4. COVID-19-Gesetz - Zivilrecht

GesetzgebungZivilrechtKolmaschJänner 2021

 Ua Mietzins-Moratorium bei Wohnungsmieten, Aufschiebung von Räumungsexekutionen, Stundung von Kreditraten, Klarstellungen zu bisher getroffenen Maßnahmen

Inkrafttreten

5.4.2020

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

11.1.2021

Betroffene Normen

IO, NO

Betroffene Rechtsgebiete

Zivilverfahrensrecht, Miet- und Wohnrecht, Schuldrecht, Exekutionsrecht

Quelle

BGBl I 2020/24

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Bundesgesetzblattgesetz, das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, das Parteiengesetz 2012, das KommAustria-Gesetz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984, das ORF-Gesetz, das Volksbegehrengesetz 2018, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Kraftfahrgesetz 1967, das Führerscheingesetz, die Straßenverkehrsordnung 1960, das Schifffahrtsgesetz, das Seilbahngesetz 2003, das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996, das Ökostromgesetz 2012, das KWK-Gesetz, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz, das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz, die Insolvenzordnung, die Notariatsordnung, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden sowie ein 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz - 2. COVID-19-JuBG), ein Bundesverfassungsgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (COVID-19 Begleitgesetz Vergabe) und ein Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes beschlossen werden (4. COVID-19-Gesetz), BGBl I 2020/24 vom 4. 4. 2020 (AB 116 BlgNR 27. GP ; 403/A 27. GP ).

Einleitung

Wie das 2. COVID-19-Gesetz , mit dem ua das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz  (1. COVID-19-JuBG) erlassen worden ist, enthält das 4. COVID-19-G zahlreiche Maßnahmen im Bereich der Justiz, mit denen die aktuelle außergewöhnliche Situation bewältigt werden soll. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf Maßnahmen, die Schuldner in bestimmten Bereichen (Wohnungsmiete, Verbraucherkredite) vor den Folgen eines pandemiebedingten Zahlungsverzugs schützen sollen. Diese sind in einem eigenen Gesetz gesammelt (2. COVID-19-JuBG). Darüber hinaus werden zum Teil auch bereits getroffene Maßnahmen wieder abgeändert.

Die Regelungen sind mit 5. 4. 2020 in Kraft getreten und treten grundsätzlich mit Ende 2020 außer Kraft.

Anpassungen des 1. COVID-19-JuBG

  • Gesetzliche Klarstellung zur Neuberechnung verfahrensrechtlicher Fristen nach Unterbrechung gem § 1 1. COVID-19-JuBG: Der erste Tag nach der Fristunterbrechung (vorerst der 1. 5. 2020) wird bei der Berechnung nicht mitgezählt. Daher endet eine 14-Tages-Frist mit Ablauf des 15. 5. 2020 und eine 4-Wochen-Frist mit Ablauf des 29. 5. 2020.11Zur Problematik siehe Schindl, Das 2. COVID-19-Gesetz und ein altes Fristenproblem, Zak 2020/192, 113; Kolmasch, Unterbrechung und Hemmung von Fristen aufgrund der COVID-19-Krise, Zak 2020/193, 115. Allerdings nimmt der Gesetzgeber bei dieser Klarstellung auf § 125 ZPO Bezug, obwohl aufgrund materieller Derogation eigentlich die Berechnungsregeln des EuFrÜb maßgeblich sind (Kolmasch, Zak 2020/193, 115 [116]).
  • Ersetzung des in § 3 1. COVID-19-JuBG vorgesehenen gesetzlichen Abfertigungsstopps für gerichtliche Erledigungen durch eine Verordnungsermächtigung.

Notariatsakte und Beglaubigungen

  • Errichtung notarieller Urkunden (insb von Notariatsakten) und Vornahme von Unterschriftenbeglaubigungen unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten (§ 90a NO). Mit einer Novelle zur Notar-E-Identifikations-V (BGBl II 2020/185) wurden nähere Regelungen zur Identitätsprüfung eingeführt. Die zunächst als COVID-19-Maßnahme befristet eingeführte generelle Möglichkeit zur Nutzung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten für Notariatsakte und Unterschriftenbeglaubigungen wurde zu einer Dauereinrichtung.22BGBl I 2020/157.

Mietzinsmoratorium

Unabhängig vom anwendbaren Mietzinsregime (Voll-, Teil- oder Nichtanwendungsbereich des MRG) hat der Gesetzgeber für Wohnungsmieten mit dem 2. COVID-19-JuBG ein Mietzinsmoratorium bezüglich der von 1. 4. bis 30. 6. 2020 fälligen Zahlungen eingeführt. Allerdings greift das Moratorium nicht voraussetzungslos ein. Der Mieter kann sich nur dann darauf berufen, wenn er die  Mietzinse deshalb nicht oder nicht vollständig entrichtet, weil er als Folge der COVID-19-Pandemie „in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich“ beeinträchtigt ist. Nach den Materialien liegt eine erhebliche Beeinträchtigung zB dann vor, wenn der Mieter aufgrund der Pandemie seinen Job verloren hat oder seine selbstständige Erwerbstätigkeit wegen behördlicher Maßnahmen, Quarantäne oder einer durch COVID-19 bedingten Spitalsbehandlung „wochenlang“ nicht ausüben kann (AB 116 BlgNR 27. GP ).

Rechtsfolgen des Moratoriums:

  • Der Verzug mit den im Zeitraum von 1. 4. bis 30. 6. 2020 fälligen Mietzinszahlungen kann vom Vermieter bis Ende Juni 2022 nicht als Kündigungs- oder Aufhebungsgrund herangezogen werden (§ 1 und § 17 Abs 2 2. COVID-19-JuBG).
  • Die für diesen Zeitraum offenen Beträge können bis Ende März 202133Beachte die Verlängerung durch BGBl I 2020/157. nicht eingeklagt oder aus der Kaution abgedeckt werden (§ 1 2. COVID-19-JuBG).
  • Da die Fälligkeit unberührt bleibt (reine Stundung), fallen für den Zahlungsrückstand Verzugszinsen an. Sofern der Mietvertrag vor dem 1. 4. 2020 geschlossen worden ist, sind diese Verzugszinsen auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 % pro Jahr beschränkt (§ 3 2. COVID-19-JuBG). Dass der Mieter nicht verpflichtet ist, die Kosten einer außergerichtlichen Betreibung zu ersetzen (wie § 3 2. COVID-19-JuBG für Altverträge festhält), ergibt sich hier generell bereits aus dem Stundungszweck.

Verlängerung befristeter Mietverträge

Räumungsexekution

Um die Gefahr der Obdachlosigkeit zu vermindern, hat das Gericht im Zeitraum bis Ende 2020 eine Räumungsexekution nach § 349 EO über eine Wohnung auf Antrag des Verpflichteten ohne Sicherheitsleistung aufzuschieben (§ 6 2. COVID-19-JuBG).

Der Aufschub setzt voraus,

  • dass die Wohnung für das dringende Wohnbedürfnis des Verpflichteten und seiner Haushaltsangehörigen unentbehrlich ist,
  • und dass auf der anderen Seite die Räumung nicht zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des betreibenden Gläubigers unerlässlich ist. Von Unerlässlichkeit gehen die Materialien bspw dann aus, wenn ein dringender Eigenbedarf besteht oder der Gläubiger die zu räumende Wohnung bereits weitervermietet hat und dringend auf die Mieteinnahmen angewiesen ist (AB 116 BlgNR 27. GP ).

Die Fortsetzung erfolgt nur auf Antrag des betreibenden Gläubigers. Der Antrag kann nach Beendigung der COVID-19-Maßnahmen, spätestens aber sechs Monate nach Bewilligung des Aufschubs gestellt werden. Mindestens hat der Aufschub drei Monate zu dauern, sofern nicht das dringende Wohnbedürfnis des Verpflichteten wegfällt.

Stundung von Kreditraten

Der in § 2 2. COVID-19-JuBG vorgesehene Schutz für Kreditnehmer greift bei Verbraucherkrediten und Krediten an Kleinstunternehmer ein, sofern der Kreditvertrag vor dem 15. 3. 2020 abgeschlossen worden ist. Er umfasst:

  • Die Fälligkeit von Kreditraten, die im Zeitraum von 1. 4. 2020 bis 30. 6. 2020 fällig werden, verschiebt sich mangels abweichender Vereinbarung oder vertragsgemäßer Zahlung um jeweils drei Monate nach hinten. Verzugszinsen fallen nicht an.
  • Bis zum Ablauf der Stundung ist eine Kündigung des Kreditvertrags wegen Zahlungsverzugs oder Verschlechterung der Vermögensverhältnisse ausgeschlossen. Mit Zahlungsverzug sind hier wohl andere Rückstände gemeint, da die gestundeten Beträge ja gar nicht fällig sind.
  • Eine Frist, die für die Inanspruchnahme von Sicherheiten nach der letzten Fälligkeit vorgesehen ist, verlängert sich entsprechend.
  • Mangels einvernehmlicher Regelung für den Zeitraum nach 30. 6. 2020 verlängert sich die Laufzeit des Kreditvertrags um drei Monate.

Voraussetzung für den Schutz ist, dass

  • der Verbraucher aufgrund der COVID-19-Pandemie Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass die Zahlung der im oben angeführten Zeitraum fällig werdenden Kreditraten den angemessenen Lebensunterhalt gefährden würde, bzw
  • dass das Kleinstunternehmen diese Kreditraten pandemiebedingt nicht oder nicht ohne Gefährdung seiner wirtschaftlichen Grundlagen zahlen kann.

Hinweis

Der Stundungszeitraum wurde in zwei Schritten auf zehn Monate (bis 31. 1. 2021) verlängert.44BGBl I 2020/58 und BGBl I 2020/113.

Allgemeine Beschränkung von Verzugsfolgen

  • Für zwischen 1. 4. und 30. 6. 2020 fällig werdende Zahlungen schränkt § 3 2. COVID-19-JuBG generell bei allen vor 1. 4. 2020 geschlossenen Vertragsverhältnissen die Verzugsfolgen bis Ende Juni 2022 ein. Der Schuldner hat unabhängig vom vertraglichen vereinbarten Zinssatz lediglich den gesetzlichen Zinssatz von 4 % als Verzugszinsen zu leisten und muss Kosten von außergerichtlichen Betreibungsmaßnahmen nicht ersetzen. Voraussetzung ist, dass der Zahlungsverzug auf eine erhebliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Die gerichtliche Geltendmachung ist nicht ausgeschlossen bzw aufgeschoben.
  • Wer in Leistungsverzug gerät, weil er pandemiebedingt die Leistung aufgrund der angeordneten Erwerbsbeschränkungen oder wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht erbringen kann, muss eine vereinbarte Konventionalstrafe nicht bezahlen, auch wenn diese kein Verschulden voraussetzt (§ 4 2. COVID-19-JuBG). Diese Regelung gilt nur in vor 1. 4. 2020 eingegangenen Vertragsverhältnissen und ist bis Ende Juni 2022 in Kraft (§ 17 Abs 2 2. COVID-19-JuBG).

Insolvenzverfahren

  • Fristen im Insolvenzverfahren werden von der Unterbrechung prozessualer Fristen nach § 1 1. COVID-19-JuBG ausgenommen (§ 7 Abs 1 2. COVID-19-JuBG). Bereits unterbrochene Fristen beginnen mit 5. 4. 2020 neu zu laufen  (wobei dieser Tag bei der Berechnung der neuen Frist nicht mitzuzählen ist).
  • Das Gericht erhält die Möglichkeit, gesetzliche Fristen von Amts oder auf Antrag um höchstens 90 Tage zu verlängern (§ 7 Abs 2 2. COVID-19-JuBG). Zum Teil hängt die Verlängerung von bestimmten Voraussetzungen ab.
  • Aussetzung von besonderen Zustellungen an Gläubiger (§ 8 2. COVID-19-JuBG).
  • Vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung bis Ende Juni 2020 (§ 9 2. COVID-19-JuBG). Diese Maßnahme wurde bis 31. 11. 2021 verlängert.55BGBl I 2020/58 und BGBl I 2020/113.
  • Anfechtungsausschluss für unbesicherte Überbrückungskredite (§ 10 2. COVID-19-JuBG).
  • Möglichkeit zur Stundung der Zahlungsplanraten für maximal neun Monate (§ 11 2. COVID-19-JuBG).

Vermischtes

 



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