1. Grundsatznorm zum Besuchsrecht
Das Besuchsrecht zwischen Kind und Eltern ist sowohl in der österreichischen als auch in der deutschen Rechtsordnung verankert. So bestimmt der österreichische § 148 Abs 1 ABGB, dass das minderjährige Kind und der mit diesem nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Elternteil das Recht haben, miteinander persönlich zu verkehren. Das deutsche Pendant, § 1684 Abs 1 BGB176, normiert: „Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.“ Während sich das österreichische Recht mit dieser Bestimmung allein begnügt, geht die deutsche Rechtsordnung darüber hinaus und normiert eine Grundsatznorm zum Umgang. Diese findet sich am Anfang des Fünften Titels des BGB im Absatz 3 der Generalnorm zur elterlichen Sorge, § 1626. Programmatisch wird hier als allgemeiner Grundsatz Folgendes festgelegt: „Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.“ Obwohl der durch das KindRG neu eingefügte § 1626 Abs 3 BGB weder eigene Rechte des Kindes, der Eltern oder anderer Bezugspersonen begründet - diese ergeben sich ausschließlich aus §§ 1684 f BGB177 - noch Sanktionen bzw Rechtsfolgen enthält, stellt er mehr als einen bloßen Programmsatz dar. Vielmehr ist der in ihm enthaltene Grundsatz bei Bestimmungen, in denen das Kindeswohl eine entscheidende Bedeutung besitzt, zu berücksichtigen. Damit wird zB klargestellt, dass eine Vereitelung des Umgangs in besonderen Fällen zu gerichtlichen Maßnahmen nach § 1666 BGB bis hin zum Entzug der elterlichen Sorge führen kann.178 § 1626 Abs 3 BGB soll also ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Umgang nicht lediglich im Interesse des umgangsberechtigten Elternteils gewährt wird, sondern insbesondere (auch) dem Interesse des Kindes und seiner Entwicklung dient, der Umgang demgemäß ein Pflicht-Recht der Eltern ist.179

