Entgeltliche Überlassung der Patientenkartei an den Ordinationsnachfolger
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2014:RV.2100756.2012
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch
den Richter
R.
in der Beschwerdesache X., Praktischer Arzt, Q., vertreten durch Fidas Holding Schladming Steuerberatung GmbH, Untere Klaus 327, 8970 Schladming, gegen den Bescheid des Finanzamtes Judenburg Liezen vom 30. August 2012, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2010, vertreten durch Hofrat Dr. Ernst Körner nach der am 28. Februar 2014 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt hat im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid den Erlös aus dem Verkauf der Patientenkartei in Höhe von € 95.000,00 brutto, über den vom Beschwerdeführer (Bf.), der als praktischer Arzt seine Ordination mit Hausapotheke aufgegeben hat, keine Rechnung ausgestellt worden ist, mit folgender Begründung mit dem Nettobetrag in Höhe von € 79.166,67 dem Normalsteuersatz unterworfen:
Die Umsätze hätten in den letzten Jahren zu mehr als 50 % (durchschnittlich rd. 60 %) Medikamentenverkäufe aus der Hausapotheke, die nunmehr vom Ordinationsnachfolger weitergeführt werde, dargestellt. In der Ärzteschaft würde bei Ordinationsübergaben unter Fremden die Patientenkartei vorwiegend bei vorhandenen Hausapotheken in einer derartigen Höhe abgelöst werden. Nach wirtschaftlich vernünftigen Maßstäben sei die Hausapotheke der entscheidende Faktor für den Erwerber, eine Ablöse überhaupt bzw. in solcher Höhe zu tätigen. Insofern sei der Erwerb der Kartei bzw. der dahinterstehende Kundenstock anteilsmäßig (= überwiegend) durch die Hausapotheke indiziert, weshalb keine ausschließliche Verwendung für die steuerfreien Umsätze gegeben sei.
Dagegen hat der Bf. mit folgender Begründung Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhoben:
Es handle sich bei der Aufgabe und Neueröffnung einer Kassenpraxis nicht um eine klassische Betriebsübertragung, sondern der Bf. habe seine Kassenverträge und auch seine Konzession für die Hausapotheke – ohne Möglichkeit einer Einflussnahme für die künftige Vergabe – zurückgelegt. Da sein Ordinationsnachfolger erst nach entsprechendem Ansuchen die Hausapothekenkonzession erhalten habe, habe er absolut keinen Grund gehabt dafür einen Geldbetrag zu überweisen.
Gänzlich anders verhalte sich die Situation bei der Patientenkartei. Gerade für einen neu beginnenden Arzt sei es von großer Wichtigkeit die Krankengeschichten der Patienten seines Sprengels zu kennen. Da sich diese Krankengeschichten im Eigentum des Bf. befunden hätten, wäre der Nachfolger bereit gewesen dafür den Betrag in Höhe von € 95.000,00 brutto zu bezahlen. Es obliege ausschließlich dem Geschick des in Pension gehenden Arztes seinem Nachfolger die Vorteile der Übernahme der Patientenkartei darzustellen und dafür einen entsprechenden Preis auszuhandeln.
In der am 28. Februar 2014 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Bf. Nachstehendes ausgeführt:
"Ergänzen möchte ich, dass die Sicht, die ich in der Beschwerde damals vertreten habe, auch vom Vertragspartner, dem Übernehmer der Arztordination, Herrn Dr. Z. bestätigt wurde. Die beiden Vertragspartner haben dezidiert vereinbart, nur für die Übertragung des Kundenstockes "Arztpraxis" ein Entgelt zu bezahlen bzw. zu erhalten. Aufgrund der Unsicherheit, ob die Hausapotheke wieder zugesprochen wird bzw. für wie lange diese erhalten bleibt, wurde dafür ausdrücklich kein Entgelt vereinbart."
Somit werde beantragt der Beschwerde stattzugeben, da der strittige Vorgang nach seiner Ansicht eine Lieferung und keine sonstige Leistung gewesen sei.
Der Vertreter der Amtspartei führte aus, dass das Finanzamt den angegebenen Sachverhalt im Zuge der Vorlage an das Bundesfinanzgericht nicht in Frage gestellt habe und die rechtliche Würdigung darauf, dass der Verkaufsgegenstand die Patientenkartei gewesen sei, aufgebaut habe.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 sind von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen ua. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt steuerfrei.
Nicht unter die Befreiung fallen Hilfsgeschäfte, wie zB die Veräußerung und Entnahme von Anlagevermögen sowie die Veräußerung der Praxis. In diesem Fall kann jedoch die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Z 26 in Betracht kommen (vgl. Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Wien 2011, § 6, Tz 417/16 und Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, UStG 1994, Band IV, § 6 Abs. 1 Z 19, Anm. 67).
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 26 UStG 1994 sind von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen die Lieferungen von Gegenständen, wenn der Unternehmer für diese Gegenstände keinen Vorsteuerabzug vornehmen konnte und die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach den Z 7 bis 25 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat, steuerfrei.
Steuerfrei ist die Lieferung von Gegenständen, wenn der Unternehmer keinen Vorsteuerabzug vornehmen konnte und die gelieferten Gegenstände stets ausschließlich für eine nach § 6 Abs. 1 Z 7 bis 25 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat. Gedacht ist an Fälle, in denen der Unternehmer Gegenstände für Zwecke einer (unecht) steuerfreien Tätigkeit erworben hat, daher vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen war, die Weiterlieferung dieser Gegenstände aber – etwa weil sie ein nicht befreites Hilfsgeschäft darstellt – nicht unter die Steuerbefreiung fällt. Die Befreiung soll in diesem Fall Doppelbelastungen verhindern. Warum der Vorsteuerabzug nicht vorgenommen werden konnte, ist unerheblich (vgl. Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Wien 2011, § 6, Tz 434).
Unter Bedachtnahme auf den vorhin angeführten, im vorliegenden Fall einzig – die Qualifikation des strittigen Umsatzes als Hilfsgeschäft im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Arzt bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen - in Frage kommenden Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Z 26 UStG 1994, konnte der Beschwerde aus nachstehenden Erwägungen kein Erfolg beschieden sein:
Nach dem Beschwerdevorbringen ist unbestritten, dass der Bf. seinem Ordinationsnachfolger die Daten der Patientenkartei, in der nach dem Ärztegesetz 1998 über jede zur Beratung oder Behandlung übernommene Person die Krankengeschichte einschließlich der verordneten Medikamente aufgezeichnet sind, gegen Bezahlung eines Betrages von € 95.000,00 brutto überlassen hat.
Zufolge § 51 Abs. 1 Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2001, ist der Arzt verpflichtet, Aufzeichnungen über jede zur Beratung oder Behandlung übernommene Person, insbesondere über den Zustand der Person bei Übernahme der Beratung oder Behandlung, die Vorgeschichte einer Erkrankung, die Diagnose, den Krankheitsverlauf sowie über Art und Umfang der beratenden, diagnostischen oder therapeutischen Leistungen einschließlich der Anwendung von Arzneispezialitäten und der zur Identifizierung dieser Arzneispezialitäten und der jeweiligen Chargen im Sinne des § 26 Abs. 8 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983, erforderlichen Daten zu führen und hierüber der beratenen oder behandelten oder zu ihrer gesetzlichen Vertretung befugten Person alle Auskünfte zu erteilen.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat der Kassenplanstellennachfolger, sofern ein solcher nicht gegeben ist der Ordinationsstättennachfolger, die Dokumentation von seinem Vorgänger zu übernehmen und für die der Aufbewahrungspflicht entsprechende Dauer (mindestens zehn Jahre – Abs. 3 leg. cit.) aufzubewahren. Er darf sie nur mit Zustimmung des betroffenen Patienten zur Erbringung ärztlicher Leistungen verwenden.
Ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, kann bei solchen Leistungen zweifelhaft sein, die sowohl Elemente der Lieferung als auch der sonstigen Leistung enthalten. Der Vorgang als Ganzes kann jedenfalls nur entweder eine Lieferung oder eine sonstige Leistung sein (Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung). Die Abgrenzung ist in solchen Fällen nach der überwiegenden wirtschaftlichen Bedeutung des einheitlich zu betrachtenden Wirtschaftsvorganges vorzunehmen. Entscheidend dabei ist, ob nach den Intentionen der Vertragspartner, nach dem objektiven wirtschaftlichen Gehalt des Vorganges und nach der Verkehrsauffassung die Elemente der sonstigen Leistung oder die Übertragung der Verfügungsmacht im Vordergrund stehen (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, UStG 1994, Band III, § 3 Abs. 1, Anm. 9).
Die Überlassung der Patientenkartei stellt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine sonstige Leistung dar, weil die Weitergabe der darin aufgezeichneten Informationen über die behandelten Patienten an den Ordinationsnachfolger nach dem objektiven wirtschaftlichen Gehalt des Vorganges und nach den Intentionen der Vertragspartner im Vordergrund steht. Denn die Kenntnis der Krankengeschichten der Patienten ist, wie auch der Bf. in der Beschwerdeschrift selbst ausführt, gerade für einen neu beginnenden Arzt von großer Wichtigkeit. Dafür sei er bereit gewesen den in Rede stehenden Betrag zu bezahlen. In diesem Zusammenhang ist das dem wirtschaftlichen Vorgang der Informationsweitergabe immanente Element der Lieferung eines Gegenstandes, die Übergabe des diesbezüglichen Datenträgers (elektronisch oder in Papierform), als unselbständige Nebenleistung der sonstigen Leistung zu qualifizieren.
An dieser Beurteilung vermögen auch die Ausführungen des bevollmächtigten Vertreters des Bf. in der mündlichen Verhandlung nichts zu ändern, da sich diese lediglich auf den unbestrittenen Sachverhalt beschränken.
Da demnach das strittige Hilfsgeschäft keine Lieferung eines Gegenstandes darstellt, ist auch der eingangs zitierte Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Z 26 UStG 1994, der die Lieferung von Gegenständen zur Voraussetzung hat, bereits aus diesem Grund nicht erfüllt.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
In der vorliegenden Beschwerde werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Beurteilung einer einheitlichen Leistung, die sowohl Elemente einer Lieferung als auch einer sonstigen Leistung enthält, nach der überwiegenden wirtschaftlichen Bedeutung anhand der Absicht der Vertragspartner, nach dem objektiven wirtschaftlichen Gehalt des Vorganges und nach der Verkehrsauffassung entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 14. März 1980, 2045/79). Die Revision ist somit unzulässig.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise: | Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Wien 2011, § 6, Tz 434 |