bzw. den überwiegenden Unterhalt geleistet hat.

Die gesetzlich geforderten Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Differenzzahlung (Ausgleichszahlung) bezüglich Familienbeihilfe für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum sind aus angeführten Gründen nicht erfüllt (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 idgF).

 

Nichtzulassung der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die gegenständliche Beschwerdesache keine Rechtsfrage darstellt, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zukommt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.

 

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Wien, am 24. Oktober 2016

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG

betroffene Normen:

§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967

Verweise:

VwGH 20.04.2004, 2003/13/0165
VwGH 23.11.2004, 2002/15/0020
VwGH 01.10.1991, 90/14/0189

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