1. Nationale Reformbestrebungen
1.1. Bewegung im Bilanzsteuerrecht
1.1.1. „Internationalisierung“ des Bilanzsteuerrechts
1.1.1.1. Drohende „Veralterung“ des Bilanzsteuerrechts?
In der Diskussion rund um die Erneuerung des österreichischen Bilanzsteuerrechts spielte die Frage einer Anknüpfung der steuerlichen Gewinnermittlung an die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS stets eine Rolle.1262 Diese Überlegung ist aus dem Blickwinkel der nach IAS/IFRS bilanzierenden Unternehmen auch nachvollziehbar: Die IAS-Verordnung der EU verpflichtet kapitalmarkorientierte Unternehmen seit 2005 ihren Konzernabschluss nach den internationalen Rechnungslegungsvorschriften IAS/IFRS zu erstellen.1263 Nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen können ihren Konzernabschluss wahlweise nach IAS/IFRS erstellen, eine Verpflichtung trifft sie nach der IAS-Verordnung dazu aber nicht. Zudem stellt es die IAS-Verordnung den Mitgliedstaaten frei, die Anwendung der Rechnungslegungsvorschriften der IAS/IFRS auch auf die Erstellung des Einzelabschlusses auszudehnen.1264 Österreich hat von dieser Möglichkeit bislang nicht Gebrauch gemacht; der Einzelabschluss ist nach den nationalen Rechnungslegungsvorschriften des Unternehmensrechts zu erstellen. Daraus ergibt sich die Situation, dass Unternehmen, die einen IAS/IFRS-Konzernabschluss einreichen müssen, in einem ersten Schritt auch einen IAS/IFRS-Einzelabschluss erstellen, um eine taugliche Grundlage für den IAS/IFRS-Konzernabschlusses zu schaffen. Für diese Zwecke ist der UGB-Einzelabschluss auf einen IAS/IFRS-Einzelabschluss überzuleiten. Der IAS/IFRS-Einzelabschluss hat aber keine befreiende Wirkung und muss mit anderen Worten zusätzlich zum verpflichtenden UGB-Einzelabschluss erstellt werden.1265 Die Erstellung eines IAS/IFRS-Konzernabschlusses und die dafür notwendige - wenn auch nicht befreiende - Erstellung eines IAS/IFRS-Einzelabschlusses führen dazu, dass für nach IAS/IFRS bilanzierende Unternehmen die Bedeutung der nationalen Rechnungslegungsvorschriften für Zwecke der Rechnungslegung insgesamt im Schwinden begriffen ist.1266 Der Grund dafür ist die generelle Ausrichtung ihres Rechnungswesens an den internationalen Standards der IAS/IFRS. Dennoch bleibt diesen Unternehmen die Erstellung eines UGB-Einzelabschlusses nicht erspart. Für Zwecke der Rechnungslegung wird dieser Umstand als administrativer Mehraufwand wahrgenommen.1267 Die nationalen Rechnungslegungsvorschriften des Unternehmensrechts und insbesondere ihre strenge Ausrichtung am Vorsichtsprinzip erscheinen - im unmittelbaren Vergleich mit den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS - veraltet.1268 Da die steuerliche Gewinnermittlung de lege lata über das Maßgeblichkeitsprinzip an den UGB-Einzelabschluss anknüpft, ist dieser auch Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung gem § 5 Abs 1 EStG. Im Schrifttum wurde folglich darauf hingewiesen, das österreichische Bilanzsteuerrecht drohe insgesamt zu „veralten“.1269

