Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz

GesetzgebungZivilrechtKolmaschMärz 2022

Umsetzung der Warenkauf- RL 2019/771 und der Digitale-Inhalte-RL 2019/770 ; Sondergewährleistungsrecht für bestimmte Verbrauchergeschäfte (Warenkauf, digitale Leistungen) 

Inkrafttreten

1.1.2022

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

8.3.2022

Betroffene Normen

ABGB, KSchG, VGG

Betroffene Rechtsgebiete

Schuldrecht

Quelle

BGBl I 2021/175

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG) erlassen wird sowie das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz – GRUG), BGBl I 2021/175 vom 9. 9. 2021 (AB 980 BlgNR 27. GP ; RV 949 BlgNR 27. GP ; 107/ME 27. GP ).

Einleitung

Das Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (GRUG) dient zur Umsetzung der Warenkauf-RL 2019/771 (WKRL) und der Digitale-Inhalte-Richtlinie 2019/770 (DIRL), die – abgesehen von einigen Optionsmöglichkeiten – dem Vollharmonisierungsprinzip folgen. Zu diesen Richtlinien siehe Zak 2019/383, 204, Zak 2019/384, 208 und Zak 2020/6, 5. Die Umsetzung erfolgt durch Änderungen im KSchG und das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG). Außerdem sind einige Anpassungen im Gewährleistungsrecht des ABGB vorgesehen.

Die neue Rechtslage tritt am 1. 1. 2022 in Kraft und ist grundsätzlich nur auf ab diesem Tag abgeschlossene Verträge anwendbar (§ 29 VGG; § 1503 Abs 20 ABGB; § 41a Abs 35 KSchG).

Im Folgenden werden die wesentlichen Neuerungen vorgestellt.

Anwendungsbereich des VGG

Das neue Sondergewährleistungsrecht des VGG gilt für Verbrauchergeschäfte

  • über den Kauf von Waren (dh beweglichen körperlichen Sachen), auch wenn sie erst herzustellen sind (Werklieferungsverträge), sowie
  • über die Bereitstellung digitaler Leistungen (Inhalte und Dienstleistungen) gegen Zahlung oder Überlassung personenbezogener Daten (§ 1 Abs 1 VGG).

Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind ua der Kauf von Tieren, bestimmte elektronische Kommunikationsdienste, Gesundheits-, Finanz- und Glückspieldienstleistungen sowie der Verkauf im Rahmen gerichtlicher Maßnahmen wie einer Zwangsvollstreckung (§ 1 Abs 2 VGG).

Relativ zwingendes Recht

Von den Regelungen des VGG kann nicht zum Nachteil des Verbrauchers durch Vereinbarung abgewichen werden (§ 3 VGG). Vereinbarungen, die der Verbraucher erst nach Verständigung des Unternehmers vom Mangel abschließt, sind allerdings von diesem relativ zwingenden Charakter ausgenommen.

Mangelbegriff

Der Begriff des Mangels wird im VGG über die vertraglich vereinbarten und die objektiv erforderlichen Eigenschaften der Ware oder Leistung definiert (§§ 4 f VGG). Von den objektiv erforderlichen Eigenschaften (etwa üblichen oder aufgrund einer Probe, einem Muster oder einer Testversion zu erwartenden Eigenschaften) kann zwar durch Vereinbarung abgewichen werden, dies aber nur unter besonderen Anforderungen. Der Verbraucher muss von der Abweichung vor Vertragsabschluss „eigens“ in Kenntnis gesetzt werden sowie „ausdrücklich und gesondert“ zustimmen.

Wie das allgemeine Gewährleistungsrecht (§ 924 ABGB) sieht das VGG eine Vermutung der Mangelhaftigkeit im Übergabe- bzw Bereitstellungszeitpunkt vor, wobei die Vermutungsfrist auf ein Jahr verlängert wird (§ 11 Abs 1 und § 19 Abs 1 VGG). Bei fortlaufenden digitalen Leistungen trifft den Unternehmer die Beweislast für die Vertragsmäßigkeit während des gesamten Bereitstellungszeitraums (§ 11 Abs 2 und § 19 Abs 2 VGG).

Aktualisierungspflicht

Mit § 7 VGG, der ausnahmsweise auch auf zwischen Unternehmern geschlossene Verträge anwendbar ist (§ 1 Abs 3 VGG), wird für digitale Leistungen sowie Waren mit digitalen Elementen (zB Smart-TV, Smartwatch) eine Aktualisierungspflicht eingeführt, die über das klassische Gewährleistungskonzept (Haftung für bei Übergabe bestehende Mängel) hinausreicht. Der Unternehmer hat die Aktualisierungen zur Verfügung zu stellen, die zur Aufrechterhaltung der Mängelfreiheit während des Aktualisierungszeitraums erforderlich sind. Die Aktualisierungspflicht kann durch Individualvereinbarung ausgeschlossen werden.

Der Aktualisierungszeitraum hängt davon ab, ob die digitale Leistung nach dem Vertrag einzeln auf Dauer (zB E-Book mit unbefristetem Nutzungsrecht) oder fortlaufend im Sinn eines Zugangs (zB zu einem Videoportal) bereitzustellen ist (vgl ErlRV 22 f). Im zweiten Fall besteht die Aktualisierungspflicht während der Dauer der Bereitstellungspflicht, bei Waren mit digitalen Elementen aber für mindestens zwei Jahre nach Übergabe. Im ersten Fall ist der Aktualisierungszeitraum mit der objektiv erwartbaren Zeitspanne definiert.

Gewährleistungsbehelfe

Wie das allgemeine Gewährleistungsrecht sieht das VGG eine Rangfolge der Gewährleistungsbehelfe vor, die dem Unternehmer eine zweite Chance sichert, den mangelfreien Zustand herzustellen (§ 12 und § 20 VGG). Primär besteht im Rahmen der Gewährleistung der Anspruch auf Verbesserung oder Austausch. Die Wahl zwischen diesen primären Behelfen hat beim Warenkauf der Verbraucher, bei der Bereitstellung digitaler Leistungen (sofern man hier überhaupt differenzieren kann) der Unternehmer. Unter bestimmten Voraussetzungen, die an das allgemeine Gewährleistungsrecht angelehnt sind, im Detail aber teilweise davon abweichen, kann auf die sekundären Behelfe Preisminderung und Vertragsauflösung (bisher Wandlung) umgestiegen werden. Alle Behelfe können durch eine formfreie Erklärung geltend gemacht werden.

Gewährleistungsfrist

Abweichend vom bisherigen Verständnis der Gewährleistungsfrist als Verjährungsfrist versteht das VGG unter Gewährleistungsfrist nur noch den Zeitraum, in dem der Mangel hervorkommen bzw auftreten muss, um gewährleistungsrechtliche Folgen auszulösen (§ 10 und § 18 VGG; siehe auch EuGH C-133/16 , Ferenschild/JPC Motor = Zak 2017/418, 243). An die Gewährleistungsfrist schließt die Verjährungsfrist an, innerhalb deren der Gewährleistungsanspruch eingeklagt oder – zur Erhaltung der einredeweisen Geltendmachung – der Mangel dem Unternehmer angezeigt werden muss (§ 28 VGG). Diese neue Konzeption wird auch in das allgemeine Gewährleistungsrecht übernommen (§ 933 ABGB).

Die Gewährleistungsfrist beträgt im Anwendungsbereich des VGG grundsätzlich zwei Jahre und läuft ab Übergabe, die dreimonatige Verjährungsfrist beginn mit Ablauf der Gewährleistungsfrist. Zu Besonderheiten siehe die folgende Übersichtstabelle.

   

Vorliegen des Mangels

Hervorkommen des Mangels
(Gewährleistungsfrist)

Verjährungsfrist

Waren

Allgemein

Sachmangel

Bei Übergabe

2 Jahre ab Übergabe

3 Monate ab Ablauf der Gewährleistungsfrist

Rechtsmangel

Bei Übergabe

2 Jahre nach Kenntnis

Fortlaufend bereitzustellende digitale Elemente

Sachmangel

Gesamter Bereitstellungszeitraum (mindestens 2 Jahre ab Übergabe)

Gesamter Bereitstellungszeitraum (mindestens 2 Jahre ab Übergabe)

3 Monate ab Ablauf der Gewährleistungsfrist

Rechtsmangel

Gesamter Bereitstellungszeitraum (mindestens 2 Jahre ab Übergabe)

Gesamter Bereitstellungszeitraum (mindestens 2 Jahre ab Übergabe)

2 Jahre ab Kenntnis; frühestens 3 Monate nach Ablauf der Gewährleistungsfrist

Digitale Leistungen

Einzelleistungen

Sachmangel

Bei Bereitstellung

2 Jahre ab Bereitstellung

3 Monate ab Ablauf der Gewährleistungsfrist

Rechtsmangel

Bei Bereitstellung

2 Jahre nach Kenntnis

Fortlaufende Leistungen (Zugang)

Sachmangel

Gesamter Bereitstellungszeitraum

Gesamter Bereitstellungszeitraum

3 Monate ab Ablauf der Gewährleistungsfrist

Rechtsmangel

Gesamter Bereitstellungszeitraum

Gesamter Bereitstellungszeitraum

2 Jahre ab Kenntnis; frühestens 3 Monate nach Ablauf der Gewährleistungsfrist

Vertragsänderungsrecht

Bei fortlaufenden digitalen Leistungen kann sich der Unternehmer gem § 27 VGG im Vertrag das Recht zur Vertragsanpassung aus triftigem Grund einräumen lassen, wobei die Änderung und der Grund in der Anpassungsklausel konkret angeführt sein müssen. Eine zusätzliche Kostenbelastung des Verbrauchers darf dadurch nicht entstehen. Der Verbraucher kann den Vertrag kostenfrei auflösen, wenn sein Zugang oder seine Nutzung durch die Änderung mehr als geringfügig beeinträchtigt werden.

Weitere Änderungen

KSchG
  • Eigene verbraucherrechtliche Verzugsregelung (§ 7c und § 7d KSchG): Abweichend von § 918 ABGB kann die Nachfristsetzung nach den Materialien (ErlRV 46) nicht mehr mit der bedingten Rücktrittserklärung verbunden werden, sondern der Rücktritt eines Verbrauchers vom Vertrag wegen Leistungsverzugs des Unternehmers erfordert zwei zeitlich aufeinanderfolgende Erklärungen (Leistungsaufforderung mit Nachfrist, Rücktrittserklärung). Im Fall des Verzugs mit der Bereitstellung digitaler Leistungen ist zwar keine Nachfristsetzung erforderlich, der Verbraucher kann jedoch ebenfalls erst nach Aufforderung und dem Abwarten einer kurzen Zeitspanne oder der vereinbarten Nachfrist vom Vertrag zurücktreten. Ein weiterer Unterschied zum allgemeinen Verzugsrecht (§ 919 ABGB) besteht beim Fixgeschäft, weil der Vertrag nicht automatisch, sondern erst durch eine Rücktrittserklärung des Verbrauchers wegfällt.
  • Überarbeitete Garantieregelung (nun in § 9a KSchG): Ua eigenes Transparenzgebot, Regelung der Haltbarkeitsgarantie, Bindung an Werbeaussagen.
ABGB
  • Anpassung der Terminologie an das VGG: Vertragsauflösung statt Wandlung (§ 932 ABGB).
  • Übernahme der Differenzierung zwischen der (hier zwei- bis dreijährigen) Gewährleistungsfrist und der anschließenden dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 933 ABGB).
  • Überarbeitung des gewährleistungsrechtlichen Rückgriffs nach § 933b ABGB: Neu ist insb, dass der Anspruch gegen den Vormann nicht mit dem an diesen geleisteten Entgelt begrenzt ist (vgl 3 Ob 243/18h = Zak 2019/274, 154), sondern den gesamten Verbesserungsaufwand umfasst, sofern dem Vormann die Möglichkeit gegeben wurde, den Mangel selbst zu beheben. Außerdem wird die relative Verjährungsfrist von zwei auf drei Monate verlängert.



Stichworte