BFG RV/7103548/2016

BFGRV/7103548/201611.8.2016

Aussetzungszinsen setzen keinen rechtskräftigen Abgabenbescheid voraus

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.7103548.2016

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Beschwerdesache der E-GmbH, Wien, vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien, über die Beschwerden der Abgabepflichtigen jeweils vom 11. April 2016 gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel über die Festsetzung von Aussetzungszinsen zu FA-StNr. 10,

I. vom 4. März 2016 (Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 25. August 2014 bis 4. März 2016 im Betrag von € 123.492,44) sowie

II. vom 14. März 2016 (Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 4. September 2013 bis 8. März 2016 im Betrag von € 3.621,05)

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel hat mit Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom 4. März 2016 gemäß § 212a Abs. 9 BAO für den Zeitraum vom 25. August 2014 bis 4. März 2016 Aussetzungszinsen im Betrag von € 123.492,44 (laut beiliegender Berechnung) für die E-GmbH (in weiterer Folge: Bf.) für jene Abgabenschuldigkeiten festgesetzt, für die aufgrund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung bzw. aufgrund der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung Zahlungsaufschub eingetreten ist.

 

Mit Schreiben vom 11. April 2016 erhob die Bf. gegen diesen Bescheid Beschwerde und focht den Bescheid seinem gesamten Umfang und Inhalt nach an und führte wie folgt aus:

"1. SACHVERHALT UND VERFAHRENSGANG

In dem für die Beschwerde relevanten Zeitraum betrieb die Bf. mehrere Unternehmen, wofür sie eine aufrechte Gewerbeberechtigung besitzt.

Mit sechs Bescheiden vom 26.11.2013 setzte die Abgabenbehörde für die Geschäftstätigkeit der Bf. Glücksspielabgaben nach § 57 GSpG für die Zeiträume Juli 2011, August 2011, September 2011, Oktober 2011, November 2011 und Dezember 2011 fest.

Gegen diese Bescheide erhob die Bf. – nach bewilligter Fristverlängerung – mit Schriftsatz vom 27.1.2014 fristgemäß Beschwerde und verband diese mit einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.7.2014 als unbegründet abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 21.8.2014 beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht gemäß § 264 BAO und Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO des gesamten im Rechtsmittelverfahren strittigen Betrages in Höhe von EUR 5.413.238,67. Eine Entscheidung über die Beschwerde steht nach wie vor aus.

Mit Bescheid vom 19.11.2014 wurde die Aussetzung der Einhebung lediglich in Bezug auf die in den Lokalen der Bf. angebotenen Spiele in Höhe von EUR 5.091.341,71 bewilligt. Hinsichtlich des die Turniere betreffenden Betrages in Höhe von EUR 321.896,96 wurde der Antrag auf Aussetzung als unbegründet abgewiesen, da der Vorlageantrag gegen die Stammabgabe vom 21.8.2014 im Hinblick auf Turniere als wenig erfolgversprechend im Sinne des § 212a Abs. 2 lit. a BAO erscheine.

Gegen den Bescheid vom 19.11.2014 über die teilweise Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17.12.2014 fristgerecht Beschwerde. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 4.3.2016, zugestellt am 10.3.2016, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid vom 4.3.2016, zugestellt am 9.3.2016 (bekämpfter Bescheid) wurden gemäß § 212a Abs. 9 BAO Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 123.492‚44 für den Zeitraum 25. August bis 4. März 2016 festgesetzt.

2. BEGRÜNDUNG DER BESCHWERDE

Gemäß § 212a Abs. 9 BAO sind für Abgabenschuldigkeiten

- solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs 6) oder

- soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung Zahlungsaufschub eintritt,

Aussetzungszinsen in Höhe von 2% über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten.

Gemäß § 212a Abs. 9 BAO sind im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (§ 212a Abs. 5 BAO) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.

Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen (§ 212a Abs. 9 BAO).

Folglich ist die Festsetzung von Aussetzungszinsen nur dann zulässig, wenn entweder der Ablauf oder der Widerruf der Aussetzung rechtmäßig verfügt wurden oder einem Antrag auf Aussetzung rechtmäßig nicht stattgegeben wurde. Dies trifft jedoch im gegenständlichen Fall nicht zu, weil über das Rechtsmittel gegen die Stammabgabe noch nicht entschieden wurde und daher der Ablauf der Aussetzung nicht verfügt werden konnte, ein Widerruf der Aussetzung nicht verfügt wurde und der Aussetzungsantrag mit Beschwerdevorentscheidung vom 4.3.2016 zu Unrecht als unbegründet abgewiesen wurde.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom 4.3.2016 ist nicht rechtmäßig, da die Abgabenbehörde nicht ausreichend darlegt, warum das Rechtsmittel gegen die Stammabgabe nunmehr wenig erfolgversprechend im Sinne des § 212a Abs. 2 lit. a BAO sein soll. Die dafür von der Abgabenbehörde ins Treffen geführten Entscheidungen des UFS und BFG sowie die Beschlüsse des VfGH und das Erkenntnis des VwGH zur Vorarlberger Kriegsopferabgabe vermögen diese Ansicht nicht zu stützen. Die eben genannten Gründe für die Rechtswidrigkeit der Beschwerdevorentscheidung wurden in einem gesonderten Vorlageantrag umfassend dargelegt, auf den an dieser Stelle verwiesen wird.

Daraus ergibt sich, dass die Festsetzung von Aussetzungszinsen zu Unrecht erfolgte.

4. Die Beschwerdeführerin stellt daher den Antrag, der Beschwerde stattzugeben und den bekämpften Bescheid ersatzlos aufzuheben."

 

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 4. Mai 2016 hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und als Begründung ausgeführt, dass gemäß § 212a BAO für Abgabenschuldigkeiten, soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintrete, Aussetzungszinsen zu entrichten seien. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens habe die Bf. um Aussetzung der Einhebung angesucht. Mit Bescheid vom 04.03.2016 sei der Antrag auf Aussetzung der Einhebung abgewiesen worden. Die Festsetzung von Aussetzungszinsen sei nicht deshalb unzulässig, weil das Beschwerdeverfahren betreffend Abweisung der Aussetzung noch anhängig sei. Vielmehr sehe der vorletzte Satz des § 212a Abs. 9 BAO vor, dass im Fall der Nichtstattgabe eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen seien. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung folge umgekehrt, dass die Zinsenbemessung in Anschluss an die Abweisung des Aussetzungsantrages nicht unzulässig sei.

Ihre Beschwerde sei somit abzuweisen gewesen.

 

Mit Eingabe vom 10. Juni 2016 brachte die Bf. einen Vorlageantrag ein, mit dem der Bescheid dem vollen Umfang und Inhalt nach angefochten wird.

1. SACHVERHALT UND VERFAHRENSGANG laut Beschwerde und ergänzt wie folgt:

"Gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 4.3.2016, mit dem die Beschwerde gegen den Bescheid über die teilweise Bewilligung der Aussetzung als unbegründet abgewiesen worden war, stellte die Beschwerdeführerin am 11.4.2016 einen Vorlageantrag gemäß § 264 BAO. Eine Entscheidung des BFG steht noch aus.

Gegen den Bescheid vorn 4.3.2016 über die Festsetzung von Aussetzungszinsen erhob die Beschwerdeführerin ebenfalls am 11.4.2016 fristgerecht Beschwerde. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 4.5.2016, zugestellt am 10.5.2016, als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der vorliegende Vorlageantrag ("bekämpfter Bescheid").

2. BEGRÜNDUNG DER BESCHWERDE nach Darstellung des § 212a Abs. 9 BAO:
Daraus folgert die Abgabenbehörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung im Umkehrschluss, dass die Zinsenbemessung im Anschluss an die Abweisung des Aussetzungsantrages nicht unzulässig sei (Seite 1 der Beschwerdevorentscheidung).

2.2 Keine Aussetzungszinsen wegen rechtswidriger Abweisung des Aussetzungsantrages

Dieser Umkehrschluss ist allerdings nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zulässig, wenn gegen die Abweisung der Aussetzung Rechtsmittel erhoben wird:

Nach dem klaren Wortlaut der bereits oben genannten Bestimmung sind nämlich im Fall der Abweisung des Aussetzungsantrages erst dann Aussetzungszinsen festzusetzen, wenn der Antrag bescheidmäßig erledigt wurde (§ 212 Abs. 9 Satz 4 BAO).

Somit hängt die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen (auch) davon ab, ob die Abweisung des Aussetzungsantrages rechtskräftig wird. Erhebt ein Beschwerdeführer daher gegen die Abweisung der Aussetzung ein Rechtsmittel, so steht die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen erst mit der Entscheidung über das Rechtsmittel gegen die Abweisung des Aussetzungsantrages fest.

Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung wurde zu Unrecht abgewiesen, da die Beschwerde gegen die Festsetzung der Stammabgabe nicht als wenig erfolgversprechend iSd § 212a Abs. 2 lit. a BAO zu qualifizieren ist. Deshalb erfolgte auch die Festsetzung der Aussetzungszinsen zu Unrecht.

Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes kann die Abweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung (der Stammabgabe) nur dann die rechtmäßige Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Folge haben, wenn die Abweisung zu Recht erfolgte. Andernfalls würde die Festsetzung der Aussetzungszinsen rechtskräftig werden, auch wenn die Aussetzung (der Stammabgabe) in weiterer Folge im Rechtsmittelverfahren bewilligt wird. Dies widerspricht jedoch dem § 212 Abs. 9 letzter Satz BAO.

2.2.1 Rechtswidrige Abweisung der Aussetzung

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom 4.3.2016 ist nicht rechtmäßig, da das Rechtsmittel gegen die Stammabgabe aus folgenden Gründen keinesfalls wenig erfolgversprechend im Sinne des § 212a Abs. 2 lit. a BAO ist:

- In den von der Abgabenbehörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung zitierten Erkenntnissen wurden nicht sämtliche Argumente der Beschwerde vom 27.1.2014 und des Vorlageantrages vom 21.8.2014 behandelt.

- Das BFG hat überdies die Erhebung einer ordentlichen Revision für zulässig erklärt (BFG 18.12.2014, RV/7103332/2011; 5.3.2015, RV/2100581/2012),

- gegen diese Erkenntnisse wurde Revision erhoben, wobei

- eine Entscheidung des VwGH nach wie vor aussteht, und

- der VwGH hat weder eine Abweisung nach § 35 VwGG aufgrund der erkennbaren Aussichtslosigkeit noch eine Zurückweisung nach § 34 Abs. 1 VwGG iVm Art 133 Abs. 4 B-VG mangels erheblicher Rechtsfrage vorgenommen.

Die eben genannten Gründe für die Rechtswidrigkeit der Beschwerdevorentscheidung wurden in dem Vorlageantrag vom 11.4.2016 umfassend dargelegt, auf den an dieser Stelle verwiesen wird.

Darüber hinaus ist in der Zwischenzeit ein weiteres Erkenntnis des BFG betreffend Glücksspielabgaben ergangen, in dem die Erhebung einer ordentlichen Revision wiederum zugelassen wurde (BFG 13.5.2016, RV/7101232/2012).

Schließlich ist auch der Beschluss des Obersten Gerichtshofes ("OGH") vom 30.3.2016, 4 0b 31/16 m ua, mit welchem er den Antrag an den Verfassungsgerichtshof ("VfGH") gestellt hat, das in § 3 GSpG verankerte Glücksspielmonopol und weitere Bestimmungen des GSpG als verfassungswidrig aufzuheben, für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels gegen die Stammabgabe relevant:

Die Abgabepflicht nach § 57 GSpG knüpft an verbotene Ausspielungen an. Nach § 57 Abs. 6 GSpG sind Ausspielungen in konzessionierten Spielbanken sowie Ausnahmen aus dem Glücksspielmonopol von der Glücksspielabgabe befreit. Nach dem Beschluss des OGH vom 30.3.2016 verstößt das Glücksspielmonopol gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und ist auch aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes (Art. 7 B-VG) wegen Inländerdiskriminierung zu beanstanden.

Damit fehlt aber auch die Rechtfertigung für die ungleiche Besteuerung der Konzessionäre einerseits und der Beschwerdeführerin andererseits. Die maßgeblichen Abgabenvorschriften, die nur geweberechtliche Angebote umfassen, nicht jedoch die Konzessionäre (§ 57 Abs. 6 GSpG), verfolgen somit das Ziel, das Monopol zu schützen, und die Nachfrage in Richtung der konzessionierten Spielbanken zu lenken. Dass der Zweck des Spielerschutzes dadurch nicht erreicht wird, steht nach dem Beschluss des OGH nunmehr fest, womit der Ungleichbehandlung auch die sachliche Rechtfertigung fehlt.

Hebt der VfGH die angefochtenen Bestimmungen auf, so könnte er dies nach Art 140 Abs. 7 B-VG auch rückwirkend tun. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin müsste er dies auch rückwirkend tun, da die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes im Hinblick auf die unmittelbare Anwendbarkeit des Art 57 AEUV rückwirkend wahrzunehmen ist, und somit auch die Inländerdiskriminierung rückwirkend zu beseitigen wäre.

Da die Abgabenverschriften in § 57 GSpG bewusst an den Begriff der Ausspielung anknüpfen und bei der Befreiung (§ 57 Abs. 6 GSpG) zwischen konzessionierten Spielbanken (Monopolisten) und anderen Anbietern unterscheiden, hätte eine Aufhebung des Monopols auch Auswirkungen auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels gegen die Stammabgabe.

2.2.2 Ergebnis

Da das Rechtsmittel gegen die Stammabgabe nicht als wenig erfolgversprechend im Sinne des § 212a Abs. 2 BAO zu qualifizieren ist, erfolgte die Abweisung des Aussetzungsantrages zu Unrecht. Daraus folgt, dass Aussetzungszinsen nicht rechtmäßig festgesetzt werden konnten.

Die Beschwerdeführerin stellt daher den Antrag, gemäß § 264 Abs. 1 BAO auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht."

 

II.  Mit weiterem Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom 14. März 2016 hat das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel gemäß § 212a Abs. 9 BAO für den Zeitraum vom 4. September 2013 bis 8. März 2016 Aussetzungszinsen im Betrag von € 3.621,05 (laut beiliegender Berechnung) für die Bf. für jene Abgabenschuldigkeiten festgesetzt, für die aufgrund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung bzw. aufgrund der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung Zahlungsaufschub eingetreten ist.

 

Mit Schreiben vom 11. April 2016 erhob die Bf. gegen diesen Bescheid Beschwerde und focht den Bescheid seinem gesamten Umfange und Inhalt nach an:

" SACHVERHALT UND VERFAHRENSGANG laut Beschwerde zu I. mit folgenden Ergänzungen:

Im Zusammenhang mit den genannten Abgaben wurden Stundungszinsen und erste Säumniszuschläge festgesetzt. Die Einhebung der Stundungszinsen (Bescheid vom 6.9.2013) und Säumniszuschläge (Bescheid vom 20.1.2015) hat die Abgabenbehörde gemäß § 212a BAO ausgesetzt.

Die Bewilligung der Aussetzung wurde mit Bescheid vom 8.3.2016, zugestellt am 11.3.2016, gemäß § 294 BAO iVm § 212a Abs. 5 zweiter Satz BAO widerrufen. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 11.4.2016 Beschwerde erhoben.

Mit Bescheid vom 14.3.2016, zugestellt am 18.3.2016 (bekämpfter Bescheid) wurden gemäß § 212a Abs. 9 BAO Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 3.621‚05 für den Zeitraum 4. September 2013 bis 8. März 2016 festgesetzt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

2. BEGRÜNDUNG DER BESCHWERDE laut Beschwerde zu I. mit folgenden Ergänzungen:

Der Bescheid über den Widerruf (vom 8.3.2016) ist nicht rechtmäßig, da schon der Anwendungsfall des § 294 Abs. 1 BAO mangels Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die für die Erfassung der die Aussetzung bewilligenden Bescheide vom 6.9.2013 und 20.1.2015 maßgebend gewesen sind, nicht vorliegt.

Darüber hinaus wurde durch die Abgabenbehörde nicht ausreichend dargelegt, warum das Rechtsmittel gegen die Stammabgabe nunmehr wenig erfolgversprechend im Sinne des §212a Abs. 2 lit. a BAO sein soll. Die dafür von der Abgabenbehörde ins Treffen geführten Entscheidungen des BFG und der Beschluss des VfGH vermögen diese Ansicht nicht zu stützen.

Schließlich übte die Abgabenbehörde bei der Entscheidung über den Widerruf auch ihr Ermessen fehlerhaft aus. Das Ermessenskriterium der Billigkeit (§ 20 BAO) gebietet den Vorrang des Rechtsschutzes vor dem Interesse an der Abgabensicherung. Die eben genannten Gründe für die Rechtswidrigkeit des Bescheides über den Widerruf wurden in einer gesonderten Beschwerde umfassend dargelegt, auf die an dieser Stelle verwiesen wird.

Daraus ergibt sich, dass die Festsetzung von Aussetzungszinsen auf Basis des Bescheides über den Widerruf der Aussetzung vom 8.3.2016 zu Unrecht erfolgte.

4. Die Beschwerdeführerin stellt daher den Antrag, der Beschwerde stattzugeben und den bekämpften Bescheid ersatzlos aufzuheben."

 

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 4. Mai 2016 hat das Finanzamt auch diese Beschwerde mit derselben Begründung wie zu I. als unbegründet abgewiesen.

 

Mit Eingabe vom 10. Juni 2016 brachte die Bf. einen weiteren Vorlageantrag ein, mit dem auch der Bescheid zu II. dem vollen Umfang und Inhalt nach angefochten wird.

1. SACHVERHALT UND VERFAHRENSGANG laut Beschwerde und ergänzt wie folgt:

" Die gegen diesen Bescheid am 11.4.2016 erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 4.5.2016, zugestellt am 10.5.2016, als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der vorliegende Vorlageantrag ("bekämpfter Bescheid").

2. BEGRÜNDUNG DER BESCHWERDE laut Vorlageantrag zu I. mit folgenden Ergänzungen:

2.2 Keine Aussetzungszinsen wegen rechtswidrigem Widerruf der Aussetzung

Dieser Umkehrschluss ist allerdings nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zulässig, wenn gegen den Widerruf der Aussetzung Rechtsmittel erhoben wird:

Nach dem klaren Wortlaut der bereits oben genannten Bestimmung sind nämlich im Fall der Bewilligung der Aussetzung erst dann Aussetzungszinsen festzusetzen, wenn entweder der Ablauf oder der Widerruf der Aussetzung verfügt wird (§ 212 Abs. 9 letzter Satz BAO).

Somit hängt die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen (auch) davon ab, ob der Widerruf der Aussetzung rechtskräftig wird. Erhebt ein Beschwerdeführer daher gegen den Widerruf der Aussetzung ein Rechtsmittel, so steht die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen erst mit der Entscheidung über das Rechtsmittel gegen den Widerruf der Aussetzung fest.

Da der Bescheid über den Widerruf der Aussetzung rechtswidrig ist (siehe Punkt 2.2.1 unten), erfolgte auch die Festsetzung der Aussetzungszinsen zu Unrecht.

Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes kann der Widerruf der Aussetzung der Einhebung nur dann die rechtmäßige Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Folge haben, wenn der Widerruf zu Recht erfolgte. Andernfalls würde die Festsetzung der Aussetzungszinsen rechtskräftig werden, auch wenn der Widerruf der Aussetzung in weiterer Folge im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird. Dies widerspricht jedoch dem § 212 Abs. 9 letzter Satz BAO.

2.2.1 Rechtswidriger Widerruf der Aussetzung

Der Bescheid vom 8.3.2016 über den Widerruf der Aussetzung ist nicht rechtmäßig, da kein Anwendungsfall des § 294 Abs. 1 BAO mangels Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die für die Erlassung der die Aussetzung bewilligenden Bescheide vom 6.9.2013 und 20.1.2015 maßgebend gewesen waren, vorlag.

Darüber hinaus ist das Rechtsmittel gegen die Stammabgabe aus folgenden Gründen keinesfalls wenig erfolgversprechend (siehe Vorlageantrag zu I.). […]

Im Ergebnis sind daher die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Festsetzung von Glücksspielabgaben für den Betrieb von frei gewerblichen Pokersalons nach wie vor äußerst strittig. Von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels gegen die Stammabgabe kann keinesfalls ausgegangen werden.

2.2.2 Ergebnis

Da kein Anwendungsfall des § 294 Abs. 1 BAO vorlag und das Rechtsmittel gegen die Stammabgabe nicht als wenig erfolgversprechend im Sinne des § 212a Abs. 2 BAO zu qualifizieren ist, erfolgte der Widerruf der Aussetzung zu Unrecht. Daraus folgt, dass Aussetzungszinsen nicht rechtmäßig festgesetzt werden konnten.

4. Die Beschwerdeführerin stellt daher den Antrag, gemäß § 264 Abs. 1 BAO auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht."

 

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Berufung die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochtene wird.

Gemäß § 212a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer über die Berufung (Abs. 1) ergehenden
1. Berufungsvorentscheidung oder
2. Berufungsentscheidung oder
3. anderen das Berufungsverfahren abschließenden Erledigung
zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Berufungsvorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages (§ 276 Abs. 2) nicht aus.

Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

Gemäß § 212a Abs. 9 BAO sind für Abgabenschuldigkeiten
1. solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder
2. soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt,
Aussetzungszinsen in Höhe von einem Prozent über dem jeweils geltenden "Basiszinssatz" pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesem Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.

 

Die Bf. bekämpft die Zinsenbescheide zusammengefasst damit, dass Aussetzungszinsen wegen rechtswidriger Abweisung des Aussetzungsantrages bzw. rechtswidrigem Widerrufs der Aussetzung der Einhebung für die gegenständlichen Glückspielabgaben nicht festzusetzen wären.

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Nebengebühren (Säumniszuschlag, Stundungs- und Aussetzungszinsen) setzt die Pflicht zur Erhebung dieser Nebengebühren nicht den Bestand einer sachlich richtigen oder gar rechtskräftigen, sondern einer formellen Abgabenschuld voraus (Hinweis VwGH 30. Mai 1995, 95/13/0130). Im Fall der Abänderung der formellen Abgabenschuld sind nach den ausdrücklichen Regelungen in §§ 212 Abs. 2, 212a Abs. 9 und 221a Abs. 2 BAO die genannten Nebengebühren abzuändern (VwGH 26.01.2006, 2005/16/0240). Die zugrunde liegenden formellen Abgabenbescheide wurden von der Bf. in den Beschwerden bzw. in den Vorlageanträgen selbst ausführlich dargestellt und sind daher unstrittig.

Darüber hinaus ist die Vorschreibung der Aussetzungszinsen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Sinne des § 212 Abs. 9 BAO von der Abgabenbehörde zwingend vorzunehmen. Insoweit steht der Abgabenbehörde kein Ermessen zu.

Gemäß § 212 Abs. 9 dritter Satz BAO hat im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Daraus ergibt sich, dass die Rechtskraft der Bescheide über die Abweisung einer Aussetzung der Einhebung oder eines Widerrufes einer Aussetzung der Einhebung entgegen der Meinung der Bf. für die Festsetzung von Aussetzungszinsen nicht vorausgesetzt ist.

Nur der Vollständigkeit halber ist festzustellen, dass die Höhe der Aussetzungszinsen nicht angefochten ist und Beschwerden gegen die Bescheide über den Widerruf der Aussetzung der Einhebung oder die Abweisung der Aussetzung der Einhebung, auf die in den gegenständlichen Beschwerden verwiesen wurde, laut derzeitigem Stand beim Bundesfinanzgericht nicht anhängig sind.

Da die Festsetzungen der angefochtenen Aussetzungszinsen auf der Grundlage des § 212a Abs. 9 BAO gesetzeskonform erfolgt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die oben angeführte Judikatur wird verwiesen.

 

 

Wien, am 11. August 2016

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 212a Abs. 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Verweise:

VwGH 30.05.1995, 95/13/0130
VwGH 26.01.2006, 2005/16/0240

Stichworte