Als Heilversuch bezeichnet das deutsche Schrifttum die Abweichung vom ärztlichen Standard, die in der individuell konkreten Behandlungssituation angelegt ist, entweder weil der Standard im konkreten Fall nicht weiterhilft oder aber ein Standard für die konkrete Behandlungssituation fehlt, im Unterschied zur klinischen Prüfung allerdings einzelfallbezogen und nicht im Rahmen einer klinischen Forschungsreihe.589 Auch für Österreich muss man die Zulässigkeit von Heilversuchen dann anerkennen, wenn mit schulmedizinischen Methoden nichts mehr erreicht werden kann, der Patient umfassend aufgeklärt wurde und der Heilversuch objektiv betrachtet auch noch einen Sinn ergibt. Dies deshalb, weil § 49 Abs 1 ÄrzteG zwar den Arzt verpflichtet, von den Regeln der medizinischen Wissenschaft auszugehen, diese aber nur eine Orientierung bedeuten und letztendlich das Wohl des Kranken im Vordergrund steht, also über schulmedizinische Kenntnisse hinausgegangen werden kann, wenn dies mit dem Wohl des Kranken gerechtfertigt werden kann. Der Charakter der Einzelfallbezogenheit, die den Heilversuch von klinischen Studien unterscheidet, geht nicht dadurch verloren, dass eine noch nicht erprobte Heilmethode unter den zuvor genannten Bedingungen an einer größeren Anzahl von Patienten durchgeführt wird.590 Seite 129

