Abschnitt VI.
Gemischter Schiedsgerichtshof.
Artikel 256.
- a) Binnen drei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages wird zwischen jeder alliierten und assoziierten Macht einerseits und Österreich andrerseits ein Gemischter Schiedsgerichtshof gebildet. Jeder Schiedsgerichtshof besteht aus drei Mitgliedern. Jede der beteiligten Regierungen ernennt eines dieser Mitglieder. Der Vorsitzende wird auf Grund einer Vereinbarung zwischen den beiden beteiligten Regierungen ausgewählt.
- Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, so ernennt der Rat des Völkerbundes oder bis zu dem Zeitpunkt der Errichtung des Völkerbundes Herr Gustav Ador, falls er dazu bereit ist, den Vorsitzenden des Schiedsgerichtshofes sowie zwei weitere Personen, die den Vorsitzenden gegebenenfalls vertreten. Diese Personen müssen den Mächten angehören, die im Laufe des Krieges neutral geblieben sind.
- Sorgt eine Regierung nicht innerhalb eines Monats für die oben vorgesehene Ernennung eines Mitgliedes des Schiedsgerichtshofes auf eine unbesetzte Stelle, so wird das fehlende Mitglied von der gegnerischen Regierung aus den beiden oben außer dem Vorsitzenden genannten Personen ausgewählt.
- Der Schiedsgerichtshof entscheidet mit Stimmenmehrheit.
- b) Die gemäß Absatz a errichteten Gemischten Schiedsgerichtshöfe befinden über die Streitfragen, die laut Abschnitt III, IV, V und VII zu ihrer Zuständigkeit gehören.
- Außerdem regelt der gemischte Schiedsgerichtshof alle Streitfragen bezüglich der vor Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages zwischen Staatsangehörigen der alliierten und assoziierten Mächte und österreichischen Staatsangehörigen geschlossenen Verträge. Eine Ausnahme gilt für die Streitfragen, die nach den Gesetzen der alliierten, assoziierten oder neutralen Mächte zur Zuständigkeit der Landesgerichte dieser Mächte gehören. Derartige Streitfragen werden von den Landesgerichten unter Ausschluß des Gemischten Schiedsgerichthofes entschieden. Dem beteiligten Staatsangehörigen einer alliierten oder assoziierten Macht steht es jedoch frei, die Sache vor den Gemischten Schiedsgerichtshof zu bringen, sofern sein Landesgesetz dem nicht entgegensteht.
- c) Wenn die Anzahl der Sachen es erfordert, sind weitere Mitglieder zu ernennen, damit sich jeder Gemischte Schiedsgerichtshof in mehrere Abteilungen gliedern kann. Jede dieser Abteilungen wird entsprechend den obigen Vorschriften besetzt.
- d) Jeder Gemischte Schiedsgerichtshof ordnet sein Verfahren selbst, soweit es nicht durch die Bestimmungen der Anlage zu diesem Artikel geregelt ist. Er hat das Recht, die von der verlierenden Partei an Kosten und Auslagen zu zahlenden Beträge festzusetzen.
- e) Jede Regierung bezahlt die Bezüge des von ihr ernannten Mitgliedes des Gemischten Schiedsgerichtshofes und jedes Beauftragten, den sie bezeichnet, um sie vor dem Gerichtshof zu vertreten. Die Bezüge des Vorsitzenden werden durch besondere Vereinbarung zwischen den beteiligten Regierungen festgesetzt; diese Bezüge werden ebenso wie die gemeinsamen Ausgaben jedes Gerichtes je zur Hälfte von den beiden Regierungen getragen.
- f) Die Hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, durch ihre Gerichte und Behörden den Gemischten Schiedsgerichtshöfen jede irgend mögliche Rechtshilfe, insbesondere bei Übermittlung von Zustellungen und bei der Beweiserhebung gewähren zu lassen.
- g) Die Hohen vertragschließenden Teile kommen überein, die Entscheidungen des Gemischten Schiedsgerichtshofes als endgültig anzusehen und sie für ihre Staatsangehörigen verbindlich zu machen.
Zuletzt aktualisiert am
23.02.2023
Gesetzesnummer
10000044
Dokumentnummer
NOR12001162
alte Dokumentnummer
N1192019808S
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