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Artikel 1 GATT - Entwicklungsländer - differenzierte Regelungen

Aktuelle FassungIn Kraft seit 28.11.1979

Artikel 1

1. Ungeachtet des Artikels I des Allgemeinen Abkommens *) können die Vertragsparteien den Entwicklungsländern 1) eine differenzierte und günstigere Behandlung gewähren, ohne diese Behandlung den anderen Vertragsparteien zu gewähren.

2. Absatz 1 findet Anwendung auf 2):

  1. a) präferenzielle Zollbehandlung seitens der entwickelten Vertragsparteien für Waren mit Ursprung in Entwicklungsländern gemäß dem Allgemeinen Präferenzsystem 3);
  2. b) differenzierte und günstigere Behandlung in bezug auf die Bestimmungen des Allgemeinen Abkommens betreffend nichttarifliche Maßnahmen, die Gegenstand von Bestimmungen von im Rahmen des GATT auf multilateraler Ebene ausgehandelten Instrumenten sind;
  3. c) regionale oder weltweite Vereinbarungen, die weniger entwickelte Vertragsparteien zum gegenseitigen Abbau oder zur gegenseitigen Beseitigung von Zöllen und — in Übereinstimmung mit den Kriterien oder Bedingungen, die von den VERTRAGSPARTEIEN festgelegt werden können — zum gegenseitigen Abbau oder zur gegenseitigen Beseitigung nichttariflicher Maßnahmen auf Erzeugnisse, die diese weniger entwickelten Länder voneinander einführen, schließen;
  4. d) besondere Behandlung zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder unter den Entwicklungsländern im Rahmen allgemeiner oder spezifischer Maßnahmen zugunsten der Entwicklungsländer.

3. Jede im Rahmen dieser Klausel vorgesehene differenzierte und günstigere Behandlung

  1. a) muß so gestaltet werden, daß sie den Handel der Entwicklungsländer erleichtert und fördert und für den Handel aller anderen Vertragsparteien keine Hemmnisse errichtet oder ungebührliche Schwierigkeiten schafft;
  2. b) darf nicht ein Hindernis für die Verringerung oder Beseitigung von Zöllen und sonstigen Handelsbeschränkungen auf Meistbegünstigungsbasis darstellen;
  3. c) muß, wenn sie von entwickelten Vertragsparteien an Entwicklungsländer gewährt wird, so gestaltet und erforderlichenfalls geändert werden, daß sie den Entwicklungs-, Finanz- und Handelsbedürfnissen der Entwicklungsländer positiv Rechnung trägt.

4. 4) Jede Vertragspartei, die Vorkehrungen trifft, um eine Regelung gemäß den Absätzen 1, 2 und 3 einzuführen, oder zu einem späteren Zeitpunkt Vorkehrungen trifft, um die differenzierte und günstigere Behandlung zu ändern oder zurückzunehmen, hat

  1. a) dies den VERTRAGSPARTEIEN zu notifizieren und ihnen alle von ihnen in diesem Zusammenhang für angemessen erachteten Angaben mitzuteilen;
  2. b) auf Ersuchen jeder interessierten Vertragspartei angemessene Gelegenheit für Konsultationen innerhalb kürzester Frist über jede sich ergebende Schwierigkeit oder Frage zu bieten. Die VERTRAGSPARTEIEN führen auf Antrag der jeweiligen Vertragspartei mit allen betroffenen Vertragsparteien im Hinblick auf für alle diese Vertragsparteien befriedigende Lösungen Konsultationen über die Angelegenheit.

5. Die entwickelten Länder erwarten keine Gewährung der Gegenseitigkeit für die Von ihnen in Handelsverhandlungen übernommenen Verpflichtungen zum Abbau oder zur Beseitigung von Zöllen und anderen sonstigen Hemmnissen für den Handel der Entwicklungsländer, das heißt, die entwickelten Länder erwarten von den Entwicklungsländern nicht, daß sie bei Handelsverhandlungen Leistungen erbringen, die mit ihren eigenen Entwicklungs-, Finanz- und Handelsbedürfnissen unvereinbar sind. Die entwickelten Vertragsparteien versuchen folglich von den weniger entwickelten Vertragsparteien keine Zugeständnisse zu erwirken, die mit deren Entwicklungs-, Finanz- und Handelsbedürfnissen unvereinbar sind; ebenso wenig sind die weniger entwickelten Vertragsparteien verpflichtet, solche Zugeständnisse zu machen.

6. Mit Rücksicht auf die besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die besonderen Entwicklungs-, Finanz- und Handelsbedürfnisse der am wenigsten entwickelten Länder üben die entwickelten Länder äußerste Zurückhaltung bei dem Streben nach Zugeständnissen oder Leistungen für Verpflichtungen, die sie zum Abbau oder zur Beseitigung von Zöllen und sonstigen Hemmnissen für den Handel dieser Länder eingehen; ebensowenig werden von den am wenigsten entwickelten Ländern Zugeständnisse oder Leistungen erwartet, die mit ihren anerkannten besonderen Verhältnissen und Problemen unvereinbar sind.

7. Die von den entwickelten und den weniger entwickelten Vertragsparteien im Rahmen der Bestimmungen des Allgemeinen Abkommens gewährten Zugeständnisse, erbrachten Leistungen und übernommenen Verpflichtungen sollten die Grundziele des Allgemeinen Abkommens einschließlich der in der Präambel und im Artikel XXXVI aufgestellten Ziele erreichen helfen. Die weniger entwickelten Vertragsparteien erwarten, daß ihre Fähigkeit, Leistungen zu erbringen oder ausgehandelte Zugeständnisse zu gewähren oder andere gegenseitig vereinbarte Maßnahmen im Rahmen der Bestimmungen und Verfahren des Allgemeinen Abkommens zu treffen, mit der fortschreitenden Entwicklung ihrer Wirtschaft und Verbesserung ihrer Handelssituation zunimmt, und erwarten folglich, verstärkt an den Rechten und Pflichten aus dem Allgemeinen Abkommen teilzunehmen.

8. Besonders zu berücksichtigen ist, daß die am wenigsten entwickelten Länder auf Grund ihrer besonderen wirtschaftlichen Lage und ihrer Entwicklungs-, Finanz- und Handelsbedürfnisse ernste Schwierigkeiten haben, Zugeständnisse zu gewähren und Leistungen zu erbringen.

9. Die Vertragsparteien arbeiten an Vereinbarungen zur Überprüfung des Funktionierens dieser Bestimmungen mit, wobei sie die Notwendigkeit individueller und gemeinsamer Bemühungen der Vertragsparteien, den Entwicklungsbedürfnissen der Entwicklungsländer und den Zielen des Allgemeinen Abkommens zu entsprechen, im Auge behalten.

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1) Der in diesem Text verwendete Begriff „Entwicklungsländer“ bezieht sich auch auf die Entwicklungsgebiete.

*) Kurzbezeichnung für Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT).

2) Den VERTRAGSPARTEIEN steht es frei, auf einer Ad-hoc-Basis im Rahmen der GATT-Bestimmungen über gemeinsames Vorgehen Vorschläge für eine differenzierte und günstigere Behandlung zu prüfen, die nicht unter den Anwendungsbereich dieses Absatzes fallen.

3) Entsprechend der Definition im Beschluß der VERTRAGSPARTEIEN vom 25. Juni 1971 betreffend die Einführung von „allgemeinen, nicht reziproken und nichtdiskriminierenden Präferenzen zum Nutzen der Entwicklungsländer“ (BGBl. Nr. 6/1972).

4) Diese Bestimmungen berühren t die Rechte der Vertragsparteien aus dem Allgemeinen Abkommen.

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