Kommanditisten als echte stille Gesellschafter?
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2014:RV.4100418.2008
Entscheidungstext
Dr.-Herrmann-Gasse 3
9020 Klagenfurt am Wörthersee
DVR: 2108837
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch
den Richter
R
in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Vertreter gegen die Bescheide des Finanzamtes FA vom 19.12.2006 betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1998 bis 2001, vom 3.12.2007 betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2005 und vom 29.11.2006 betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für das Jahr 2001 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen die Bescheide vom 19.12.2006 betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1998 bis 2001 wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde gegen die Bescheide vom 3.12.2007 betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2005 wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden insoweit abgeändert, als sie für endgültig erklärt werden.
Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.11.2006 betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für das Jahr 2001 wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Umsatzsteuer 1998 bis 2001:
Mit den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 1998 bis 2001 setzte das Finanzamt die Umsätze, Umsatzsteuern, Vorsteuern und die Zahllasten entsprechend den Steuererklärungen mit jeweils S 0,-- fest. Die dagegen erhobene Beschwerde beantragt jeweils die erklärungsgemäße Veranlagung.
Da in der Beschwerde keinerlei Gründe für eine Änderung dargelegt werden, war sie als unbegründet abzuweisen.
Umsatzsteuer 2002 bis 2005:
Mit Bescheiden vom 3.12.2006 wurde die Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2005 festgesetzt. Die Veranlagung erfolgte erklärungsgemäß jedoch vorläufig. Alle Bescheide wiesen eine Bemessungsgrundlage, sowie eine Umsatzsteuer, eine Vorsteuer und eine daraus resultierende Zahllast in Höhe von € 0,-- auf.
Das Finanzamt begründete die vorläufige Festsetzung wie folgt: „Eine Ungewissheit ist im Umfang der Abgabenpflicht insofern gegeben, als die Bescheide der Vorjahre mit Berufung beim UFS bekämpft werden. Diese Ergebnisse beeinflussen aufgrund der Änderungen der Besteuerungsart (Ist/Soll) aber auch die Werte der Folgejahre, weshalb diesbezüglich ein ungewisses Element zu erblicken ist. Es waren daher aufgrund von Billigkeit und Zweckmäßigkeit die Veranlagungen vorläufig durchzuführen. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides vom 19.12.2006 für die Jahre 1998 bis 2001 verwiesen.“
Die Beschwerdeführerin (Bf) erhob gegen die Bescheide Beschwerde, welche sich gegen sämtliche Abweichungen von den eingebrachten Erklärungen richtete und beantragte die ersatzlose Aufhebung der bekämpften Bescheide bzw. eine erklärungsgemäße Veranlagung. Zur Vorläufigkeit brachte die Bf vor, dass die Voraussetzung für das Erlassen vorläufiger Bescheide eine Ungewissenheit im Tatsachenbereich, jedoch nicht die Ungewissenheit, wie eine Rechtsfrage von der Berufungsbehörde gelöst werden würde, sein könne.
Die Bescheide der Jahre 1998 bis 2001 wurden erklärungsgemäß mit Umsätzen, Umsatzsteuern, Vorsteuern und Zahllasten von jeweils S 0,-- veranlagt. Die Veranlagung für das Jahr 2001 erfolgte mit Erstbescheid endgültig nach der abgabenbehördlichen Prüfung.
Gem § 200 Abs 1 BAO sind vorläufige Bescheide nur zulässig, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich ist oder wenn der Umfang der Abgabenpflicht noch ungewiss ist.
Dass die Bescheide der Vorjahre mit Beschwerde bekämpft worden sind, lässt keine Ungewissheit in Bezug auf das Streitjahr erkennen. Zudem sind die steuerpflichtigen Bemessungsgrundlagen für die Streitjahre 2002 bis 2005 wie auch für die Vorjahre 1998 bis 2001 jeweils € 0,--. Auch die Begründung des endgültigen Bescheides vom 19.12.2006 für das Jahr 2001 lässt keine Begründung für eine Ungewissheit in Bezug auf die Streitjahre 2002 bis 2005 erkennen. Eine Ungewissheit der Abgabenpflicht oder eine Ungewissheit des Umfanges der Abgabenpflicht ist nicht feststellbar. Die Erlassung von vorläufigen Bescheiden für die Jahre 2002 bis 2005 erfolgte daher nicht zu Recht.
Kapitalertragsteuer 2001:
Strittig ist, ob die Kommanditisten der Bf als echte stille Gesellschafter angesehen werden können und ob die Bf im ursächlichen Zusammenhang mit Gewinnausschüttungen im Jahr 2001 an die Kommanditisten zur Kapitalertragsteuerhaftung in Anspruch genommen werden darf (TZ 1 BP-Bericht).
Im Gesellschaftsvertrag der Beschwerdeführerin (Bf) vom 9.9.1998 wurde im Wesentlichen vereinbart:
"....
§ 2 Gegenstand des Unternehmens
Gegenstand des Unternehmens ist der Ein- und Verkauf von Immobilien.... Der Geschäftsumfang ist beschränkt auf das Kleingewerbe.
...
§ 4: Stellung der Gesellschafter und Einlagen
Die [Komplementäre].. bringen ausschließlich ihre Arbeitskraft ein.... Über die Aufnahme weiterer Kommanditisten oder die Erhöhung der Vermögenseinlage eines Kommanditisten bestimmen die persönlich haftenden Gesellschafter alleine....Es ist die Aufnahme von Kommanditisten mit einer Pflichteinlage von insgesamt ungefähr 5 Mio S geplant. Als Hafteinlage sollen 10% der Vermögenseinlage (= Pflichteinlage) im Firmenbuch eingetragen werden.
§ 5: Beteiligung des Kommanditisten
Die Beteiligung eines jeden Kommanditisten am Vermögen der Gesellschaft bestimmt sich verhältnismäßig nach seinen jeweiligen einbezahlten Pflichteinlagen. Gewinn- und Verlustanteile, Entnahmen der Gewinnanteile sowie Kapitalrückzahlungen werden über variable Verrechnungskonten abgerechnet; sie berühren das Beteiligungsverhältnis nicht.
§ 6 Haftung
Die Kommanditisten haften den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe ihrer Hafteinlagen unmittelbar. Die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlagen geleistet sind (§ 171 Abs 1 HGB). Eine Verpflichtung der Kommanditisten zur Abdeckung von Verlusten, ausgenommen aus zukünftigen Gewinnanteilen, besteht nicht.
§ 7 Rechnungslegung
Die KEG ist handelsrechtlich nicht zur Buchführung verpflichtet, sofern sie nicht einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb benötigt. Da beabsichtigt ist, dass die Tätigkeit der KEG von ihrem Umfang her nicht über den eines Kleingewerbes hinausgeht, wird sie das jährliche steuerliche Ergebnis im Wege des § 4 Abs 3 EStG (Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben) ermitteln...Wird das durch Überschussrechnung ermittelte Jahresergebnis nachträglich-allenfalls als Folge einer steuerlichen Betriebsprüfungberichtigt, ist der berichtigte Überschuss maßgebend.
§ 8 Gewinn- und Verlustverteilung
Die Komplementäre nehmen grundsätzlich am Gewinn und Verlust der Gesellschaft nicht teil. Sie erhalten jedoch unabhängig von einer Gewinnverteilung jeweils am Ende eines jeden Kalenderjahres eine pauschale Haftungsvergütung in Höhe von 3% des Jahresnettoumsatzes, mindestens jedoch S 100.000 ausbezahlt. Darüber hinaus haben die Komplementäre Anspruch auf Ersatz aller Aufwendungen, die ihnen durch die Geschäftsführung erwachsen. Die Kommanditisten nehmen am Gewinn und Verlust der Gesellschaft teil. Verluste sind auch über die Höhe der Kommanditeinlage hinaus zu übernehmen, maximal jedoch bis zu 300% der Kommanditeinlage. Die Verteilung des Gewinnes und Verlustes erfolgt im Verhältnis der vertraglich vereinbarten Kommanditeinlagen. Kommanditisten, die während eines Geschäftsjahres (= Kalenderjahr) beitreten, nehmen mit Eintritt in die Gesellschaft anteilig am laufenden Gewinn und Verlust der Gesellschaft teil. Verluste der Gesellschafter, die 300% der Kommanditeinlage überschreiten, sind den Komplementären zuzuweisen. In der Folge sind Gewinne der Gesellschaft vorweg zur Auffüllung der durch Verluste verminderten Einlage der Komplementäre zu verwenden.
§ 9 Kapitalrückzahlungen und Gewinnausschüttungen
Entnahmen der Kommanditisten sind nur insoweit möglich, als die dem einzelnen Kommanditisten zugewiesenen Gewinne zuzüglich der vertraglichen Pflichteinlage die dem Kommanditisten zugewiesenen Verluste überschreiten.
§ 10 Geschäftsführung und Vertretung
Die Geschäftsführung obliegt den Komplementären gemeinsam. Die Vertretung erfolgt jeweils durch einen Komplementär einzeln. Die Bestellung weiterer Komplementäre als Gesellschafter steht allen Komplementären gemeinsam zu. Die Kommanditisten sind an der Geschäftsführung nicht beteiligt. Ein Widerspruchsrecht der Kommanditisten gemäß § 164 HGB ist ausgeschlossen. Die Komplementäre verpflichten sich hingegen, Änderungen des Geschäftsgegenstandes, sofern diese nicht nur Formulierungen betreffen, nur mit Zustimmung der Kommanditisten zu beschließen.
§ 12 Austritt, Kündigung
Die Komplementäre verpflichten sich, das Gesellschaftsverhältnis bis zum 31.12.2013 aufrecht zu erhalten. Danach kann das Gesellschaftsverhältnis, sowohl als gesamtes als auch hinsichtlich einzelner Gesellschafter, durch die Komplementäre gemeinsam unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Geschäftsjahres aufgekündigt werden. Jeder Kommanditist kann unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Geschäftsjahres, frühestens jedoch zum 31.12.2008 ganz oder teilweise seinen Austritt aus der Gesellschaft mittels eingeschriebenen Briefes erklären. Die Ansprüche des Kommanditisten bei Austritt oder Kündigung ermitteln sich gem. § 15 des Gesellschaftsvertrages....
...
§ 14 Veräußerung (Übertragung) des Kommanditanteiles
Die Kommanditisten sind nur mit Zustimmung aller Komplementäre berechtigt, ihre Kommanditeinlagen oder sonstigen Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis ganz oder in Teilen zu veräußern oder auf einen Dritten zu übertragen...
...
§ 15 Ansprüche des Kommanditisten bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses
Scheidet ein Kommanditist ganz oder teilweise aus der Gesellschaft aus, so hat er Anspruch auf ein Abfindungsguthaben. Berechnungsgrundlage dieses Guthabens ist der dem Verhältnis der Kommanditeinlagen des Kommanditisten zur Kapitalbasis (entspricht der Summe der Haft- und Pflichteinlagen) entsprechende Anteil am Verkehrswert des Unternehmens.
§ 16 Auflösung der Gesellschaft
Im Falle der Auflösung der Gesellschaft nehmen die Kommanditisten am Vermögen inklusive stiller Reserven und dem Firmenwert im Verhältnis der Kommanditeinlagen zu den insgesamt bestehenden Kommanditeinlagen teil...."
Dass den Kommanditisten - wie im BP-Bericht angeführt - eine fix festgelegte Erfolgszusage gegeben worden sei (vgl. TZ 1, S. 4 des BP-Berichtes), findet in den Akten keine Bestätigung.
Das Finanzamt führt für seinen Standpunkt, die Kommanditisten seien als echte stille Gesellschafter anzusehen, weiters ins Treffen, die Bf. habe Verluste konstruiert, sie habe Maßnahmen verwirklicht, um Verluste planmäßig zu erzeugen. So wie das Modell konzipiert sei, könne als primäres Ziel nur die Erzeugung von Verlusten erblickt werden. Gewinne seien „kaum“ zu erwarten. Die Geschäftstätigkeit der Bf. sei nicht darauf gerichtet, stille Reserven oder einen Firmenwert tatsächlich anwachsen zu lassen (vgl. TZ 1, S. 5 BP-Bericht).
Sollte die Bf Verluste vorgetäuscht haben, die sich nicht ereignet haben, wären die Gewinne oder Verluste in richtiger Höhe festzustellen gewesen. Derartige allfällige Verdachtsmomente deuten jedoch jedenfalls nicht auf eine echte stille Gesellschaft und auf eine daraus resultierende KESt-Pflicht hin. Sollte in Bezug auf die Bf und in Bezug auf die Kommanditisten Liebhaberei vorliegen, wäre überhaupt keine Einkunftsquelle gegeben. Aus einer möglicherweise nicht vorliegenden Einkunftsquelle kann jedoch jedenfalls keine KESt-Pflicht erwachsen.
Zu den Ausführungen des Finanzamtes, der Kommanditist habe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung, es komme ihm auch kein Widerspruchsrecht zu, daher liege keine Unternehmerinitiative vor, ist zu sagen, dass das Finanzamt jenen Teil des Vertragstextes nicht berücksichtigt hat, in welchem es heißt, dass Änderungen des Geschäftsgegenstandes nur mit Zustimmung der Kommanditisten beschlossen werden dürfen (siehe Punkt 10 des Gesellschaftsvertrages). Das Finanzamt hat ferner nicht berücksichtigt, dass das Recht des Kommanditisten, die abschriftliche Mitteilung der Gewinnermittlung zu verlangen und deren Richtigkeit zu prüfen (§ 166 Abs 1 HGB aF i.V.m. § 4 Abs 1 Erwerbsgesellschaftengesetz) vertraglich nicht ausgeschlossen worden ist. Zudem wurde auch das Recht des Kommanditisten, bei Gericht den Antrag zu stellen, bei Vorliegen wichtiger Gründe die Mitteilung der Gewinnermittlung oder sonstiger Aufklärungen anzuordnen ( § 166 Abs 3 HGB aF i.V.m. § 4 Abs 1 Erwerbsgesellschaftengesetz), vertraglich nicht ausgeschlossen. Die mangelnde Geschäftsführungsberechtigung der Kommanditisten ist kein Grund, den Gesellschaftsvertrag im Sinne einer echten stillen Gesellschaft umzudeuten. Dasselbe gilt für den Ausschluss des Widerspruchsrechts des Kommanditisten. Ob eine stille Gesellschaft oder stille Gesellschaften in Bezug auf die Bf. vorliegen, ist anhand der vertraglichen Vereinbarungen zu beurteilen. An der Bf. haben sich natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt (Gesellschaftsvertrag der Bf.). Eine Kommanditbeteiligung ist keine echte stille Gesellschaft. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich nicht, dass eine Mitunternehmerschaft nicht vorliegt, da der Gesellschaftsvertrag eine Beteiligung der Kommanditisten an den stillen Reserven und am Firmenwert vorsieht. Im Ergebnis haben sich die Kommanditisten der Bf. an deren Tätigkeit in einer Weise beteiligt, die auf Grund der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht als echte stille Gesellschaften angesehen werden darf. Es gibt daher keinen Grund, eine Haftungspflicht der Bf. für Kapitalertragsteuer anzunehmen.
Es war daher der Beschwerde Folge zu geben und der Kapitalertragsteuerhaftungsbescheid aufzuheben.
Zulässigkeit einer Revision
Durch dieses Erkenntnis werden keinerlei Rechtsfragen iS von Art 133 Abs 4 B-VG berührt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Sollte die Bf Verluste vorgetäuscht haben, wären die Gewinne oder Verluste in richtiger Höhe festzustellen gewesen. Sollte in Bezug auf die Bf und in Bezug auf die Kommanditisten Liebhaberei vorliegen, wäre keine Einkunftsquelle gegeben. Eine Kommanditbeteiligung ist keine echte stille Gesellschaft. Der Gesellschaftsvertrag sieht eine Beteiligung an den stillen Reserven und am Firmenwert vor . Daher gibt es keinen Grund, eine oder mehrere echte stille Gesellschaften anzunehmen. Daher wurde der Kapitalertragsteuerhaftungsbescheid aufgehoben.
Rechtsfragen , denen i.S. von Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, sind insoweit nicht erkennbar.
Auch in Bezug auf die Umsatzsteuer sind keinerlei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von Art 133 Abs 4 B-VG erkennbar (siehe oben).
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 166 Abs. 3 HGB, Handelsgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897 |