Heimaufenthalt – Isolierung eines Bewohners trotz negativer COVID-19-Tests

Bearbeiter: Wolfgang KolmaschRechtsnews 2996723.11.2020

HeimAufG: § 4, § 12

AußStrG: § 58 Abs 1 Z 1, § 66 Abs 1 Z 1

In einem Altersheim kann die Isolierung eines Bewohners mit Außenkontakt während des Quarantänezeitraums trotz negativer COVID-19-Tests als Freiheitsbeschränkung zulässig sein, wenn aufgrund der Demenzerkrankung keine gelinderen Mittel zum Schutz der Mitbewohner zur Verfügung stehen (wie Abstandsregeln und Mund-Nasen-Schutz).

Eine Gehörverletzung kann im Außerstreitverfahren nur dann zur Aufhebung der Entscheidung führen, wenn sie zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen konnte.

Im Verfahren über die Zulässigkeit der Isolierung des dementen Bewohners aufgrund der COVID-19-Pandemie verschaffte sich das Gericht keinen persönlichen Eindruck von dem Bewohner, zog ihn nicht der Verhandlung bei, führte die Verhandlung nicht in der Einrichtung durch und holte weder ein Pflegegutachten noch ein medizinisch-psychiatrisches Gutachten ein. Da im Verfahren ausschließlich das Infektionsrisiko und die Präventionsmöglichkeiten zu klären waren, stellen diese Umstände mangels Entscheidungsrelevanz keine in dritter Instanz aufgreifbaren Verfahrensmängel dar.

OGH 23. 9. 2020, 7 Ob 151/20m

Anmerkung

Der Heimbewohner, der an schwerer Demenz leidet und permanenter Betreuung und Begleitung bedarf, war nach der Rückkehr von einem Krankenhausaufenthalt von 30. 3. bis 21. 4 2020 in seinem Zimmer isoliert, um eine Ansteckung der anderen Bewohner, deren Durchschnittsalter 84 Jahre beträgt, auszuschließen. Aufgrund der kognitiven Einschränkungen war dem Bewohner die Notwendigkeit von Abstandsregeln und eines Mund-Nasenschutzes zum Schutz der anderen Bewohner nicht vermittelbar. Die insgesamt vier COVID-19-Tests, die am Beginn und am Ende sowie aufgrund von Fieberschüben während der Isolierung durchgeführt wurden, verliefen negativ. Nach den Feststellungen kann das Virus durch solche Tests jedoch nur bei 32 bis 63 % der tatsächlich Infizierten nachgewiesen werden.

Im Revisionsrekursverfahren ging es nur noch um die Frage, ob die letzte Woche der Isolierung materiell zulässig war (der vorangehende Zeitraum war mangels Meldung formell unzulässig). Der OGH gelangte in Hinblick auf die festgestellte geringe Aussagekraft der Tests, die vulnerable Mitbewohnergruppe und die fehlende Möglichkeit gelinderer Mittel zur Auffassung, dass die Freiheitsbeschränkung durch Isolierung für den damals üblichen Quarantänezeitraum von 14 Tagen ab der letzten Infektionssymptomatik (Fieberschub) zulässig war.