Übertragung stiller Rücklagen auf Gesellschafterzuschüsse bei Privatstiftungen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100126.2012
Entscheidungstext
Bahnhofplatz 7
4020 L
DVR: 2108837
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Marco Laudacher, in der Beschwerdesache der TSP, 4020 L, Landstr. 47, vom 12. August 2011, vertreten durch Firma OSG, gegen den Bescheid des Finanzamtes L vom 20. Juli 2011, hinsichtlich Körperschaftsteuer für 2009
zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die festgesetzte Abgabe beträgt:
| Bemessungsgrundlage | Abgabe | ||
Jahr | Art | Höhe | Art | Höhe |
2009 | Gesamtbetrag der Einkünfte | 16.459,92 € | Körperschaftsteuer | 4.114,98 € |
Bemessungsgrundlage Zwischensteuer 348.212,47 Körperschaftsteuer | 43.526,55 € 47.641,53 € | |||
Einbehaltene Steuerbeträge | -55,61 € | |||
Festgesetzte Körperschaftsteuer | 47.585,92 € |
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
A. Im Betriebsprüfungs- und Beschwerdeverfahren dargestellter Sachverhalt
1. Anlässlich einer Betriebsprüfung (BP) bei der Bw. für 2007 bis 2009 wurde folgendes festgestellt (Niederschrift vom 12.7.2011):
a. Vier Privatstiftungen, darunter auch die Bw., hätten mit Gesellschaftsvertrag vom 4. Juni 2009 die Firma SIG gegründet. Jede der beteiligten Privatstiftungen hätte am 22. Juni 2009 ein Stammkapital von 10.000,00 € eingezahlt und darauf einen Teil der im Jahr 2009 aufgelösten Übertragungsrücklage übertragen. Außerdem habe jede Privatstiftung am 2. November 2009 einen freiwilligen Gesellschafterzuschuss iHv 250.000,00 € geleistet und auch darauf einen Teil der aufgelösten Übertragungsrücklage übertragen.
b. Prüferfeststellung: Kämen einer neu gegründeten GmbH anlässlich der Anteilszeichnung freiwillig erbrachte Mehrleistungen zu (zB Einlagen oder freiwillige Gesellschafterzuschüsse), so könne dadurch die Übertragung stiller Reserven nur erreicht werden, wenn diese gemeinsam mit dem Nennkapital geleistet würden. Da die Gesellschafterzuschüsse erst über vier Monate nach Einzahlung des Stammkapitals erfolgt seien, käme es nicht zu einer Übertragung stiller Reserven gemäß § 13 Abs 4 KStG.
Auswirkung für 2009:
| 2009 |
Einkünfte gemäß § 13 Abs 3 KStG bisher | 477.867,82 € |
Erhöhung BP | 250.000,00 € |
Einkünfte laut BP | 727.867,82 € |
2. Gegen den aufgrund der BP ergangenen Körperschaftsteuerbescheid für 2009 wurde mit Schreiben vom 12. August 2011 Berufung eingelegt:
a. Es werde der Antrag gestellt, den Gesellschafterzuschuss an die 2009 gegründete SIG als Übertragung stiller Reserven anzuerkennen.
b. Streitpunkt sei die Übertragung stiller Reserven iSd § 13 Abs 4 KStG auf im Zuge der Gründung der Gesellschaft vereinbarte, aber erst vier Monate später tatsächlich bezahlte Gesellschafterzuschüsse. Die BP habe diese „späteren Zuschüsse“ nicht als übertragungsfähige Anschaffungskosten qualifiziert.
c. § 13 Abs 4 KStG sei der Übertragung stiller Reserven im Sinne des § 12 EStG nachgebildet (s Erläut RV 311/XXI zu § 13 Abs 1 KStG).
d. Der streitgegenständliche Gesellschafterzuschuss sei Teil der Anschaffungskosten (AK) der neu gegründeten GmbH und bereits im Zeitpunkt der Zusage als Teil der AK zu verbuchen, die spätere Zahlung ändere an der Einstufung als AK nichts mehr. Selbst bei späterer Zusage und Zahlung des Gesellschafterzuschusses würde es sich um nachträgliche Anschaffungskosten handeln.
Sogar eine nachträgliche AK-Erhöhung im Wege einer Bilanzänderung würde für die Übertragung stiller Reserven qualifizieren (s Jakom, 2008, § 12 Rz 35).
e. Die Rechtsmeinung der BP finde weder im Gesetzestext, noch in der Literatur eine Stütze und sei rechtswidrig. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Gesellschaftsgründung und dem tatsächlichen Gewähren eines Gesellschafterzuschusses lasse sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Die Gewährung eines Gesellschafterzuschusses hänge von den Plänen und Gestaltungsmöglichkeiten der Gesellschaft ab, die bei Gründung noch nicht gegeben seien. Da die Erfordernisse des Immobilienmarktes und die finanziellen Anforderungen mit einem Projekt in Zusammenhang zu bringen seien, erscheine es nicht zielführend, gleichzeitig mit der Gründung den Gesellschafterzuschuss einzubezahlen, wenn noch kein finanzieller Bedarf gegeben sei.
Diese Anspruchsvoraussetzungen seien erfüllt, weswegen von der steuerlich anzuerkennenden Übertragung der stillen Rücklage auszugehen sei.
Es werde daher beantragt der Berufung stattzugeben.
3. a. Am 24. Januar 2012 wurde die Berufung betreffend die Körperschaftsteuer 2009 dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
b. Aufgrund der am 16. April 2014 vom Steuerberater anlässlich einer Besprechung übergebenen Unterlagen, ergibt sich von der Gründung der SIG bis zur Zahlung des Zuschusses am 2. November 2009 folgender Ablauf:
- Gesellschaftsvertrag zur Gründung der SIG (Tochtergesellschaft) vom 4.6.2009, Notariatsakt vom 5.6.2009: Vier Privatstiftungen errichten die SIG mit einem Stammkapital von 40.000,00 €. Gegenstand des Unternehmens ist Erwerb, Errichtung, Sanierung, Erhaltung, An- und Vermietung und Verpachtung sowie Verwaltung von Immobilien und Mobilien, Durchführung von Leasinggeschäften und die Berechtigung von Handlungen, Geschäften und Maßnahmen, die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes notwendig bzw förderlich erscheinen.
- Protokoll über die außerordentliche Generalversammlung vom 5.6.2009 (Auszug): Zum Beschluss auf Leistung eines Agios fassen die Gesellschafter der vier Privatstiftungen den nachstehenden Beschluss: „Abweichend von den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag vom heutigen Tage, wonach die Gesellschafter jeweils zur Leistung einer Stammeinlage in der Höhe von 10.000,00 € verpflichtet sind, beschließen die Gesellschafter einstimmig die Leistung eines freiwilligen Gesellschafterzuschusses in der Form eines Agios in der Höhe von 250.000,00 € je Gesellschafter. Sämtliche Gesellschafter haben dieses Agio binnen 14 Tagen nach Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch auf das Konto der Gesellschaft einzubezahlen.“
- Änderungen im Stiftungsvorstand der Beschwerdeführerin am 10.6.2009.
- Antrag auf Eintragung der SIG beim Firmenbuch vom 6.7.2009.
- Eintragung der Firma SIG am 3.8.2009 im Firmenbuch.
- Archivierung der Änderungen im Stiftungsvorstand am 21.8.2009
- Eintragung der Änderung der Stiftungsurkunde im Firmenbuch am 10.9.2009.
- Besprechung mit der Sparkasse am 24.9.2009.
- Überweisung des Agios (Zuschuss) am 2.11.2009.
4. Gemäß Art. 151 Abs 51 Z 8 B-VG wurde mit 1. Jänner 2014 der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Verwaltungsgericht über. Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind am 31. Dezember 2013 anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs 1 B-VG zu erledigen. Das Verfahren betreffende Anbringen wirken ab 1. Jänner 2014 auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
B. Der Entscheidung zugrunde gelegter Sachverhalt
Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen geht von folgenden festgestellten (und im gegenständlichen Fall unbestrittenen) Sachverhalten aus:
Die Privatstiftung hat auf einen freiwilligen Gesellschafterzuschuss des Jahres 2009 einen Teil der aufgelösten Übertragungsrücklage übertragen. Der Gesellschafterzuschuss wurde im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbes zugesagt und rund vier Monate später ausbezahlt.
C. Rechtslage
1. a. Gemäß § 13 Abs 4 Z 1 KStG kann beim Verkauf einer Beteiligung im Sinne des § 31 EStG durch eine Privatstiftung die aufgedeckte stille Reserve von den Anschaffungskosten eines im Kalenderjahr der Veräußerung angeschafften Anteiles an einer Körperschaft, der mehr als 10% beträgt, abgesetzt werden (Übertragung stiller Reserven).
Die Ersatzbeteiligung ist ein 10%iger Anteil an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft.
b. Nach § 13 Abs 4 Z 4 KStG kann ein steuerfreier Betrag gebildet werden, wenn im Kalenderjahr der Aufdeckung keine Übertragung stiller Reserven erfolgt. Der steuerfreie Betrag kann innerhalb von 12 Monaten ab der Veräußerung der Beteiligung als stille Reserve im Sinne der Z 1-3 übertragen werden. Steuerfreie Beträge die nicht innerhalb dieser Frist übertragen werden, sind nach § 22 Abs 2 KStG zu versteuern.
c. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 311 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen betreffend BBG 2000 (BGBl Nr. I 142/2000) ist dazu angeführt: .... „Als weitere Maßnahme werden auch Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen gemäß § 31 EStG in die Zwischenbesteuerung einbezogen. ... Die Zwischenbesteuerung kann insoweit vermieden werden, als im Kalenderjahr der Veräußerung bzw innerhalb von 12 Monaten ab der Veräußerung eine mehr als 10% betragende Beteiligung an einer Körperschaft erworben wird und der Veräußerungsgewinn auf die Anschaffungskosten dieser Beteiligung übertragen wird. Die Regelung ist der Übertragung stiller Reserven im Sinne des § 12 EStG nachgebildet. In Anlehnung an diese Bestimmung ist auch die Bildung eines steuerfreien Betrages vorgesehen. Dieser ist innerhalb von zwölf Monaten ab der Veräußerung bestimmungsgemäß zu verwenden. Erfolgt keine bestimmungsgemäße Verwendung, ist der steuerfreie Betrag aufzulösen.“
d. Die aufgedeckten stillen Reserven gehen somit entweder
- auf die Anschaffungskosten einer neuen Beteiligung über (zur Gänze oder teilweise) bzw
- auf den steuerfreien Betrag, wenn eine Übertragung der aufgedeckten stillen Reserven vorerst nicht möglich ist.
2. Anschaffungskosten:
Stille Reserven können von den Anschaffungskosten angeschaffter Anteile an Körperschaften, die mehr als 10% betragen, abgesetzt werden. Zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung zählt jeder entgeltliche Erwerb, auch ein Tausch (Achatz/Kirchmayr, § 9, Rz 14). Für die Auslegung des Begriffes der Anschaffungskosten ist auf allgemeine ertragsteuerliche Grundsätze zurückzugreifen (Achatz/Kirchmayr, § 9, Rz 408). Es besteht ein Gleichklang zwischen den Begriffen der „Anschaffung der Beteiligung“ und den „Anschaffungskosten gemäß § 6 Z 2 lit a EStG“. Zu den Anschaffungskosten zählen Anschaffungsnebenkosten und nachträgliche Anschaffungskosten (s auch Doralt, EStG, § 6 Rz 187: Beteiligungen werden mit dem Teilwert bewertet. Zu den Anschaffungskosten gehören auch nachträgliche Anschaffungskosten). So kann zB die Leistung eines Zuschusses durch den Erwerber nach Anschaffung einer Beteiligung nachträglich die Anschaffungskosten erhöhen (Achatz/Kirchmayr, § 9, Rz 413).
3. Gesellschafterzuschüsse:
a. Gesellschafterzuschüsse sind Einlageleistungen in die Gesellschaft seitens des Anteilsinhabers. Durch den Gesellschafterzuschuss erhöht sich das Eigenkapital der Gesellschaft. Der Zuschuss ist in die nicht gebundene Kapitalrücklage einzustellen. Ertragsteuerlich fällt der Zuschuss unter den Tauschgrundsatz des § 6 Z 14 EStG, die Gegenleistung besteht in einer Werterhöhung der Beteiligung an der den Zuschuss empfangenden Körperschaft (Umgründungslexikon, Buchstabe G, Gesellschafterzuschuss; OGH 11.11.1999, URS 19). Die Zuführung der Mittel durch den Gesellschafter ist auf die Beteiligung zu aktivieren und als zusätzliche Anschaffungskosten zu behandeln (VwGH 28.11.2001, 99/13/0254).
b. Das vorangehend Gesagte gilt auch für Großmutterzuschüsse (VwGH 29.7.2010, 2007/15/0141; VwGH 18.4.2007, 2003/13/0053). Diese
- bewirken eine Doppeleinlage iSd § 8 Abs 1 KStG,
- eine Wertsteigerung beim Anteilseigner bezüglich der Gesellschaftsrechte,
- sind als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu aktivieren (bei der Tochter- und bei der Enkelgesellschaft; s auch Achatz/Kirchmayr, § 8, Rz 88),
- führen bei direkter Leistung an den Enkel zu einem abgekürzten Zahlungsweg, ändern aber an den vorherigen Schritten nichts (Wertanstieg der Gesellschaftsrechte) und
- zu einer zwingenden Durchaktivierung, unabhängig von der Behandlung im UGB.
c. Durch Gesellschafterzuschüsse erhöht sich grundsätzlich das Eigenkapital, also das Vermögen der Gesellschaft. Diese Vermögenserhöhung ist damit Grundvoraussetzung für die Wertsteigerung der Anteilsrechte. Es führen aber nicht alle Vertragsgestaltungen tatsächlich zu einer Erhöhung des Gesellschaftsvermögens (s EuGH 17.9.2002, C-392/00 zu einem zinslosen Darlehen in Verbindung mit einem Ergebnisabführungsvertrag), das ist vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen. Wird ein Gesellschafterzuschuss nur zum Schein hingegeben, entstehen keine nachträglichen Anschaffungskosten, auf die stille Reserven übertragbar sind.
D. Rechtliche Erwägungen zum festgestellten Sachverhalt
1. Nach der Lehre lassen verschiedene Arten von „Anschaffung“ eine Übertragung stiller Rücklagen zu:
a. Nach Drmola/Zipper, RdW 2001, 374 sind folgende Konstellationen denkbar:
Erwerb, Gesellschaftsgründung und Kapitalerhöhung:
Erwerb bestehender Anteile | Erstmalige Ausgabe der Anteile – Gesellschafts-gründung | Kapital-erhöhung | Kapital-erhöhung | Kapital-erhöhung |
mit Zuerwerb von Aktien und GmbH-Anteilen von mehr als 10% des Nominal-kapitals | mit Gründeranteil von mehr als 10% | aus Gesellschafts-mitteln (Gratisaktien) | als effektive Kapitalerhöhung ohne bisherige Beteiligung von mehr als 10% des erhöhten Gesamtkapitals | als effektive Kapitalerhöhung bei bestehender Beteiligung (auch bei verhältnis-wahrender Beteiligung), wenn die neuen Anteile mehr als 10% des Nominalkapitals ausmachen |
Begünstigt | Begünstigt | Kein Anschaffungs-vorgang | Begünstigt | Begünstigt |
Die Beteiligung muss sich nach Drmola/Zipper in wirtschaftlicher Betrachtungsweise um mehr als 10% erhöhen, nicht relevant ist dagegen, in welchem Ausmaß sich dadurch die Beteiligungsquote am Gesamtkapital erhöht.
b. Nach Stangl, Privatstiftungssteuerrecht, S. 261 f, liegen Anschaffungsvorgänge, die zu einer Übertragung stiller Reserven führen können, vor, wenn
- ein Beteiligungserwerb von mehr als 10% erfolgt (auch bei mehrfachen Anschaffungsvorgängen an ein und derselben Kapitalgesellschaft),
- ein Anteilserwerb von mehr als 10% im Rahmen der Gründung einer Kapitalgesellschaft oder im Rahmen einer ordentlichen Kapitalerhöhung erfolgt, wenn das Ausmaß der erworbenen Anteile mehr als 10% der gesamten Anteilsrechte beträgt,
- bei einer bestehenden mehr als 10%igen Beteiligung eine verhältniswahrende Kapitalerhöhung um mehr als 10% erfolgt und
- bei Erwerb eines Anteiles an einer Körperschaft von mehr als 10%, wenn anlässlich des Anteilserwerbes ein Gesellschafterzuschuss geleistet wird.
2. Übertragung stiller Reserven:
a. Die EB der RV zu § 31 EStG idF StRefG 1993 gehen von einem weiten Beteiligungsbegriff aus, stille Reserven aus Beteiligungsveräußerungen sind auch auf Gesellschafterzuschüsse übertragbar, die anteilig mehr als 10% des Gesellschaftskapitals ausmachen. Von den EB wird dabei vorausgesetzt, dass die Berücksichtigung der Zuschüsse nur insoweit möglich ist, als sie dem Gesellschafter auch tatsächlich zugerechnet werden können. Die Miteinbeziehung von Kapitalzuschüssen führt zur Loslösung von Nominalgrößen. Bloße Zuschüsse führen aber ebensowenig wie Agiobeträge zu zusätzlichen Vermögensrechten (zB Dividendenrecht, Teilnahme am Liquidationsgewinn). Leistet nur ein Gesellschafter einen Zuschuss, liegen nachträgliche Anschaffungskosten vor, es partizipieren aber die anderen Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote. Damit verändert der Zuschuss nichts an den gesellschaftsrechtlichen Vermögensrechten. Das legt für Teile der Lehre nahe, dass Kapitalrücklagen bei der Ermittlung des Ausmaßes der erworbenen Beteiligung nur berücksichtigt werden müssen, wenn sie zu einer gegenüber der nominellen Beteiligung abweichenden Verteilung des laufenden Gewinnes oder des Liquidationserlöses führen. Daher ist nach Teilen der Lehre eine Übertragung stiller Reserven iSd § 13 Abs 4 KStG auf einen Zuschuss der Privatstiftung an eine 100%-Tochter nicht möglich. Nur bei Erwerb einer nominellen Beteiligung von mehr als 10% und gleichzeitiger Stärkung der Kapitalbasis durch Leistung eines Zuschusses entstehen zusätzliche Anschaffungskosten, auf die Gewinne aus Beteiligungsveräußerungen übertragbar sind (Drmola/Zipper, RdW 2001, 374).
b. Folgende Überlegungen der BP haben zur Nichtanerkennung der Übertragung stiller Reserven im gegenständlichen Fall geführt:
Zwar liegen grundsätzlich Anschaffungskosten vor: Als Anschaffungskosten gelten alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Zu den Anschaffungskosten zählen auch nachträgliche Anschaffungskosten, die anfallen, nachdem das Wirtschaftsgut in die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Erwerbers gelangt ist und mit dem Erwerbsvorgang in kausalem oder zeitlichem Zusammenhang stehen. Auch Zuwendungen nicht rückzahlbarer Zuschüsse von der Großmuttergesellschaft an die Enkelgesellschaft sind beim Zuschussgeber aktivierungspflichtig (VwGH 28.11.2011, 99/13/0254; VwGH 29.7.2010, 2007/15/0141). Im vorliegenden Fall wurden die Zuschüsse erst Monate nach der Errichtung der Gesellschaft geleistet, auf deren Anteile die stillen Reserven übertragen werden sollen, sodass von nachträglichen Anschaffungskosten auszugehen ist.
Die BP verneint aber die Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven deshalb, weil die Zuschüsse nicht zeitgleich mit der Einzahlung des Nennkapitals erfolgten. Sie bezieht sich dabei offenkundig auf folgende Umstände:
- § 13 Abs 4 KStG ist dem § 12 EStG nachgebildet. In beiden Bestimmungen findet sich der Begriff des "Anteiles an einer Körperschaft". Dazu gehören seit dem StRefG 1993 nicht nur Gesellschaftsrechte, sondern auch anteilsartige Substanzrechte. Dabei ist der Begriff "Anteile an einer Körperschaft" iSd § 31 EStG im Zusammenhang mit § 8 Abs 2 und 3 KStG zu sehen. Alle diese Anteile stehen mit Vermögensrechten in Verbindung, die einen Anteil am laufenden Gewinn oder am Liquidationsgewinn vermitteln (Haunold, ecolex 1994, 256). Das gilt sowohl für den Bereich der Anteilsveräußerung, als auch für diejenigen Anteile, auf die stille Reserven übertragen werden sollen.
- Nach Drmola/Zipper, RdW 2001, 374 führt der (spätere) Zuschuss einer Privatstiftung an eine 100%-Tochter (oder analog an eine Enkeltochter) nicht zu Anschaffungskosten iSd § 13 Abs 4 KStG, weil er keine von der nominellen Beteiligung abweichende Verteilung des laufenden Gewinnes oder des Liquidationsgewinnes bewirken kann.
- Die BP stützt sich auf die (inhaltlich gleich lautende) Argumentation in den Stiftungsrichtlinien, Rz 117: Die Gewährung eines Zuschusses an eine bereits existente Tochtergesellschaft oder Enkelgesellschaft der Privatstiftung erhöht lediglich die Anschaffungskosten dieser Gesellschaft, stellt allerdings keine Anteilsanschaffung nach § 13 Abs 4 KStG dar: Gründet eine Privatstiftung am 6. Juni 03 eine AG als Alleingesellschafterin und veräußert sie am 22. April 04 eine Tochterbeteiligung mit stillen Reserven von 10.000.000,00 € (Zufluss 31.5.04), so stellen die Zuschüsse aus 04 mit je zweimal 3.500.000,00 € keinen Anschaffungsvorgang iSd § 13 Abs 4 KStG dar. Dagegen ist ein im Zuge einer Kapitalerhöhung geleistetes Agio als Anteilsanschaffung nach dieser Gesetzesstelle zu qualifizieren.
c. Die Rechtsansicht, wonach der Zuschuss unmittelbar beim Erwerb der Beteiligung zu leisten ist, um eine Übertragung stiller Reserven zu rechtfertigen, wird auch von anderen Kommentatoren vertreten. So wird in König/Schwarzinger, Körperschaften im Steuerrecht, Festschrift Werner Wiesner, S. 232 zB dazu ausgeführt: Bloße Erhöhungen der Anschaffungskosten einer bereits bestehenden Beteiligung in Form von Einlagen iSd § 8 Abs 1 KStG bzw § 6 Z 14 EStG (Zuschüsse) berechtigen nicht zu einer Übertragung stiller Reserven. Wird im Zuge einer Kapitalerhöhung jedoch für den Erwerb eines 10%-Anteiles ein Agio geleistet, so zählt diese Gesellschafterleistung zu den Anschaffungskosten der jungen Anteile, auf die gemäß § 13 Abs 4 KStG übertragen werden kann.
d. Dagegen bezweifelt Stangl in Arnold/Stangl/Tanzer, Privatstiftungssteuerrecht, 2. Auflage, S. 262, ob sich aus der Bestimmung des § 13 Abs 4 KStG eine derartige Einschränkung ableiten lässt. Insbesondere überzeuge die sich daraus ergebende Differenzierung zwischen Zuschüssen und verhältniswahrenden Kapitalerhöhungen nicht, weil in beiden Fällen die Beteiligungsquoten unverändert blieben und sowohl die Kapitalerhöhung als auch der Zuschuss beim Anteilseigner zu nachträglichen Anschaffungskosten führten.
e. Rechtliche Würdigung des Bundesfinanzgerichtes:
(1) Die Betriebsprüfung vertritt die Rechtsansicht, nur gemeinsam mit dem Nennkapital geleistete Zuschüsse könnten zu einer Übertragung stiller Reserven führen. Geleistet wurden die Zuschüsse aber erst mehr als vier Monate nach der Einzahlung des Nennkapitals. Die Bf. gibt dazu an, die Zuschüsse seien schon mit der Zusage als Teil der Anschaffungskosten anzusehen.
(2) Unbestritten ist, dass ein Gesellschafterzuschuss zu nachträglichen Anschaffungskosten führt:
Zu den Anschaffungskosten zählen auch nachträgliche Anschaffungskosten, die anfallen, nachdem das Wirtschaftsgut in die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Erwerbers gelangt ist und die mit dem Erwerbsvorgang in kausalem oder zeitlichem Zusammenhang stehen.
Die Zuführung von Mitteln an die Gesellschaft durch den Gesellschafter ist als Einlage anzusehen, die im Fall der Zugehörigkeit der Gesellschaftsbeteiligung zu einem Betriebsvermögen im Wert dieser Beteiligung aktiviert werden muss. Die Leistungen des Gesellschafters sind daher als zusätzliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu behandeln. Auch Zuwendungen nicht rückzahlbarer Zuschüsse von der Großmuttergesellschaft an die Enkelgesellschaft sind beim Zuschussgeber aktivierungspflichtig. Das gilt auch dann wenn Zuschüsse nicht in gleichem Ausmaß vom zweiten Gesellschafter geleistet worden sind und dieser daher keine oder im Verhältnis zur Beteiligung geringere Zuschüsse geleistet hat. Es besteht daher kein Zusammenhang zwischen der Beurteilung der Zuschüsse als nachträgliche Anschaffungskosten und der Frage, ob Zuschüsse auch durch andere Gesellschafter im gleichen Ausmaß erfolgten. Im Beschwerdefall wurden Umstände vorgebracht, wonach die Leistung der Zuschüsse (in ihrem vollen Umfang) wirtschaftlich geboten war (VwGH 28.11.2001, 99/13/0254); zur Herleitung der Zuschüsse als nachträgliche Anschaffungskosten s auch Herrmann/Heuer/Raupach, § 6, Rz 800; Urteil FG München vom 8.4.2008, Az 2 K 863/06; Urteil FG Kassel vom 25.6.2008, 4 K 1204/07.
(3) Nach der vorliegenden Rspr zur steuerlichen Behandlung von Zuschüssen geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass bei Gesellschafterzuschüssen entweder Anschaffungskosten (bei gleichzeitiger Leistung des Nennkapitals) oder nachträgliche Anschaffungskosten (bei späterer Leistung) vorliegen, sofern der Zuschuss wirtschaftlich geboten ist und dieser auf Dauer in der Kapitalgesellschaft verbleiben (bzw nicht rückgezahlt werden) soll.
Werden die Zuschüsse bereits bei Gründung der Tochtergesellschaft verbindlich zugesagt, stellt dies ein Indiz für einen kausalen Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang dar.
(4) Die Regelung des § 13 Abs 4 Z 1 und 4 KStG beinhaltet keine von diesen Rechtspositionen abweichenden Vorschriften. Die stillen Reserven können (binnen eines Jahres) auf Anschaffungskosten einer Beteiligung abgesetzt werden, die mehr als 10% beträgt. Diese Formulierung lässt keine inhaltliche Neudefinition des Begriffes der „Anschaffungskosten“ erkennen. Wären nachträgliche Anschaffungskosten, in völligem Gegensatz zum herkömmlichen Anschaffungskostenbegriff und zur Rechtsprechung bezüglich der Qualität von Zuschüssen (auch nach Erwerb des Wirtschaftsgutes „Beteiligung“), nicht zulässig, müsste dies der Regelung des § 13 Abs 4 KStG eindeutig zu entnehmen sein.
Die Betriebsprüfung hat ihre Auslegung der Unzulässigkeit einer Übertragung stiller Reserven bei späterer Zahlung des Zuschusses nicht auf eine nachvollziehbare Argumentation gestützt:
- Soweit die Lehre auf das Fehlen einer abweichenden Gewinnverteilung bei einer 100%-Beteiligung verweist (Drmola/Zipper, RdW 2001, 374), ist ihr entgegenzuhalten, dass ein Gesellschafterzuschuss selbst dann den Wert der Beteiligung erhöht, wenn nur ein Gesellschafter von mehreren den Zuschuss leistet. Für die Frage der Beteiligungswerterhöhung (die eine Voraussetzung für nachträgliche Anschaffungskosten darstellt) kommt es auf Umstände der Gewinnverteilung nicht an.
- Ebensowenig kann der Rechtsauffassung gefolgt werden, die nachträgliche Erhöhung der Anschaffungskosten führe zu keiner „Anteilsanschaffung“ iSd § 13 Abs 4 KStG (Stiftungsrichtlinien Rz 117). Wenn wie im vorliegenden Fall eine wirtschaftlich bedingte Einlage (Gesellschafterzuschuss) vorliegt und damit eine Werterhöhung der Beteiligung, die zu nachträglichen Anschaffungskosten führt, so ist nicht erkennbar, weshalb dieser Zuschuss nicht Teil des Beteiligungserwerbes sein sollte.
(5) Die Entsteuerung ist dem § 12 EStG 1988 nachgebildet (Erläut RV 311 BlgNr XXI GP ; König/Schwarzinger, Körperschaften im Steuerrecht, Festschrift für Werner Wiesner, Seite 231). Eine Übertragung iSd § 12 EStG konnte aber nicht nur auf unmittelbar beim Erwerb oder der Herstellung anfallende Anschaffungs- oder Herstellungskosten erfolgen, sondern auch auf nachträgliche Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes direkt im Jahr der Veräußerung oder von einer steuerfrei gebildeten Rücklage.
Die Rechtslage im Bereich des § 12 EStG bestätigt der Erlass des BMF vom 8. Januar 1993 (ecolex 1993, 275): „Eine Übertragung stiller Rücklagen auf einen aktivierungspflichtigen Gesellschafterzuschuss war nach § 12 EStG 1972 ausgeschlossen, ist aber durch die Erweiterung des Geltungsbereiches in EStG 1988 auf nachträgliche Anschaffungskosten seit 1989 möglich. Die vorgenannte Beurteilung steht unter dem Vorbehalt, dass für die gewählte Vorgangsweise ein werthaltiger Zuschuss vorliegt.“
§ 13 Abs 4 KStG definiert somit keinen eigenständigen Anschaffungskostenbegriff, sondern stellt auf das EStG ab. Die Info des Fachbereiches vom 5. August 2008 (SZK-010216/0114-ESt/2008), wonach nur mit dem Nennkapital geleistete Zuschüsse übertragungsfähig sein sollen, ist unbeachtlich, weil eine derartige Einschränkung dem Gesetz nicht zu entnehmen ist.
(6) Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass Gesellschafterzuschüsse, die einen kausalen Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung aufweisen, zu nachträglichen Anschaffungskosten führen, die um stille Reserven aus der Veräußerung einer Beteiligung (binnen eines Jahres) gekürzt werden können. Das Vorliegen eines Zuschusses, der den Wert der Beteiligung nicht erhöht hat, wurde nicht dargetan. Die vorliegenden Zuschüsse wurden unstrittig im Rahmen des Beteiligungserwerbes zugesagt und nach Abwicklung der umfangreichen Gründungsformalitäten auch geleistet. Damit liegen Anschaffungskosten eines Beteiligungserwerbes vor, auf die stille Reserven übertragen werden können.
(7) Die Bemessungsgrundlage für die Zwischensteuer bei der Körperschaftsteuer 2009 ermittelt sich demgemäß wie folgt (in €):
Einkünfte gemäß § 13 Abs 3 KStG (abzüglich Zuschuss 250.000,00 €) | 477.867,82 |
Zinserträge | 4.846,98 |
Zuwendungen 2009 | -66.502,33 |
Dotierung Übertragungsrücklage | -68.000,00 |
Bemessungsgrundlage Zwischensteuer | 348.212,47 |
Zwischensteuer (12,5%) | 43.526,55 |
Die Einkünfte gemäß § 13 Abs 3 KStG betragen 477.867,82 €, die Bemessungsgrundlage für die Zwischensteuer beträgt 348.212,47 (Zwischensteuer 43.526,55 €, bisher 74.776,56 €).
E. Zulässigkeit einer Revision
Die Revision an den VwGH ist zulässig. Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision erhoben werden, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn eine Rspr des VwGH fehlt.
Zu der bezeichneten Frage der Zulässigkeit einer Übertragung stiller Reserven auf Zuschüsse nach Beteiligungserwerb, liegt weder Rspr des VwGH noch des UFS (bzw BFG) vor.
Linz, am 25.4.2014
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 13 Abs. 4 Z 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 |