Der Widerruf ist nicht rechtswidrig, aber vom Auftraggeber zu vertreten, wenn der Widerruf in einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen andere Bestimmungen des BVergG, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbares Gemeinschaftsrecht begründet ist. Das Tatbestandsmerkmal „hinreichend qualifiziert“ ist dabei nach dem Willen der Gesetzesverfasser iS der Judikatur des EuGH zur Staatshaftung auszulegen.3610 Ein hinreichend qualifizierter Verstoß liegt nach dieser Judikatur jedenfalls dann vor, wenn die Grenzen eines Ermessens offenkundig und erheblich überschritten wurden3611 oder einschlägige Rsp offenkundig verkannt worden ist.3612 Wie die Materialien in diesem Zusammenhang ausführen, gehört zu den Gesichtspunkten, die bei der Beantwortung der Frage, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß des Auftraggebers vorliegt, zu berücksichtigen sind, „[…] das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen oder Gemeinschaftsbehörden belässt, die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen oder der Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und der Umstand, dass die Verhaltensweisen eines Gemeinschaftsorgans möglicherweise dazu beigetragen haben, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrechterhalten wurden“.3613 Bei falscher, aber vertretbarer Rechtsauffassung liegt allerdings kein hinreichend qualifizierter Verstoß vor.3614
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