BFG RV/3100446/2011

BFGRV/3100446/201111.3.2015

Einkunftsquelleneigenschaft einer mit dem lebenslänglichen Wohnrecht des Verkäufers belasteten Eigentumswohnung

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2015:RV.3100446.2011

 

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende R1 und die weiteren Senatsmitglieder R2, L1 und L2 im Beisein der Schriftführerin in der Beschwerdesache des Bf. gegen die Bescheide des Finanzamtes X vom 13.4.2010 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2004 bis 2006, Einkommensteuer 2004 bis 2008 sowie Anspruchszinsen 2004 in der Sitzung vom 24. Februar 2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

 

zu Recht erkannt:

 

1. Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2004 bis 2006, Einkommensteuer 2004 bis 2006 sowie Anspruchszinsen 2004 wird als unbegründet abgewiesen. Diese angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008 wird teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die festgesetzten Abgaben betragen:

Einkommen 2007: 165.914,12 Euro, Einkommensteuer: 74.542,06 Euro;
Einkommen 2008: 306.652,62 Euro, Einkommensteuer: 144.911,31 Euro.

Die Fälligkeit der Abgaben bleibt unverändert.
 

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, soweit es über die Wiederaufnahme von Verfahren sowie über die Einkommensteuer abspricht. Im Übrigen, somit gegen die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Anspruchszinsen, ist eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

 

I) Verfahrensgang

 

1) In der am 18. April 2006 beim Finanzamt elektronisch eingebrachten Einkommensteuererklärung 2004 wies der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) neben anderen positiven Einkünften einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung betreffend die Wohnung Topxx in X , Y-Straße , aus. Die Einkommensteuererklärung enthielt in Bezug auf diese Wohnung auch die Information, dass „die Einkunftsquelle im Erklärungsjahr entgeltlich erworben“ worden sei, sowie die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten (Kennzahl 9410 der Erklärung). Über Ersuchen des Finanzamtes vom 8.8.2006, den Zeitpunkt der Anschaffung und die „Berechnung der Anschaffungskosten“ dieses Objektes bekanntzugeben, teilte der damalige steuerliche Vertreter des Bf. mit Schreiben vom 16.8.2006 mit, die Wohnung sei „mit Stichtag 1.1.2004“ erworben worden; weiters gab er den Kaufpreis (samt Nebenkosten) sowie dessen Aufteilung auf Grund und Gebäude bekannt. Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 22.8.2006 erging erklärungsgemäß.
Mit Bescheid vom 25.5.2007 wurde der (Erst-)Bescheid betreffend Einkommensteuer 2004 gemäß § 299 BAO aufgehoben, weil der Alleinverdienerabsetzbetrag zu Unrecht gewährt worden sei. Im gleichzeitig erlassenen neuen Einkommensteuerbescheid 2004 ließ das Finanzamt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (noch) unverändert.

2) Auch für die Folgejahre 2005 und 2006 wurden in den (wiederum elektronisch eingebrachten) Einkommensteuererklärungen negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Die Einkommensteuerbescheide dieser Jahre ergingen am 5. Juli 2007 bzw. 2. Mai 2008 erklärungsgemäß.

3) Die Einkommensteuererklärung 2007 des (mittlerweile durch eine andere Steuerberatungskanzlei vertretenen) Bf. ging am 30. April 2009 elektronisch beim Finanzamt ein. Am 6. Mai 2009 wurde eine Beilage zur Einkommensteuererklärung 2007 in Papierform nachgereicht, die ua. eine Überschussrechnung (samt Anlagenverzeichnis) betreffend die Wohnung Topxx in X, Y-Straße, enthielt. Darin wurden den „Betriebskosteneinnahmen inkl. Reparaturrücklage“ (von 2.033,35 Euro) Werbungskosten (von 9.103,32 Euro) gegenübergestellt, die sich aus der AfA, Fremdfinanzierungskosten, Betriebskosten sowie Steuerberatungskosten zusammensetzten.

4) Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters des Bf. vom 15.2.2010 wurden dem Finanzamt Prognoserechnungen, ua. für das Mietobjekt Topxx in X, Y-Straße, vorgelegt. Für dieses Objekt sind in der Prognoserechnung von 2004 bis einschließlich 2012 negative Jahresergebnisse und ab 2013 (bei nunmehr jährlich steigenden Mieten) Einnahmenüberschüsse ausgewiesen. Dazu wurde erläuternd ausgeführt: „Mit Kaufvertrag vom 18.12.2003 wurde dem Verkäufer und dem derzeitigen Mieter die Dienstbarkeit des lebenslänglichen und persönlichen Wohnungsgebrauchsrechtes am Kaufgegenstand eingeräumt. Derzeit werden keine Mieteinnahmen aus diesem Objekt erzielt. Der derzeitige Mieter wurde im Jahr 1922 geboren und ist demnach im 88. Lebensjahr. Bei Erstellung der Prognoserechnung wurde von einem Beginn der entgeltlichen Miete mit Beginn 2013 ausgegangen. In den Jahren bis 2007 wurden die bezahlten Betriebskosten (zu ergänzen wohl: „nicht“) als durchlaufender Posten behandelt und daher als Mieteinnahmen erfasst. Weiters wurde bei Erstellung der Prognoserechnung von Instandsetzungsaufwendungen in Höhe von 15.000 Euro nach Auszug des derzeitigen Mieters ausgegangen. Im Prognosezeitraum 2004 bis 2028 wird ein Gesamtergebnis von 75.923 Euro sowie ein Gesamtüberschuss ab dem Jahr 2020 erzielt.“

5) Am 24. Februar 2010 wurde die Einkommensteuererklärung 2008 elektronisch eingebracht. Am 25. Februar 2010 folgte wiederum eine Erklärungsbeilage in Papierform mit ua. der Überschussrechnung für die Wohnung Topxx in X, Y-Straße. Die Mieteinnahmen wurden nunmehr mit null Euro ausgewiesen, an Werbungskosten enthält die Überschussrechnung nur die AfA (2.213,60 Euro) sowie Fremdfinanzierungskosten (5.946,54 Euro). Dazu wurde ausgeführt: „Mit Kaufvertrag vom 18.12.2003 wurde dem Verkäufer und dem derzeitigen Mieter die Dienstbarkeit des lebenslänglichen und persönlichen Wohnungsgebrauchsrechtes am Kaufgegenstand eingeräumt. Die Mieteinnahmen betreffen lediglich die anfallenden Betriebskosten, welche durch Herrn [Bf.] mit der Hausverwaltung abgerechnet werden. Dementsprechend werden die Betriebskosten weder einnahmen- noch ausgabenseitig berücksichtigt.“

6) Mit Bescheiden vom 13.4.2010 verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2006. Gleichzeitig erließ es neue Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2006 sowie die (Erst-)Bescheide betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008. Unter einem wurden Anspruchszinsen festgesetzt.

In den Einkommensteuerbescheiden vom 13.4.2010 wurden die für das Objekt X, Y-Straße, erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung nicht (mehr) berücksichtigt. Die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2008 enthalten dazu (gleichlautend) folgende Begründung: „Das mit Kaufvertrag vom 18.12.2003 erworbene Objekt (Wohnung) an der Adresse X, Y-Straße, stellt keine Einkunftsquelle iSd EStG 1988 dar. Da keine Einnahmen (Mietzinse) erzielt werden, können auch Werbungskosten wie AfA, Zinsen, etc. nicht berücksichtigt werden. Mittels oa. Kaufvertrag räumte der Käufer dem Verkäufer lediglich das lebenslängliche persönliche Wohnungsrecht ein. Ein angemessener Mietzins wurde nicht vereinbart.“

Die Bescheide über die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2006 wurden wie folgt begründet: „Erst durch Einsichtnahme in den Kaufvertrag erlangte die Behörde Kenntnis davon, dass im gegenständlichen Fall bei dem Objekt X, Y-Straße, es sich nicht um eine Einkunftsquelle iSd Einkommensteuergesetzes handelt.“

In den (Erst-)Bescheiden betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008 nahm das Finanzamt weiters bei einem anderen, im Jahr 2007 angeschafften Mietobjekt rechnerische Änderungen der AfA vor.

7) Mit Schreiben vom 12.5.2010, beim Finanzamt eingereicht am 17.5.2010, erhob der Bf. gegen die Bescheide vom 13.4.2010 betreffend Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2006, Einkommensteuer 2004 bis 2008 sowie Anspruchszinsen 2004 bis 2008 Berufung. Der Bf. beantragte die ersatzlose Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide sowie der Bescheide über die Festsetzung der Anspruchszinsen und die Festsetzung der Einkommensteuer entsprechend den übermittelten Erklärungen.

Begründend wurde im Berufungsschreiben ausgeführt, der Kaufvertrag betreffend das Vermietungsobjekt in X, Y-Straße, sei der Behörde nachweislich am 19. Dezember 2003 zur Kenntnis gebracht worden. Dem Verkäufer sei im Kaufvertrag ein Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt worden. Für diese Rechtseinräumung habe der Verkäufer die laufenden Betriebskosten gemäß WEG und die Beiträge zum Instandhaltungsfonds zu leisten, wie diese von der Hausverwaltung vorgeschrieben würden. Dieser Umstand sei der Abgabenbehörde aus den zu den Abgabenerklärungen ergänzend eingereichten Unterlagen bekannt gewesen. Der Verkäufer und zwischenzeitige Nutzer der Wohnung habe bei Abschluss des Kaufvertrages bereits das 81. Lebensjahr vollendet gehabt. Der Bf. habe die Wohnung als Anlageobjekt mit Vermietungsabsicht erworben. Auf Grund des Zugeständnisses eines lebenslangen und persönlichen Wohnungsgebrauchsrechtes gegen ein Entgelt in Höhe der gesetzlichen Betriebskosten zuzüglich der Beiträge in den Instandhaltungsfonds als Kaufbedingung habe das Objekt entsprechend günstig erworben werden können. In Anbetracht des fortgeschrittenen Alters des Verkäufers habe der Bf. mit dem Beginn einer Vermietung mit marktüblichem Mietzins innerhalb weniger Jahre nach dem Kauf rechnen können. Eine persönliche Nutzung durch den Bf. oder seine Angehörigen sei nicht geplant gewesen. Die Vermietungsabsicht des Bf. sei aus wirtschaftlichen Überlegungen ohne Zweifel anzunehmen und durch die von der Behörde angeforderte Prognoserechnung nachgewiesen. Davon abgesehen entspreche die Begründung der Einkommensteuerbescheide nicht dem tatsächlichen Sachverhalt, habe der Bf. doch laufend Einnahmen in Höhe der gesetzlichen Betriebskosten und der Beiträge zum Instandhaltungsfonds erzielt. Beim Vermietungsobjekt in X, Y-Straße, handle es sich daher um eine Einkunftsquelle im Sinne des EStG. In weiterer Folge stehe auch der Werbungskostenabzug für die Jahre vor Beginn einer Vermietung mit marktüblichem Mietzins zu. Sollte die Behörde dieser Auffassung nicht folgen, müssten die derzeit anfallenden Kosten ab Beginn der Vermietung zu einem marktüblichen Mietzins mit Beendigung des Wohnungsgebrauchsrechtes als Werbungskosten berücksichtigt werden; denn diese Kosten müsse der Bf. in Kauf nehmen, um eine Vermietung zu einem marküblichen Mietzins erst umsetzen zu können.

Die AfA des Mietobjektes in X, Z-Straße , für 2007 und 2008 sei entsprechend der im Berufungsschreiben dargestellten Neuberechnung zu bemessen.

Der Berufung waren eine Kopie des Kaufvertrages vom 18.12.2003 betreffend das Objekt in X, Y-Straße (mit Eingangsstempel des Finanzamtes 19.12.2003), weiters eine Kopie des Kaufvertrages vom 5.2.2007 betreffend das Objekt in X, Z-Straße, sowie ein AfA-Verzeichnis 2007 angeschlossen.

8) Mit Berufungsvorentscheidungen vom 1.3.2011 wies das Finanzamt die Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2006 als unbegründet ab; der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 wurde teilweise (hinsichtlich der Berechnung der AfA für das Objekt in X, Z-Straße) Folge gegeben. Zur Streitfrage, ob hinsichtlich des Objektes in X, Y-Straße, negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen sind, führte das Finanzamt in der mit 28.2.2011 datierten gesonderten Bescheidbegründung (Verf 67) aus, die Tragung von Betriebskosten und Beiträgen zum Instandhaltungsfonds durch den Verkäufer begründe beim Bf. keine steuerlich relevante Einkunftsquelle. Betriebskosten und Beiträge zum Instandhaltungsfonds stellten kein „Mietentgelt“ dar.

Eine Berufungsvorentscheidung betreffend Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2006 ist nach der Aktenlage nicht ergangen. Die gesonderte Bescheidbegründung vom 28.2.2011 enthält jedoch auch Ausführungen zur Wiederaufnahme dieser Verfahren: Dem Einwand, der Bf. habe am 19. Dezember 2003 dem Finanzamt den Kaufvertrag betreffend die Wohnung in X, Y-Straße, vorgelegt, wurde entgegengehalten, dieser Kaufvertrag sei dem für die Erhebung der Einkommensteuer des Bf. zuständigen Veranlagungsreferat damals nicht bekannt geworden. Offensichtlich sei zwar das Schriftstück am 19. Dezember 2003 beim Finanzamt eingelangt, es sei jedoch der zuständigen Bemessungsabteilung (für Gebühren und Verkehrsteuern) zugeteilt worden. Am 22. Dezember 2003 sei hierauf die Grunderwerbsteuer vorgeschrieben worden. Aus Sicht der Veranlagungsverfahren betreffend Einkommensteuer sei der Kaufvertrag erst am 9. April 2010 dadurch bekannt geworden, dass ein Bediensteter des für die Einkommensteuer des Bf. zuständigen Teams beim Bezirksgericht X in die Urkundensammlung des Grundbuchs Einsicht genommen habe. Erst durch Einsichtnahme in den Kaufvertrag sei ersichtlich geworden, dass dem Verkäufer der Wohnung „die Dienstbarkeit des lebenslänglichen und persönlichen Wohnungsgebrauchsrechtes am Kaufgegenstand“ eingeräumt worden sei. Diese Tatsache sei im Veranlagungsverfahren betreffend Einkommensteuer bis zum 9. April 2010 unbekannt gewesen.

9) Der Bf. beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Zur Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2006 brachte er ergänzend vor, „neu hervorgekommen“ sei eine Tatsache oder ein Beweismittel nur dann, wenn die Behörde als Gesamtorganisation davon keine Kenntnis gehabt habe. Wenn eine Stelle der Behörde von einem bestimmten Sachverhalt wisse, eine andere, nach der Geschäftsverteilung zuständige Stelle hievon aber keine Kenntnis hatte, so könne sich die durch die zuletzt genannte Stelle tätig werdende Behörde nicht auf den Tatbestand des „Neuhervorkommens“ stützen. Der gegenständliche Kaufvertrag sei am 19. Dezember 2003 dem Finanzamt übergeben und mit dem Eingangsstempel des Finanzamtes versehen worden. Im Zuge der „erstmaligen Erklärung“ von Einkünften aus dem Objekt in X, Y-Straße, sei beim Finanzamt weiters eine Anlage zur Steuererklärung eingereicht worden, in der folgende Erläuterung zur Überschussrechnung angeschlossen gewesen sei: „Anlässlich des Kaufes wurde dem Verkäufer (Herr V. geb. 1922) das lebenslange Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt. Angefallene Betriebskosten bezahlt der Verkäufer“. Diese Information sei im Zuge der Erklärungen der Jahre 2005 und 2006 wiederholt worden. Der „konkrete Umstand des Kaufes“ sei der Behörde daher nachweislich bekannt gewesen. Die Wiederaufnahme der Verfahren sei rechtswidrig: Der Behörde seien keine neuen Tatsachen bekannt geworden. In den Beilagen zu den eingereichten Steuererklärungen sei der Behörde auch die Einnahmensituation uneingeschränkt offengelegt worden. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide seien inhaltlich rechtswidrig. Die Einräumung des Wohnrechtes sei als Entgelt für die Nutzungsüberlassung im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung zu beurteilen, weil das Wohnrecht den Kaufpreis gemindert habe. Es liege daher eine entgeltliche Vermietung vor. Mit der Prognoserechnung sei die Einkunftsquelleneigenschaft in Übereinstimmung mit den Regelungen der Liebhabereiverordnung nachgewiesen.

10) Mit Vorlagebericht vom 19.10.2011 legte das Finanzamt die Berufung betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2008, Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO für 2004 bis 2006 sowie (laut händischer Ergänzung) Anspruchszinsen 2004 dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

11) Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am 31. Dezember 2013 beim unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängig gewesenen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

12) Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht teilte das Finanzamt über Vorhalt, dass in den vorgelegten Akten die (im Vorlageantrag erwähnten) Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen 2004 bis 2006 nicht enthalten waren, mit, solche Beilagen könnten beim Finanzamt nicht aufgefunden werden.

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes legte die steuerliche Vertreterin des Bf. mit Schreiben vom 16.10.2014 Ausdrucke der Überschussrechnungen 2004, 2005 und 2006 vor. Diese enthalten zu den „Einnahmen aus Vermietung“ (von jeweils 1.882,80 Euro) gleichlautend folgende Anmerkung: Anlässlich des Kaufes wurde dem Verkäufer (Herr V. , geb. 1922) das lebenslange Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt. Angefallene Betriebskosten bezahlt der Verkäufer“. Ergänzend wurde mitgeteilt, der Verkäufer Herr V. sei am 4. Mai 2013 verstorben. Nach Sanierung werde die Wohnung nun seit 15.8.2013 vermietet (laut angeschlossenem Mietvertrag um monatlich 1.320 Euro zuzüglich Betriebskosten, befristet auf drei Jahre).
Nachweise dafür, dass die Überschussrechnungen der Jahre 2004, 2005 und 2006 beim Finanzamt eingereicht worden waren, wurden nicht beigebracht.

 

II) Sachverhalt

 

1) Mit Kaufvertrag vom 18.12.2003 erwarb der Bf. von Hans V. (geb. 1922) dessen xxx-Anteile an der Liegenschaft in X, Y-Straße, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohneinheit Topxx verbunden ist. Der Kaufpreis wurde mit 123.544 Euro vereinbart, wovon 120.000 Euro auf die Wohneinheit Topxx (samt Zubehör) und 3.544 Euro auf die miterworbene Einbauküche entfielen (Punkt IV des Kaufvertrages). Als Stichtag für den Besitzübergang wurde der 1.1.2004, 0.00 Uhr, vereinbart, ab welchem Zeitpunkt der Käufer die mit der Liegenschaft verbundenen Aufwendungen und Betriebskosten zu tragen hatte und in den „bestehenden Instandhaltungsfonds einbezogen“ war (Punkt V des Vertrages). Punkt VII des Kaufvertrages lautet:

Der Käufer [Bf.] räumt für sich und seine Rechtsnachfolger dem Verkäufer Hans V.  die Dienstbarkeit des lebenslänglichen und persönlichen Wohnungsgebrauchsrechtes am Kaufgegenstand … ein.
Der Verkäufer als hierdurch Wohnungsberechtigter nimmt die Rechtseinräumung an. Das Wohnungsrecht ist zu Gunsten des Wohnungsberechtigten zu verbüchern.
Inhalt des Rechtes ist der ausschließlich persönliche Gebrauch des Berechtigten der Wohnung X, Y-Straße, Topxx.
Das Wohnungsgebrauchsrecht beginnt mit 1.1.2004, 0.00 Uhr, besteht auf Lebenszeit des Verkäufers als Berechtigten und endet mit dessen Ableben. Darüber hinaus ist die Verlassenschaft nach Ableben des Verkäufers jedoch berechtigt, das Kaufobjekt für einen weiteren Monat unentgeltlich zu nutzen, damit ein geregelter Abtransport der Fahrnisse des Verkäufers als Berechtigten möglich ist.
Während aufrechtem Wohnungsgebrauchsrecht ist dem Käufer als Dienstbarkeitsgeber oder von ihm beauftragten Dritten der Zutritt in die gegenständliche Wohnung Topxx - ausgenommen bei Gefahr in Verzug - nur mit Zustimmung des Verkäufers als Wohnungsberechtigten oder einem allfälligen für ihn eingesetzten Sachwalter zulässig.
Für die Einräumung des Wohnrechtes wird vom Verkäufer als Wohnungsberechtigten an den Käufer als Dienstbarkeitsgeber ein monatlicher Betrag entsprechend den dem Käufer von der Hausverwaltung vorgeschriebenen Betriebskosten nach WEG 2002 zuzüglich der Beiträge zum Instandhaltungsfond bezahlt. Die Zahlungen erfolgen auf die Weise, dass der Verkäufer diese Beträge auch weiterhin unmittelbar an die Hausverwaltung zur Überweisung bringen wird.

2) Im Zusammenhang mit der Anzeige des Erwerbes gemäß § 10 GrESG wurde dem Finanzamt am 19. Dezember 2003 eine Ausfertigung des Kaufvertrages vom 18.12.2003 vorgelegt, die dem für Gebühren und Verkehrsteuern zuständigen Team des Finanzamtes zugeleitet wurde. Der für die Einkommensteuerveranlagung des Bf. zuständigen Stelle gelangte diese Ausfertigung des Kaufvertrages nicht zur Kenntnis.

Am 9. April 2010 hat ein Mitarbeiter des für die Einkommensteuer des Bf. zuständigen Veranlagungsteams des Finanzamtes beim Grundbuchsgericht in den Kaufvertrag vom 18.12.2003 Einsicht genommen. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kaufvertrag beim zuständigen Veranlagungsteam des Finanzamtes nicht aktenkundig.

3) Die vom Verkäufer gemäß Punkt VII des Kaufvertrages geleisteten Zahlungen an die Hausverwaltung (Betriebskosten und Beiträge zum Instandhaltungsfonds) betrugen jeweils 1.882,80 Euro in den Jahren 2004 bis 2006 und 2.033,35 Euro im Jahr 2007; diese Beträge wies der Bf. in den Einkommensteuererklärungen der Jahre 2004 bis 2007 als Einnahmen (aus Vermietung) aus. Die erklärten Werbungskosten setzten sich im Wesentlichen aus der AfA, Fremdfinanzierungskosten sowie den (in den Erklärungen unter der Kennzahl 9530 als „übrige Werbungskosten“ zusammengefassten) Betriebskosten zusammen. Aus den Überschussrechnungen ist ersichtlich, dass die als Werbungskosten geltend gemachten Betriebskosten (2004: 1.662,89 Euro, 2005: 1.665,60 Euro, 2006: 1.410,74 Euro, 2007: 1.816,20 Euro) von den erklärten Einnahmen nicht erheblich abwichen. Die errechneten Verluste betrugen -9.303,09 Euro (2004), -7.767,80 Euro (2005), -9.170,94 Euro (2006) und -7.069,97 Euro (2007). In der Einkommensteuererklärung 2008 wurden die Betriebskosten als „durchlaufende Posten“ weder als Einnahmen noch als Werbungskosten erfasst. Der aus AfA und Schuldzinsen resultierende Verlust dieses Jahres betrug -8.160,14 Euro.

4) Überschussrechnungen der Jahre 2004 bis 2006 sind in den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Akten des Finanzamtes nicht enthalten. Die Einreichung dieser Überschussrechnungen beim Finanzamt ist nicht erwiesen.

 

III) Beweiswürdigung

 

1) Dass die Vorlage des Kaufvertrages beim Finanzamt am 19. Dezember 2003 mit der Anzeige des Erwerbes für Zwecke der Grunderwerbsteuer in Zusammenhang stand, ist unbestritten. Die der Berufung angeschlossene Kopie des Kaufvertrages mit dem Eingangsstempel des Finanzamtes (Datum 19.12.2003) ist dementsprechend auch mit der - die Grunderwerbsteuer betreffenden - Erfassungsnummer versehen. Schlüssig sind daher die Ausführungen des Finanzamtes in der gesonderten Begründung zur Berufungsvorentscheidung vom 28.2.2011, wonach die am 19. Dezember 2003 eingelangte Ausfertigung des Kaufvertrages der für die Erhebung der Einkommensteuer des Bf. zuständigen Stelle nicht zur Kenntnis gelangte. Ein Indiz dafür, dass der Kaufvertrag dem aktenführenden Team bei der Einkommensteuerveranlagung 2004 nicht bekannt war, ergibt sich auch aus dem Fragenvorhalt vom 8.8.2006 (siehe oben Punkt I.1): Wäre der Kaufvertrag aktenkundig gewesen, hätte sich nämlich die im Vorhalt gestellte Frage nach dem Anschaffungszeitpunkt des Mietobjektes erübrigt.
Die am 9. April 2010 durchgeführte Erhebung beim Grundbuchsgericht (Einsichtnahme in die Urkundensammlung) ist durch den darüber angelegten Aktenvermerk des Sachbearbeiters des Finanzamtes belegt.

2) Überschussrechnungen der Jahre 2004 bis 2006 befinden sich - wie bereits unter Punkt I.12 angeführt - nicht in den Akten des Finanzamtes. Aktenkundig sind dort lediglich die - nach Wechsel der Steuerberatungskanzlei vom nunmehrigen steuerlichen Vertreter des Bf. erstellten - Überschussrechnungen der Folgejahre. Zwar waren auch für die Jahre 2004 bis 2006 Überschussrechnungen erstellt worden (siehe Beilagen zur Vorhaltsbeantwortung vom 16.10.2014); dass diese jedoch dem Finanzamt übermittelt worden wären, konnte nicht festgestellt werden. Ein Beweismittel dafür (etwa mit dem Eingangsstempel des Finanzamtes versehene Kopien oder einen Postaufgabeschein) konnte der Bf. nicht beibringen. Zudem sehen die in FinanzOnline zur Verfügung stehenden Erklärungsformulare bei den "allgemeinen Daten" eine Anmerkung "Beilagen in Papierform" vor; in den elektronisch (über FinanzOnline) eingereichten Einkommensteuererklärungen des Bf. für die Jahre 2004 bis 2006 wurde diese Anmerkung (anders als in den Steuererklärungen der Jahre 2007 und 2008) nicht angebracht.

3) Die übrigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den jeweils angeführten Schriftstücken.

 

IV) Rechtslage

 

1.) Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO (in der Fassung durch das FVwGG 2012) kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe aus letzter Zeit zB VwGH 27.2.2014, 2011/15/0106; VwGH 26.2.2013, 2009/15/0016, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur) ist das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" bezieht sich damit auf den Wissensstand (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Die Beweislast für das Einlangen eines Schriftstückes bei der Behörde trifft den jeweiligen Einschreiter (siehe zB VwGH 21.9.2006, 2006/15/0090).

2.) § 28 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 zählt zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ua. die Einkünfte aus der Vermietung von unbeweglichem Vermögen (soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 5 gehören). Die Bestimmung erfasst die entgeltliche Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung.

3.) Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen).

 

V) Erwägungen

 

A) Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2006

1) Der vom Bf. (unter Hinweis auf Stoll, BAO-Kommentar, Band 3, Seite 2935) vertretenen Rechtsansicht, für das „Neuhervorkommen“ von Tatsachen im Sinne des § 303 BAO komme es auf den Kenntnisstand der Behörde als Gesamtorganisation an, kann nicht gefolgt werden. Diese Sichtweise ist durch die jüngere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes überholt (siehe oben Punkt IV.1.). Der bescheiderlassenden Stelle des Finanzamtes war der Kaufvertrag vom 18.12.2003 zum Zeitpunkt des Ergehens der Bescheide vom 25.5.2007 (betreffend Einkommensteuer 2004), 5.7.2007 (betreffend Einkommensteuer 2005) bzw. 2.5.2008 (betreffend Einkommensteuer 2006) nicht bekannt. Aus der Sicht dieser Verfahren ist der Kaufvertrag (insbesondere dessen Punkt VII betreffend das Wohnrecht des Verkäufers) vielmehr erst am 9. April 2010 bekannt geworden.

Soweit sich der Bf. auch auf die in den Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen 2004 bis 2006 enthaltenen Informationen beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass deren Einlangen beim Finanzamt nicht als erwiesen angenommen werden kann.

2) Die Begründung der Wiederaufnahmebescheide - das Finanzamt habe erst durch die Einsichtnahme in den Kaufvertrag davon Kenntnis erlangt, dass das Mietobjekt in X, Y-Straße, keine Einkunftsquelle darstelle - bringt zwar die Wiederaufnahmsgründe nicht klar zum Ausdruck. Ob ein Mietobjekt eine Einkunftsquelle im Sinne des EStG 1988 darstellt, ist rechtliche Beurteilung und somit keine „Tatsache“ im Sinne des § 303 BAO. In Verbindung mit der Begründung der gleichzeitig ergangenen Sachbescheide ergibt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit, dass sich die Wiederaufnahme der Verfahren auf das Neuhervorkommen jener Vereinbarungen im Kaufvertrag vom 18.12.2003 stützt, die das lebenslängliche Wohnrecht des Verkäufers betreffen. Diese Vereinbarungen gingen aus den (elektronischen) Einkommensteuererklärungen 2004 bis 2006 nicht hervor. Sie ergaben sich auch noch nicht vollständig aus der - ohnehin erst nach Ergehen der Erstbescheide betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2006 vom Finanzamt angeforderten - Prognoserechnung vom 15.2.2010, zumal dort von einem Wohnrecht „des Verkäufers und des derzeitigen Mieters“ die Rede ist (als ob es sich um zwei verschiedene Personen handelte) und auch die Bedingungen des Wohnrechtes nicht genau wiedergegeben wurden. Erst durch die Einsichtnahme in den Kaufvertrag - deren Zeitpunkt (9. April 2010) in der gesonderten Begründung zur Berufungsvorentscheidung vom 28.2.2011 ergänzend angeführt ist - hat sich das Finanzamt Klarheit über die getroffenen Vereinbarungen verschafft.

3) Dass sich das Finanzamt den Kaufvertrag schon vor Erlassen der jeweiligen Erstbescheide - etwa im Zuge des Fragenvorhaltes vom 8.8.2006 -  beschaffen hätte können, ist nicht entscheidungsrelevant: Ein allfälliges Verschulden der Behörde an der Nichtausforschung von Sachverhalten steht einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens nicht entgegen (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 5. Auflage, Anm. 33 zu § 303 und die dort zitierte Rechtsprechung). Die Verfügung der Wiederaufnahme eines Verfahrens liegt im Ermessen der Behörde. Gemäß § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Ein Ermessensfehler ist dem Finanzamt bei der Abwägung aller Umstände des Beschwerdefalles nicht unterlaufen, zumal die Auswirkungen der Wiederaufnahme nicht geringfügig sind und ein (vorrangiges) Interesse des Bf. am Weiterbestand der rechtswidrigen Erstbescheide (siehe dazu unten Punkt B) nicht erkennbar ist.

Die Wiederaufnahmebescheide erwiesen sich daher als rechtmäßig.

 

B) Verluste betr. das Objekt X, Y-Straße

1) Wird dem Verkäufer einer Eigentumswohnung im Kaufvertrag das lebenslängliche Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt, ist Gegenstand des Erwerbes des Käufers in ertragsteuerlicher Hinsicht - abweichend etwa vom Grunderwerbsteuerrecht - das mit dem Wohnrecht belastete Wirtschaftsgut. Wirtschaftlich betrachtet stellt nämlich die Einräumung des Wohnrechtes keine Gegenleistung für die Eigentumsübertragung dar (siehe etwa Doralt, EStG, Anm. 162/1 zu § 30; Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2012, § 30 Rz 47). Vielmehr ist einkommensteuerrechtlich davon auszugehen, dass sich der Verkäufer mit dem Wohnungsgebrauchsrecht die Nutzung des Kaufgegenstandes zurückbehalten hat; insofern erwirbt der Käufer kein „Vollrecht“ am Kaufgegenstand, was sich regelmäßig - so auch im Beschwerdefall - in einem um den Wert des Wohnrechtes verminderten Kaufpreis niederschlägt (zur Berechnung der Anschaffungskosten des Käufers in einem solchen Fall siehe auch VwGH 31.3.2011, 2007/15/0158). Auf die Textierung im Kaufvertrag („der Käufer räumt dem Verkäufer die Dienstbarkeit des lebenslänglichen und persönlichen Wohnungsgebrauchsrechtes ein…“) kommt es dabei nicht an.

2) Wesentliches Tatbestandsmerkmal des § 28 EStG 1988 ist die entgeltliche Überlassung eines Wirtschaftsgutes zur Nutzung. Der Bf. bringt vor, in Höhe der vom nutzungsberechtigten Verkäufer vereinbarungsgemäß an die Hausverwaltung abgeführten Betriebskosten samt Beiträgen zum Instandhaltungsfonds lägen Einnahmen (aus Vermietung und Verpachtung) vor. Hat aber - nach der Sichtweise des Einkommensteuerrechtes - der Bf. mit dem Kaufvertrag vom 18.12.2003 gar kein Nutzungsrecht an der Wohnung erworben, weil sich der Verkäufer dieses Nutzungsrecht in Form der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechtes zurückbehalten hat, kann die (Weiter-)Zahlung der Betriebskosten (durch den nutzungsberechtigten Verkäufer) folglich kein an den Bf. geleistetes Nutzungsentgelt im Sinne des § 28 EStG 1988 darstellen. Auch ist dem Finanzamt darin Recht zu geben, dass eine steuerlich relevante „Miete“ über einen bloßen Kostenersatz hinausgehen muss. Dass die Betriebskosten vom Verkäufer pauschal in Höhe der Vorschreibungen der Hausverwaltung (ohne Berücksichtigung von Differenzbeträgen nach Maßgabe der Jahresabrechnungen) getragen wurden und diese auch die Beiträge zum Instandhaltungsfonds enthielten, ändert an dieser Beurteilung nichts. Ein Sachverhalt dergestalt, dass der Käufer die Eigentumswohnung zu einem nach dem Verkehrswert bemessenen Kaufpreis erworben und sodann mit dem Verkäufer (als Mieter) einen Bestandvertrag zu einem marktüblichen Mietzins abgeschlossen hätte, liegt gerade nicht vor. In die Überschussrechnungen ab 2008 hat der Bf. die vom Verkäufer übernommenen Zahlungen an die Hausverwaltung (als „Durchläufer“) ohnedies nicht mehr aufgenommen.

3) Von einer bereits mit 1.1.2004 geschaffenen Einkunftsquelle, die erst nach Beendigung des Wohnrechtes des Verkäufers Überschüsse (aus einer Vermietung zu einem marktüblichen Mietzins) abwerfen würde, kann daher rechtlich nicht ausgegangen werden. Dem steht entgegen, dass dem Bf. eine Vermietung der Wohnung während des Bestandes des Wohnrechtes des Verkäufers gar nicht möglich war (siehe auch UFS 14.4.2004, RV/3059-W/02, zitiert in Rauscher/Grübler, Steuerliche Liebhaberei, 2. Auflage, Rz 82). Erst mit dem Ableben des Verkäufers im Mai 2013 ist das Nutzungsrecht an der Wohnung dem Bf. zugefallen und werden nun ertragsteuerlich relevante Einkünfte aus Vermietung (im Sinne des § 28 EStG 1988) erzielt.

Die Beurteilung, dass der Bf. in den Streitjahren wegen des Wohnrechtes des Verkäufers (noch) keine Vermietungstätigkeit im Sinne des § 28 EStG 1988 entfaltete, liegt im Vorfeld einer (allfälligen) Liebhabereiprüfung. Auf das diesbezügliche Vorbringen des Bf. - er erwarte, dass das Objekt innerhalb eines üblichen Kalkulationszeitraumes einen Gesamtüberschuss abwerfen werde - braucht somit nicht weiter eingegangen zu werden.

4) Die dem Bf. in den Streitjahren erwachsenen Aufwendungen (im Wesentlichen Gebäude-AfA und Kreditzinsen) können auch nicht als „Vorwerbungskosten“ berücksichtigt werden, zumal ein Zusammenhang mit einer späteren Einkunftsquelle nicht in hinreichendem Maße ersichtlich war (siehe dazu etwa Jakom/Lenneis, EStG, 2014, § 4 Rz 276; Doralt, EStG, Anm. 348 zu § 2, Anm. 16 zu § 16, Anm. 94 zu § 28). Aus dem Erwerb eines Objektes kann nicht ohne weiteres zwingend auf eine Vermietungsabsicht geschlossen werden (Rauscher/Grübler, Steuerliche Liebhaberei, 2. Auflage, S. 62 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Bei Abschluss des Kaufvertrages vom 18.12.2003 war nicht absehbar, wie lange dem Bf. infolge des Wohnrechtes des Verkäufers eine Nutzung der Wohnung verwehrt war, und ob es nach Erlöschen des Wohnrechtes tatsächlich zu einer Nutzung durch Vermietung kommen würde. Es konnte auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Bf., je nach Entwicklung des Wohnungsmarktes, einen Verkauf des Anlageobjektes der späteren Vermietung vorziehen würde. Dass - ex post betrachtet - nach dem Ableben des Verkäufers im Jahr 2013 tatsächlich eine Vermietung aufgenommen wurde, musste bei einer auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bezogenen Beurteilung außer Betracht bleiben.

Inwieweit Ausgaben im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe zum Übergang einer Liebhabereitätigkeit in eine Einkunftsquelle VwGH 26.4.2012, 2009/15/0194 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur; zu Renteneinkünften VwGH 19.3.2013, 2010/15/0141) ab Beginn der Vermietung mit positiven Einkünften verrechnet werden können, ist nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.

 

C) AfA beim Mietobjekt X, Z-Straße

Die Höhe der AfA beim Mietobjekt in X, Z-Straße, hat das Finanzamt außer Streit gestellt (Schreiben vom 30.9.2014). Sie beträgt somit, der Berechnung auf Seite 7 des Berufungsschreibens vom 12.5.2010 folgend, für 2007 insgesamt 1.232,16 Euro (Halbjahres-AfA für das Gebäude 932,16 Euro, für das Inventar 300 Euro) und für 2008 insgesamt 2.464,32 Euro (Jahres-AfA für das Gebäude 1.864,32 Euro, für das Inventar 600 Euro). Daraus errechnen sich für das Mietobjekt, X, Z-Straße, Einkünfte für 2007 von -3.716,94 Euro (laut Erklärung: -3.434,94 Euro abzüglich AfA-Differenz 282,00 Euro) und Einkünfte für 2008 von 2.745,15 Euro (laut Erklärung: 3.309,15 Euro abzüglich AfA-Differenz 564,00 Euro).

 

D) Neuberechnung der Einkommensteuer 2007 und 2008

1) Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung errechnen sich wie folgt:

2007:
Objekt X, A-Straße : -2.177,26 Euro
Objekt X, Z-Straße: -3.716,94 Euro
Objekt X, Y-Straße: null Euro
somit insgesamt Verlust aus Vermietung und Verpachtung -5.894,20 Euro.

2008:
Objekt X, A-Straße: -1.795,31 Euro
Objekt X, Z-Straße: 2.745,15 Euro
Objekt X, Y-Straße: null Euro
somit insgesamt Überschuss aus Vermietung und Verpachtung 949,84 Euro.

2) In der Überschussrechnung 2007 betreffend das Objekt X, Y-Straße, sind in den erklärten Werbungskosten auch Steuerberatungskosten (von 112,88 Euro) enthalten. Diese werden gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 als Sonderausgaben berücksichtigt.

Die Neuberechnung der Abgaben ist aus den beigeschlossenen Berechnungsblättern ersichtlich.

 

E) Anspruchszinsen 2004

Anspruchszinsenbescheide sind an die Stammabgabenbescheide gebunden.
Ein Anspruchszinsenbescheid ist deshalb nicht mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Stammabgabenbescheid (hier: der Einkommensteuerbescheid 2004) sei inhaltlich rechtswidrig. Würde sich der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig erweisen und würde er entsprechend abgeändert oder aufgehoben, wäre ein neuer, an den geänderten Stammabgabenbescheid gebundener Anspruchszinsenbescheid zu erlassen (siehe zB VwGH 5.9.2012, 2012/15/0062). In einem solchen Fall erginge daher ein weiterer Anspruchszinsenbescheid; eine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides erfolgte nicht ( Ritz, BAO, 5. Auflage, § 205 Rz 35, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Der Antrag des Bf. auf Aufhebung des Anspruchszinsenbescheides 2004 war daher schon aus verfahrensrechtlichen Gründen abzuweisen.

 

VI) Zulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens sind durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Punkt IV.1) geklärt. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellten sich insoweit nicht. Dasselbe gilt in Bezug auf die Regelungstechnik des § 205 BAO betreffend die Vorschreibung von Anspruchszinsen (siehe Punkt V.E).

Zur Frage, ob das lebenslängliche Wohnrecht des Verkäufers dem Abzug von AfA und Fremdfinanzierungskosten beim Käufer vor Beginn einer marktüblichen Vermietung (im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 1 EStG 1988) entgegensteht, liegt - soweit ersichtlich - keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Eine Revision gegen den diesen Streitpunkt betreffenden Spruch des Erkenntnisses ist daher zulässig. Da in den wiederaufgenommenen Verfahren betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2006 sonst keine Änderungen der jeweiligen Vorbescheide erfolgten, war die Revision nicht nur in Bezug auf die Entscheidung betreffend Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der Entscheidung über die Wiederaufnahme der Verfahren zuzulassen.

 

 

Innsbruck, am 11. März 2015

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 28 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

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