ANHANG ZUM PROTOKOLL
SCHIEDSVERFAHREN
Artikel 1
- 1. Das Schiedsgericht wird in Übereinstimmung mit dem Protokoll einschließlich dieses Anhangs gebildet und nimmt seine Aufgaben auf dieser Grundlage wahr.
- 2. Der in diesem Anhang genannte Sekretär ist der Generalsekretär des Ständigen Schiedshofs.
Artikel 2
- 1. Jede Vertragspartei ist berechtigt, bis zu drei Schiedsrichter zu benennen; mindestens einer von ihnen wird innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Protokolls für die betreffende Vertragspartei benannt. Jeder Schiedsrichter muss Erfahrung in Angelegenheiten der Antarktis besitzen, gründliche Kenntnisse im Völkerrecht haben und wegen seiner Unparteilichkeit, fachlichen Eignung und Ehrenhaftigkeit höchstes Ansehen genießen. Die Namen der so benannten Personen bilden die Liste der Schiedsrichter. Jede Vertragspartei führt jederzeit den Namen mindestens eines Schiedsrichters auf der Liste.
- 2. Vorbehaltlich des Absatzes 3 bleibt ein von einer Vertragspartei benannter Schiedsrichter fünf Jahre auf der Liste; er kann von der betreffenden Vertragspartei für jeweils weitere fünf Jahre wiederbenannt werden.
- 3. Eine Vertragspartei, die einen Schiedsrichter benannt hat, kann dessen Namen von der Liste zurückziehen. Stirbt ein Schiedsrichter oder zieht eine Vertragspartei den Namen eines von ihr benannten Schiedsrichters aus irgendeinem Grund von der Liste zurück, so notifiziert die Vertragspartei, die den betreffenden Schiedsrichter benannt hat, dies dem Sekretär umgehend. Ein Schiedsrichter, dessen Name von der Liste zurückgezogen worden ist, bleibt so lange in dem Schiedsgericht tätig, in das er berufen worden ist, bis das Verfahren vor diesem Gericht beendet ist.
- 4. Der Sekretär sorgt dafür, dass die Liste der nach diesem Artikel benannten Schiedsrichter jederzeit auf dem neuesten Stand ist.
Artikel 3
- 1. Das Schiedsgericht setzt sich aus drei Schiedsrichtern zusammen, die wie folgt bestellt werden:
- (a) Die das Verfahren einleitende Streitpartei bestellt einen Schiedsrichter, der ihr Staatsangehöriger sein kann, aus der in Artikel 2 genannten Liste. Diese Bestellung wird in der in Artikel 4 genannten Notifikation angegeben.
- (b) Innerhalb von 40 Tagen nach Eingang dieser Notifikation bestellt die andere Streitpartei den zweiten Schiedsrichter, der ihr Staatsangehöriger sein kann, aus der in Artikel 2 genannten Liste.
- (c) Innerhalb von 60 Tagen nach der Bestellung des zweiten Schiedsrichters bestellen die Streitparteien einvernehmlich den dritten Schiedsrichter, aus der in Artikel 2 genannten Liste. Der dritte Schiedsrichter darf weder Staatsangehöriger einer Streitpartei noch von einer Streitpartei für die in Artikel 2 genannte Liste benannt sein oder dieselbe Staatsangehörigkeit wie einer der beiden ersten Schiedsrichter ist Vorsitzender des Schiedsgerichts.
- (d) Wird der zweite Schiedsrichter nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist bestellt oder haben sich die Streitparteien innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht über die Belastung des dritten Schiedsrichters geeinigt, so werden der oder die Schiedsrichter auf Antrag einer der Streitparteien innerhalb von 30 Tagen nach Eingang dieses Antrags vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs aus der in Artikel 2 genannten Liste und vorbehaltlich der unter den Buchstaben b und c vorgeschriebenen Bedingungen bestellt. Bei der Wahrnehmung der ihm unter diesem Buchstaben zugewiesenen Aufgaben konsultiert der Präsident des Gerichtshofs die Streitparteien.
- (e) Ist der Präsident des Internationalen Gerichtshofs nicht imstande, die ihm unter Buchstabe d zugewiesenen Aufgaben wahrzunehmen, oder ist er Staatsangehöriger einer Streitpartei, so werden die Aufgaben vom Vizepräsidenten des Gerichtshofs wahrgenommen; ist der Vizepräsident nicht imstande, diese Aufgaben wahrzunehmen, oder ist er Staatsangehöriger einer Streitpartei, so werden die Aufgaben vom dienstältesten verfügbaren Mitglied des Gerichtshofs wahrgenommen, das nicht Staatsangehöriger einer Streitpartei ist.
- 2. Freigewordene Sitze werden in der für die erste Bestellung vorgeschriebenen Weise besetzt.
- 3. Bei Streitigkeiten zwischen mehr als zwei Vertragsparteien bestellen die Vertragsparteien, die eine Streitgenossenschaft bilden, innerhalb der in Absatz 1 Buchstabe b angegebenen Frist einvernehmlich einen Schiedsrichter.
Artikel 4
Die das Verfahren einleitende Streitpartei notifiziert dies schriftlich der anderen Streitpartei oder den anderen Streitparteien und dem Sekretär. Die Notifikation enthält das Klagebegehren und die Gründe, auf die sich dieses stützt. Die Notifikation wird vom Sekretär allen Vertragsparteien übermittelt.
Artikel 5
- 1. Sofern die Streitparteien nichts anderes vereinbaren, findet das Schiedsverfahren in Den Haag statt, wo die Akten des Schiedsgerichts geführt werden. Das Schiedsgericht gibt sich eine Verfahrensordnung. Die Verfahrensordnung muss sicherstellen, dass jede Streitpartei uneingeschränkt Gelegenheit hat, gehört zu werden und ihren Fall darzulegen; sie muss auch gewährleisten, dass das Verfahren zügig durchgeführt wird.
- 2. Das Schiedsgericht kann über Widerklagen, die sich aus der Streitigkeit ergeben, verhandeln und entscheiden.
Artikel 6
- 1. Ist das Schiedsgericht der Auffassung, aufgrund des Protokolls prima facie (nach dem ersten Anschein) zuständig zu sein, so kann es
- (a) auf Antrag einer Streitpartei diejenigen vorläufigen Maßnahmen angeben, die es für erforderlich hält, um die Rechte jeder Streitpartei zu sichern
- (b) die vorläufigen Maßnahmen anordnen, die es unter den gegebenen Umständen für angemessen hält, um schwere Schäden für die antarktische Umwelt oder die abhängigen und verbundenen Ökosysteme zu verhindern.
- 2. Die Streitparteien befolgen umgehend die nach Absatz 1 Buchstabe b angeordneten Maßnahmen, bis ein Schiedsspruch nach Artikel 10 gefällt wird.
- 3. Ungeachtet der in Artikel 20 des Protokolls festgelegten Frist kann eine Streitpartei jederzeit durch eine nach Artikel 4 an die andere Streitpartei oder die anderen Streitparteien und den Sekretär gerichtete Notifikation beantragen, dass das Schiedsgericht mit außerordentlicher Dringlichkeit gebildet wird, damit es vorläufige Sofortmaßnahmen in Übereinstimmung mit diesem Artikel aufzeigt oder anordnet. In diesem Fall wird das Schiedsgericht so bald wie möglich in Übereinstimmung mit Artikel 3 gebildet; die in Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b, c und d vorgesehenen Fristen werden jedoch jeweils auf 14 Tage verkürzt. Das Schiedsgericht entscheidet über den Antrag auf vorläufige Sofortmaßnahmen innerhalb von zwei Monaten nach der Bestellung seines Vorsitzenden.
- 4. Nach einer Entscheidung des Schiedsgerichts über einen Antrag auf vorläufige Sofortmaßnahmen in Übereinstimmung mit Absatz 3 erfolgt die Beilegung der Streitigkeit nach den Artikeln 18, 19 und 20 des Protokolls.
Artikel 7
Jede Vertragspartei, die eine rechtliches Interesse allgemeiner oder besonderer Art behauptet, das durch den Spruch des Schiedsgerichts erheblich beeinträchtigt werden könnte, kann dem Verfahren beitreten, sofern das Schiedsgericht nicht anders entscheidet.
Artikel 8
Die Streitparteien erleichtern die Arbeit des Schiedsgerichts und werden ihm insbesondere in Übereinstimmung mit ihren Rechtsvorschriften und mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln alle sachdienlichen Schriftstücke vorlegen und Auskünfte erteilen und ihm die Möglichkeit geben, soweit nötig Zeugen oder Sachverständige zu laden und ihre Aussagen einzuholen.
Artikel 9
Erscheint eine der Streitparteien nicht vor dem Schiedsgericht oder unterlässt sie es, sich zur Sache zu äußern, so kann jede andere Streitpartei das Schiedsgericht ersuchen, das Verfahren fortzuführen und seinen Schiedsspruch zu fällen.
Artikel 10
- 1. Das Schiedsgericht entscheidet die ihm unterbreiteten Streitigkeiten auf der Grundlage des Protokolls und sonstiger geltender Regeln und Grundsätze des Völkerrechts, die mit dem Protokoll nicht unvereinbar sind.
- 2. Das Schiedsgericht kann eine ihm unterbreitete Streitigkeit ex aequo et bono entscheiden, sofern die Streitparteien dies vereinbaren.
Artikel 11
- 1. Bevor das Schiedsgericht seinen Spruch fällt, muss es sich vergewissern, dass es für die Streitigkeit zuständig ist und dass das Begehren oder die Widerklage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht begründet ist.
- 2. Der Schiedsspruch ist mit einer Begründung der Entscheidung zu versehen; er wird dem Sekretär zugeleitet, der ihn allen Vertragsparteien übermittelt.
- 3. Der Schiedsspruch ist endgültig und für die Streitparteien sowie für jede dem Verfahren beigetretene Vertragspartei bindend; er muss unverzüglich befolgt werden. Auf Antrag einer Steuerpartei oder einer beitretenden Vertragspartei legt das Schiedsgericht den Spruch aus.
- 4. Der Schiedsspruch ist nur in Bezug auf die betreffende Streitigkeit bindend.
- 5. Sofern das Schiedsgericht nichts anderes beschließt, werden die Kosten des Schiedsgerichts, einschließlich der Vergütung der Schiedsrichter, von den Streitparteien zu gleichen Teilen getragen.
Artikel 12
Alle Entscheidungen des Schiedsgerichts, einschließlich derjenigen in den Artikeln 5, 6 und 11, bedürfen der Mehrheit der Schiedsrichter; Stimmenthaltung ist nicht zulässig.
Artikel 13
- 1. Dieser Anhang kann durch eine nach Artikel IX Absatz 1 des Antarktis-Vertrags beschlossene Maßnahme geändert oder ergänzt werden. Sofern die Maßnahme nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, gilt die Änderung oder Ergänzung als genehmigt und tritt ein Jahr nach Beendigung der Konsultativtagung zum Antarktis-Vertrag, auf der sie beschlossen wurde, in Kraft, sofern nicht eine oder mehrere Konsultativparteien des Antarktis-Vertrags während dieser Frist dem Verwahrer notifizieren, dass sie eine Fristverlängerung wünschen oder dass sie die Maßnahme nicht genehmigen können.
- 2. Jede Änderung oder Ergänzung dieses Anhangs, die nach Absatz 1 in Kraft tritt, tritt danach für jede andere Vertragspartei in Kraft, sobald deren Genehmigungsanzeige beim Verwahrer eingegangen.
Zuletzt aktualisiert am
08.09.2021
Gesetzesnummer
20011652
Dokumentnummer
NOR40237850
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