1. Der erste Handelsangestellten-KV 1948
Als im Jahr 1948 der erste bundeseinheitliche Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs abgeschlossen wurde, geschah dies in einer der schwierigsten Perioden der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Die Zerstörung wichtiger Produktionsstätten, weitreichende Schäden am Verkehrsnetz sowie eine akute Knappheit an Produktionsmitteln und Energie hatten die österreichische Wirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg in eine tiefe Krise gestürzt. Der Mangel an Nahrungsmitteln und Bedarfsartikeln führte zu einem ständigen Steigen der Lebenshaltungskosten, während das Realeinkommen nach dem Krieg auf ein Drittel des Niveaus von 1937 gesunken war. Versuche, die Realeinkommen durch höhere Geldeinkommen zu erhöhen, misslangen und führten letztlich dazu, dass die verfügbare Geldmenge das vorhandene Warenangebot um ein Vielfaches überstieg. Um ein Fortschreiten der Inflation zu vermeiden, einigten sich die Bundeswirtschaftskammer, die Landwirtschaftskammer, die Arbeiterkammern, die Industriellenvereinigung und der Gewerkschaftsbund darauf, eine zentrale Lenkung der Preise und Löhne vorzunehmen. Als Institution, in deren Rahmen entsprechende Abkommen getroffen werden sollten, wurde die Wirtschaftskommission eingerichtet, deren Tätigkeit die Wirtschaftspartnerschaft einleitete und 1957 schließlich zur Gründung der Paritätischen Kommission führte. Im Juli 1947 wurde – in Form eines Kollektivvertrags zwischen der Bundeswirtschaftskammer und dem ÖGB – das erste von insgesamt fünf Preis- und Lohnabkommen abgeschlossen, das die Handelsspannen und Lebensmitteldetailpreise, die Tarife öffentlicher Verkehrsmittel sowie die Gas- und Strompreise festsetzte und die Löhne und Gehälter diesen Beträgen anpasste. Daneben wurde ein sog „Lohnstopp“, eine Art Stillhalteabkommen verankert, der die Kollektivvertragsparteien in ihrem Recht, Löhne und Gehälter festzusetzen, beschränkte. Auch das Kollektivvertragsgesetz 1947, BGBl 76/1947, hielt angesichts der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse vorerst an einer staatlichen Lenkung der Lohnpolitik fest, sodass gem § 45 Abs 2 KVG die Festsetzung kollektivvertraglicher Löhne und Gehälter einer Genehmigung durch die Zentrallohnkommission bedurfte.
