BFG RV/7101531/2014

BFGRV/7101531/201428.4.2014

Zurückweisung einer Vorlage des Finanzamtes

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2014:RV.7101531.2014

 

Entscheidungstext

Hintere Zollamtsstraße 2b

1030 Wien

www.bfg.gv.at

DVR: 2108837

 

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke in der Beschwerdesache A B, Kontaktadresse, vertreten durch Dr. Lennart Binder LL.M., Rechtsanwalt, 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, Beschwerde vom 10.2.2014 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10, 1030 Wien, Marxergassse 4, vor dem Bundesfinanzgericht vertreten durch Mag. Werner Hoffmann, vom 20.1.2014, wonach ein Betrag von € 3.348,90 an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Beschwerdeführerin selbst für den Zeitraum September 2010 bis Jänner 2014 zurückgefordert wird, beschlossen:

Die Vorlage der Beschwerde vom 10.2.2014 durch das Finanzamt vom 14.4.2014 wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 133 Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in Verbindung mit § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt Wien 4/5/10 hat dem Bundesfinanzgericht am 14.4.2014 die Beschwerde der A B vom 10.2.2014 gegen den gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom 20.1.2014, wonach ein Betrag von € 3.348,90 an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Beschwerdeführerin selbst für den Zeitraum September 2010 bis Jänner 2014 zurückgefordert wird, gemäß § 265 BAO elektronisch vorgelegt.

Der Vorlagebericht führt zum Sachverhalt aus:

Im Zuge der Erledigung der Beschwerde vom 27.12.2013 gegen den Abweisungsbescheid vom 18.12.2013 (Abweisung der Familienbeihilfe für den Zeitraum von 01/08 bis 07/12) wurde festgestellt, d. auch die bereits für den Zeitraum von 09/12 bis 01/14 zuerkannte Familienbeihilfe nicht zusteht.

Dauraufhin wurde der Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge vom 20.01.2014 mit folgender Begründung erlassen:

Personen, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, wird nur dann Familienbeihilfe gewährt, wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung haben und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht auch für jene Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde. Da keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Am 10.02.2014 wurde durch den steuerlichen Vertreter Hr. Rechtsanwalt ... die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhoben. Ein Antrag auf eine mündliche Verhandlung wurde gestellt.

Unter "Folgende Bescheide sind angefochten" wird angegeben:

Gegenstand: Familienbeihilfe

Geschäftszahl: Rückforderungsbescheid

Jahr/Zeitraum: 2012

Fachgebiet: Familienlastenausgleich

Gesamter Senat

beantragt:

Nein

Datum Bescheid: 20.01.2014

Datum Beschwerde: 10.02.2014

Datum BVE: 10.02.2014

Datum Vorlageantrag: 10.02.2014

Verfahrenskategorie: Beih

Mündliche Verhandlung beantragt: Ja

Das "Inhaltsverzeichnis" lautet folgendermaßen:

Beschwerde

Titel Datum

Beschwerde 10.02.2014

Bescheide:

Titel Datum

Familienbeihilfe (Jahr: 2012) (Rückforderungsbescheid) 20.01.2014

Sonstiges:

Titel Datum

Beschwerde 10.02.2014

Vorablagen 05.02.2013

Tatsächlich vorgelegt wurden - einschließlich des Vorlageberichts - gescannte 129 Seiten Akteninhalt, wobei verschiedene Aktenteile zwei- oder mehrfach eingescannt wurden.

Hierbei handelt es sich (unter Weglassung der Mehrfachurkunden) um:

Nicht vorgelegt wurde eine Beschwerdevorentscheidung und ein Vorlageantrag.

Die Beschwerde führt aus:

Der Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge vom 20.1 .2014 (Versicherungsnummer ...) wurde am 30.1.2014 zugestellt.

Innerhalb offener Frist wird gegen den genannten Bescheid die

BESCHWERDE

an das Bundesfinanzgericht erhoben.

Der bezeichnete Bescheid, mit dem Familienbeihilfe und ein Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum September 2012 bis Jänner 2014 zurückgefordert wird, wird zur Gänze angefochten.

Der Bescheid ist rechtswidrig.

Es ist richtig, dass die Beschwerdeführerin subsidiär schutzberechtigt ist. Sie hat dennoch Anspruch auf die bezogenen Beträge, da sie -wie aus der beiliegenden Bestätigung des Bundesrealgymnasiums (BORG ...) hervorgeht-, die Schule besucht. Die Ausübung eines Berufes ist daher nicht möglich.

Das Erfordernis, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, gemäß § 3 Abs 4 Familienlastenausgleichsgesetz ist daher nicht Voraussetzung für die lnanspruchnahme der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages. Der Gesetzgeber wollte, dies ist aus dem Gesetz entnehmbar, Schüler unterstützen und nicht Erwerbstätige, die im Allgemeinen keine Unterstützung benötigen.

Subsidiär Schutzberechtigte sind im Bezug auf den Anspruch von Familienbeihilfe und Klnderabsetzbeträgen anerkannten Flüchtlingen und Österreichem gleichgestellt. Eine andere Betrachtungsweise wäre unzulässig diskriminierend. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, subsidiär schutzberechtigte Schülerinnen anders zu behandeln, als Schüler von EU-Mitgliedsländern

Der Auspruch der Beschwerdeführerin leitet sich auch aus der einschlägigen EU-Richtlinie (Statusrichtlinie) ab. Bei der Familienbeihilfe und beim Kinderabsetzbetrag handelt es sich um "Kerneistungen" und würde bei der Nichtleistung der Zugang zur Bildung verwehrt werden und damit auch eine Beeinträchtigung des Wohles der Kinder im Sinne von Art 24 der Grundrechtecharta eintreten.

Die Familienbeihilfe ist deshalb eine "Kernleistung" der Sozialhilfe im Sinne von Art 29 der Statusrichtlinie, da sie als "eine der wesentlichsten Säulen des Systems der österreichischen Familienförderung" definiert wird und nach Auffassung des Gesetzgebers "nicht nur eine Forderung der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch eine gesellschaftliche Existenznotwendigkeit" ist.

Ich stelle daher den

ANTRAG,

a) den angefochtenen Bescheid aufzuheben;

b) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

Über Anfrage der Richterin teilte das Finanzamt mit E-Mail vom 23.4.2014 mit:

Im gegenständlichen Fall wurde keine Beschwerdevorentscheidung erlassen.

Wie in der Beschwerde des Hr. Rechtsanwalts ... vom 10.02.2014 ausgeführt, wurde Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhoben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 262 BAO idgF lautet:

§ 262. (1) Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

(2) Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben,

a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und

b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.

(3) Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

(4) Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

§ 265 BAO lautet:

§ 265. (1) Die Abgabenbehörde hat die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

(2) Die Vorlage der Bescheidbeschwerde hat jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.

(3) Der Vorlagebericht hat insbesondere die Darstellung des Sachverhaltes, die Nennung der Beweismittel und eine Stellungnahme der Abgabenbehörde zu enthalten.

(4) Die Abgabenbehörde hat die Parteien (§ 78) vom Zeitpunkt der Vorlage an das Verwaltungsgericht unter Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichtes zu verständigen.

(5) Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist auch die Abgabenbehörde, deren Bescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten ist.

(6) Die Abgabenbehörde ist ab der Vorlage der Bescheidbeschwerde verpflichtet, das Verwaltungsgericht über Änderungen aller für die Entscheidung über die Beschwerde bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverzüglich zu verständigen. Diese Pflicht besteht ab Verständigung (Abs. 4) auch für den Beschwerdeführer.

§ 266 BAO lautet:

§ 266. (1) Die Abgabenbehörde hat, soweit nicht anderes angeordnet ist, gleichzeitig mit der Vorlage der Bescheidbeschwerde die Akten (samt Aktenverzeichnis) vorzulegen. Die Abgabenbehörde hat den Parteien (§ 78) eine Ausfertigung des Aktenverzeichnisses zu übermitteln.

(2) Mit Zustimmung des Verwaltungsgerichtes darf die Übermittlung der Beschwerde (§ 265) und die Aktenvorlage (Abs. 1) in Form von Ablichtungen erfolgen.

(3) Soweit Akten oder Beweismittel nur auf Datenträgern vorliegen, sind auf Verlangen des Verwaltungsgerichtes ohne Hilfsmittel lesbare, dauerhafte Wiedergaben von der Abgabenbehörde bzw. von der Partei (§ 78) beizubringen.

(4) Soweit die Abgabenbehörde die Vorlage von Akten (Abs. 1 bzw. bezüglich Maßnahmenbeschwerden oder Säumnisbeschwerden auf Verlangen des Verwaltungsgerichtes) unterlässt, kann das Verwaltungsgericht nach erfolgloser Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen.

§ 323 Abs. 42 BAO lautet:

(42) Wurde eine Berufung vor dem 1. Jänner 2014, ohne vorher eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen, der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgelegt, so ist § 262 (Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung) nicht anwendbar.

Nach der seit 1.1.2014 geltenden Rechtslage (Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012) hat das Finanzamt im Beschwerdeverfahren - von drei im Gesetz genannten Ausnahmefällen abgesehen - zwingend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen; anders als im Berufungsverfahren bis zum 31.12.2013 liegt es jetzt nicht im Ermessen des Finanzamtes, ob eine eine Beschwerdevorentscheidung erlassen wird oder nicht (vgl. für viele Fischerlehner, Abgabenverfahren, § 262 Anm 2; Lenneis, Änderungen der Bundesabgabenordnung durch das Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 in: Blasina/Kirchmayr-Schliesselberger/Knörzer/Mayr/Unger (Hrsg.), Die Bedeutung der BAO im Rechtssystem (FS Tanzer), 74; Raab, Die Rolle der belangten Abgabenbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren in: Ehrke-Rabel/Merli, Die belangte Behörde in der neuen Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 42 f.;Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, 220; Ritz, BAO5, § 262 Tz 1). Damit soll die Abgabenbehörde dazu verhalten werden, sich vor Beschwerdevorlage an das Verwaltungsgericht eingehend mit dem Beschwerdevorgehen auseinanderzusetzen und erforderliche Ermittlungen zu ergänzen (vgl. Fischerlehner, a.a.O.).

Die Beschwerde wurde nach dem 31.12.2013 erhoben und dem Bundesfinanzgericht vorgelegt, sodass § 323 Abs. 42 BAO nicht anwendbar ist.

Keiner der drei in § 262 BAO angeführten Ausnahmefälle, in denen keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist, liegt vor:

In der Beschwerde wurde nicht beantragt, dass die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung unterbleiben möge (§ 262 Abs. 2 BAO).

In der Beschwerde wurde auch nicht die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet (§ 262 Abs. 3 BAO). Die Bf rügt vielmehr eine rechtswidrige Anwendung des Gesetzes, damit liegt kein Fall des § 262 Abs. 3 BAO vor (vgl. Ritz, BAO5, § 262 Tz 11).

Schlussendlich ist das Finanzamt Wien 4/5/10 auch nicht der Bundesminister für Finanzen (§ 262 Abs. 4 BAO).

Das Finanzamt hat vor einer Vorlage nach dem anzuwendenden Verfahrensrecht zwingend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Ob es überhaupt später zu einer Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts kommt, hängt davon ab, ob die Bf nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag stellt (§ 264 BAO) oder von einem solchen absieht, sei es, weil ihrem Beschwerdebegehren mit der Beschwerdevorentscheidung Rechnung getragen wird, oder auch, dass sie von der entsprechend ausführlichen Argumentation in der Beschwerdevorentscheidung überzeugt wird.

Daher ist für das weitere Verfahren darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass die nach § 93 Abs. 3 lit a BAO erforderliche Begründung eines Bescheides - wozu auch eine Beschwerdevorentscheidung zählt - erkennen lassen muss, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. etwa VwGH 4.6.2008, 2003/13/0049 oder VwGH 2.2.210, 2009/15/0209).

"Sachverhalt" ist nicht die Darstellung des Verfahrensganges oder des Streitpunktes, sondern die Darstellung aller Tatsachen, die Voraussetzung für die Erfüllung des vom Finanzamt angenommenen gesetzlichen Tatbestandes sind (vgl. etwa VwGH 1.7.1998, 97/09/0365). Der Sachverhalt muss alle Sachverhaltselemente enthalten, die für die Lösung der Rechtsfrage von Bedeutung sind. Der Sachverhalt ist nicht mit Rechtsausführungen zu vermengen, die Rechtsausführungen schließen sich vielmehr erst an die Sachverhaltsfeststellungen - und bei strittigen Feststellungen: an die Beweiswürdigung - an.

Dies betrifft sowol die Begründung eines Bescheides gemäß § 93 Abs. 3 lit. BAO als auch die im Vorlagebericht gemäß § 265 Abs. 3 BAO vorzunehmende "Darstellung des Sachverhaltes". Der im Vorlagebericht dargelegte "Sachverhalt" erfüllt diese Voraussetzungen nicht; hier werden Tatbestandsvoraussetzungen für gegeben erachtet, ohne diese zuvor festzustellen.

Der Vorlagebericht ist somit mangelhaft. Allerdings wird von der Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens (vgl. Fischerlehner, Abgabenrecht, § 265 Anm. 2) Abstand genommen, da die Vorlage ohnehin - siehe im Folgenden - zurückzuweisen ist.

Zur rechtlichen Subsumtion gehört die Anführung der jeweiligen Norm und die Begründung, warum der festgestellte Sachverhalt den in der Norm umschriebenen Tatbestand erfüllt.

Gemäß § 3 Abs. 5 FLAG 1967 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind, wobei Anspruch auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, besteht.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a und b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter anderem für minderjährige Kinder und für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe unter anderem wenn sie minderjährig sind oder das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 26 FLAG 1967 hat, wer Familienbehilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Art. 29 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ("Statusrichtlinie", ersetzt die RL 2004/83/EG ) lautet (ebenso Art. 28 RL 2004/83/EG ):

Sozialhilfeleistungen

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten.

(2) Abweichend von der allgemeinen Regel nach Absatz 1 können die Mitgliedstaaten die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.

Das Finanzamt wird in der Beschwerdevorentscheidung die für die Verwirklichung des von ihm angenommenen Rückforderungstatbestandes nötigen Sachverhaltsfeststellungen ausdrücklich zu treffen haben. Außerdem wird eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen in der Beschwerde erforderlich sein, insbesondere ob der Bf auf Grund der Statusrichtlinie - unabhängig von der nationalen Umsetzung - ein unmittelbarer Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag unter denselben Voraussetzungen wie für österreichische Staatsangehörige besteht.

Hierzu wird bemerkt, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss VfGH 16.3.2007, B 1397/06, die Auffassung vertreten hat, "... dass dem Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes bei der Gewährung familienfördernder Maßnahmen ein großer Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. VfSlg. 8605/1979, 14.694/1996, 16.542/2002, 16.820/2003), dass der Gesetzgeber den Anspruch auf Familienbeihilfe von einer qualifizierten Nahebeziehung zum Inland abhängig machen darf (vgl. auch VfSlg. 8541/1979, 14.694/1996, 16.380/2001, 16.542/2002), dass es daher unbedenklich erscheint, wenn der Gesetzgeber diesen Anspruch einer Personengruppe vorenthält, der eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I 100/2005, nicht zukommt, für die aber grundsätzlich eine staatliche Versorgung (auch für Kinder) im Wege der Grundversorgung vorgesehen ist (vgl. dazu die Grundversorgungsvereinbarung - Art. 15a B-VG, BGBl. 80/2004)...".

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VwGH 29.9.2011, 2011/16/0065 unter anderem zu Art. 28 der Richtlinie 2004/83/EG ausgeführt:

... Art. 28 der Statusrichtlinie spricht von Sozialhilfeleistungen und von der notwendigen Sozialhilfe (in der englischen Fassung etwa von social welfare und von necessary social assistance; in der französischen Fassung etwa von protection sociale und von l'assistance sociale necessaire). Dem Beschwerdeführer ist im Ergebnis zuzustimmen, dass zur Auslegung dieses unionsrechtlichen Begriffes der notwendigen Sozialhilfe nicht ausschlaggebend ist, ob Leistungen nach der nationalen (österreichischen) Rechtsterminologie als Sozialhilfe bezeichnet werden. Doch auch das Unionsrecht selbst unterscheidet einerseits zwischen der sozialen Sicherheit (im englischen Text social security, im französischen Text securite sociale) etwa in Art. 4 Abs. 1 der für den Streitzeitraum noch maßgeblichen Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der konsolidierten Fassung ABlEG Nr. L 28 vom 30. Jänner 1997 (im folgenden: Verordnung Nr. 1408/71 ), deren Zweige u.a. die Familienleistungen (englisch: family benefits; französisch: les prestations familiales) betreffen (Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h der Verordnung Nr. 1408/71 ). Dem stellt dieselbe Verordnung in Art. 4 Abs. 4 die Sozialhilfe (englisch: social assistance; französisch: l'assistance sociale) gegenüber, für welche die Verordnung nicht anzuwenden ist. Auch der Europäische Gerichtshof unterschied bei einer Prüfung einer Beihilfe zwischen Zügen der sozialen Sicherheit und Zügen der Sozialhilfe (vgl. das Urteil vom 16. Jänner 2007 in der Rs. C-265/05 , Jose Perez Naranjo, Rn. 35, welches auch im englischen Text zwischen social security und social assistance und im französischen Text zwischen la securite sociale und l'assistance sociale unterscheidet).

Stellt man inhaltlich auf die Leistung der Grundversorgung ab, so umfasst die Grundversorgung nach Art. 6 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde .... in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung), BGBl. I Nr. 80/2004 insbesondere die Unterbringung in geeigneten Unterkünften, die Versorgung mit angemessener Verpflegung, die Gewährung eines monatlichen Taschengelds für Personen in organisierten Unterkünften, die Durchführung einer medizinischen Untersuchung im Bedarfsfall, die Sicherung der Krankenversorgung im Sinne des ASVG durch Bezahlung der Krankenversicherungsbeiträge, die Gewährung allenfalls darüber hinausgehender notwendiger durch die Krankenversicherung nicht abgedeckter Leistungen nach Einzelfallprüfung, die Übernahme von Transportkosten bei Überstellungen und behördlichen Ladungen, die Übernahme der für den Schulbesuch erforderlichen Fahrtkosten und Bereitstellung des Schulbedarfs für Schüler, die Gewährung von Sach- oder Geldleistungen zur Erlangung der notwendigen Bekleidung. Dieser Umfang wird durch § 5 des NÖ Grundversorgungsgesetzes leistungsempfangenden Personen zugesprochen. Dass der Beschwerdeführer und seine Tochter eine solche dem unionsrechtlichen Begriff der Sozialhilfe entsprechende Grundversorgung erhalten haben, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Demgegenüber stellt die Familienbeihilfe eine Familienleistung im Sinn des Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dar (vgl. etwa das die österreichische Familienbeihilfe betreffende Urteil des EuGH vom 26. November 2009 in der Rs. C-363/08 , Romana Slanina).

Die österreichische Familienbeihilfe stellt eine Transferleistung dar, welche die von der Verfassung geforderte steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen für den Regelfall verwirklicht. Sie soll die im Vergleich zu einer nicht unterhaltspflichtigen Person verminderte Leistungsfähigkeit durch entsprechende Verminderung der Steuerlast berücksichtigen, wobei dem Gesetzgeber der rechtspolitische Spielraum eingeräumt ist, dies nicht durch eine unmittelbare Berücksichtigung bei der Einkommensteuerfestsetzung durch einen Absetz- oder Freibetrag umzusetzen, sondern eben durch direkt ausgezahlte Transferleistungen wie die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag (vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 2000, B 1340/00, VfSlg 16.026). Bei diesem Charakter der Familienbeihilfe kann aber nicht davon gesprochen werden, dass die Familienbeihilfe eine Sozialhilfe auch im unionsrechtlichen Sinn darstellt.

Zu dem mit der Familienbeihilfe insoweit vergleichbaren und ebenfalls eine Familienleistung iSd Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 darstellenden Kinderbetreuungsgeld (vgl. das Urteil des EuGH vom 7. Juni 2005 in der Rs. C-543/03 (Christine Dodl und Petra Oberhollenzer)) hat der Oberste Gerichtshof im Urteil vom 26. Juni 2008, 10 Ob S 53/08 d, anschaulich dargestellt, dass die Sozialhilfe in der Regel nur dann eingreifen soll, wenn tatsächlich keine anderen ausreichenden Hilfen vorhanden sind (Subsidiarität), und dass sie den konkreten Bedürfnissen des jeweils einzelnen Hilfsbedürftigen entsprechen soll (Individualisierung). Demgegenüber handelt es sich beim Kinderbetreuungsgeld um eine Sozialleistung, die auch österreichischen Staatsangehörigen nicht im Rahmen der Sozialhilfe erbracht wird. Der Oberste Gerichtshof hat dies in seinem Urteil vom 21. Dezember 2010, 10 Ob S 150/10 x, aufrechterhalten. Dies gilt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes umso mehr für die Familienbeihilfe, die (ausgenommen die Fälle des sogenannten Eigenanspruches von Vollwaisen und von Personen denen die Eltern nicht überwiegend Unterhalt gewähren - § 6 FLAG iVm § 5 Abs. 1 leg. cit.) anders als das Kinderbetreuungsgeld nicht vom Einkommen der beihilfenberechtigten Person abhängt und ebenfalls keine subsidiäre auf die individuelle Bedürftigkeit des Beihilfenempfängers abstellende staatliche Leistung ist.

Daher hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel im Sinne des Urteils des EuGH vom 6. Oktober 1982 in der Rs. 283/81 (CILFIT), dass es sich bei der österreichischen Familienbeihilfe nicht um eine Kernleistung der Sozialhilfe im Sinn des Art. 28 Abs. 2 der Statusrichtlinie handelt.

Somit konnte sich der Beschwerdeführer auch nicht unmittelbar auf die Statusrichtlinie berufen...

Art. 28 Abs. 2 RL 2004/83/EG entspricht Art. 29 Abs. 2 RL 2011/95/EU .

Aufgrund einer den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Bescheid gerecht werdenden Beschwerdevorentscheidung ist entweder - weil der Tatbestand nicht erfüllt ist - der Beschwerde Folge zu geben oder - weil der Tatbestand erfüllt ist - diese als unbegründet abzuweisen, wobei dann die Bf auf Grund der detaillierten Begründung der Beschwerdevorentscheidung in der Lage ist zu beurteilen, ob ein Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht zweckmäßig ist oder nicht.

Daher ist die nunmehr grundsätzlich zwingend vorgesehene Beschwerdevorentscheidung eine sinnvolle Einrichtung zur Entlastung der Finanzgerichtsbarkeit.

Da das Bundesfinanzgericht mangels Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Beschwerde - derzeit - nicht zuständig ist, war die Vorlage des Finanzamtes vom 5.2.104 als unzulässig zurückzuweisen. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Vorlage ist in diesem Fall, dass ein gegen eine Beschwerdevorentscheidung gerichteter Vorlageantrag vorliegt (vgl. zu § 85c Abs. 1 erster Satz des Zollrechts-Durchführungsgesetzes VwGH 12.8.2002, 2001/17/0208); weder eine Beschwerdevorentscheidung noch ein Vorlageantrag liegen hier aber vor.

Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt, das Finanzamt trifft weiterhin die Entscheidungspflicht (§ 284 Abs. 1 BAO) über die Beschwerde.

Bemerkt wird, dass im Übrigen die Vorlage auch nicht § 266 BAO entspricht, da die Behörde mit dem äußerst kappen "Inhaltsverzeichnis" kein "Aktenverzeichnis" im Sinne des Gesetzes vorgelegt hat. Ein Aktenverzeichnis ist eine Übersicht über alle in einem Akt befindlichen Schriftstücke, typischerweise chronologisch geführt und unter Bezeichnung der Schriftstücke mit Ordnungsnummern (auch als Aktenübersicht bezeichnet, vgl. § 380 Geo). Ein Aktenverzeichnis wäre etwa ein Verzeichnis, das die oben unter 1. bis 19. angegebenen Akteninhalte umfasst.

Das Aktenverzeichnis soll nicht nur dem Gericht einen Überblick über den Akteninhalt verschaffen, sondern es auch der Partei (§ 78 BAO) ermöglichen zu erkennen, welche Aktenteile die belangte Behörde dem Gericht vorgelegt hat und ob die belangte Behörde das Gericht vollständig informiert hat (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren, § 266 Anm. 2).

Von einem Mängelbehebungsverfahren war jedoch Abstand zu nehmen, da die Vorlage ohnehin mangels Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zurückzuweisen war.

Gemäß § 25 Abs. 1 BFGG und § 282 BAO ist das Finanzamt verpflichtet, im gegenständlichen Fall mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, das Parteiengehör hierbei zu wahren und eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 133 Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in Verbindung mit § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie eine Vorlage des Finanzamtes im Fall einer gesetzwidrigen Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu behandeln ist, nicht besteht.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, am 28. April 2014

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG

betroffene Normen:

§ 265 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 266 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967

Schlagworte:

Vorlage, Beschwerdevorentscheidung, Zurückweisung, Aktenverzeichnis, Sachverhalt, Mängelbehebung

Verweise:

VwGH 04.06.2008, 2003/13/0049
VfGH 16.03.2007, B 1397/06
VwGH 29.09.2011, 2011/16/0065

Stichworte