Festsetzungsverjährung hinterzogener Abgaben - Beweiswürdigung hinsichtlich des Verkürzungsvorsatzes
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2015:RV.2100474.2015
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, N, vertreten durch Kastler Wirtschaftstreuhand GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, Schulrat-Stöckler-Straße 19, 4320 Perg, gegen den Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom 12. Jänner 2009, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2000 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 20. Mai 2011, RV/0297-G/09, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2000, mit Erkenntnis vom 26. Februar 2015, 2011/15/0121, mit nachstehender Begründung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben:
"Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt gem. § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Die Verjährungsfrist beträgt bei bestimmten Abgaben (zu denen auch die Einkommensteuer zu zählen ist) nach § 207 Abs. 2 BAO (in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des StReformG 2005, BGBl. I Nr. 57/2004) fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre.
Der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2003, 99/13/0036, VwSlg 7895/F, mwN).
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von hinterzogenen Abgaben und insofern von einer Verjährungsfrist von sieben Jahren aus. Sie begründete dies mit der Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungspflichten (Nichtvorlage des Übergabsvertrages vom 7. Dezember 2000 und des - für die ertragsteuerliche Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Mieterinvestitionen maßgeblichen - Mietvertrages vom 23. Dezember 1997). Den in § 33 Abs. 1 FinStrG geforderten Vorsatz begründet sie damit, "dass die [Beschwerdeführerin] durch den bloßen Hinweis auf den Übergabsvertrag, ohne jedoch gleichzeitig diesen Vertrag und auch den Mietvertrag vom 23. Dezember 1997 im vollen Wortlaut dem Finanzamt im Einkommensteuerverfahren zur Kenntnis zu bringen, eine Abgabenverkürzung im Zusammenhang mit dem zugeflossenen Vorteil aus den Mieterinvestitionen in Höhe von ATS 1.282.366,32 wohl ernsthaft für möglich gehalten haben musste und sich damit offenkundig abgefunden hat".
Die Beschwerdeführerin hat am 7. Dezember 2000 eine zu diesem Zeitpunkt vermietete Liegenschaft erhalten, wobei das Mietverhältnis unstrittig mit 31. Dezember 2000 beendet wurde. Ob es ein - auf Seiten der Beschwerdeführerin im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 2000 zu erfassendes - Entgelt für eine der Beschwerdeführerin zuzurechnende Vermietung (für ca. drei Wochen im Dezember 2000) darstellt, dass der Mieter und Vater der Beschwerdeführerin ihr gegenüber keine Ansprüche auf Abgeltung seiner Investitionen in die Liegenschaft geltend gemacht hat, kann mangels konkreter Feststellungen zu den Beweggründen für das Unterbleiben der Geltendmachung nicht beurteilt werden. Die belangte Behörde stellt auch nicht nachvollziehbar dar, wieso die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Vorteil aus dem Verzicht auf die Abgeltung der Mieterinvestitionen eine Abgabenhinterziehung ernsthaft für möglich gehalten hat, obwohl der besagte Vorteil zunächst vom Finanzamt bei der Mutter der Beschwerdeführerin einer Besteuerung unterzogen wurde. Allein die Nichtvorlage des Mietvertrages vom 23. November 1997 und des Übergabsvertrages vom 7. Dezember 2000 ist kein nach außen in Erscheinung tretendes Verhalten, aus dem sich der Verkürzungsvorsatz erschließen lässt.
Solcherart ist der belangten Behörde der Nachweis eines Vorsatzes auf Abgabenverkürzung nicht gelungen, zumal die Beschwerdeführerin vorgebracht hat, keine Kenntnis über die Steuerpflicht der in Rede stehenden Beträge gehabt zu haben.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Unter Bedachtnahme auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im vorliegenden Fall der Vorsatz auf Abgabenverkürzung nicht als erwiesen angenommen und damit nicht von der für hinterzogene Abgaben verlängerten Verjährungsfrist ausgegangen werden kann, war im fortgesetzten Verfahren der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Wien 2014, § 279, Tz 6, Punkt 5 - eine Aufhebung als meritorische Beschwerdeerledigung hat beispielsweise zu erfolgen, wenn eine Abgabenfestsetzung erfolgte, obwohl dies wegen Eintrittes der Bemessungsverjährung (§§ 207ff) unzulässig war).
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. In der vorliegenden Beschwerde werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Da die Entscheidung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes im aufhebenden Erkenntnis vom 26. Februar 2015, 2011/15/0121 entspricht, ist die Revision nicht zulässig.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am 13. April 2015
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: |