Checkliste Purpose

Inhouse Counsel CornerArbeitshilfenReichetsederJuni 2025

Das „Warum“ der Rechtsabteilung

Purpose und Grundsätze für Inhouse-Jurist:innen

Die Rechtsabteilung ist längst nicht mehr nur reaktive Beraterin oder juristische Kontrollinstanz. Sie entwickelt sich zunehmend zu einer strategischen Funktion im Unternehmen. Mit dieser „Evolution“ geht oft auch der Anspruch einher, aktiv mitzugestalten, Orientierung zu geben und Verantwortung zu übernehmen. Um diese Rolle auch tatsächlich klar und wirkungsvoll einnehmen zu können, braucht die Rechtsabteilung ein starkes Selbstverständnis – einen Purpose.

Dabei sollte man wissen: Die Rechtsabteilung erfüllt keinen Selbstzweck. Sie ist eine Dienstleistungsabteilung, deren Existenz und (somit ihre) Legitimation sich aus ihrem Beitrag zum Unternehmenserfolg und der Zusammenarbeit mit dem Business ergibt. „Inhouse“ is made for business!

Es hat sich in der Praxis bewährt, dem „Warum“ der Rechtsabteilung Raum zu geben und eine klare Beschreibung des Purpose zu erstellen. Der Purpose beschreibt den übergeordneten Daseinszweck der Rechtsabteilung. Ein gut formulierter (und vor allem klarer) Purpose bringt auf den Punkt, welchen Beitrag die Inhouse-Jurist:innen zum Unternehmenserfolg leisten, von welchen Werten sie geleitet sind und wie sie intern (aber auch extern) wahrgenommen werden möchten. Der Purpose wird sohin zum strategischen Kompass, der die Arbeit der Abteilung prägt und legitimiert.

Mit der Antwort auf das „Warum“ gibt man als Leiter:in der Rechtsabteilung die notwendige Orientierung, schafft die Grundlage für die Positionierung des Teams und Motivation für die einzelnen Mitarbeiter:innen. Zudem hilft ein Purpose auch bei der Priorisierung von Aufgaben; wenn wir wissen, wer wir sind und was von uns erwartet wird – insbesondere mit Blick auf die Unternehmensstrategie, die Unternehmensvision und den gewünschten Unternehmenserfolg – ist das Fundament für die richtigen Prozesse, die erforderliche Struktur und auch für Innovation geschaffen. Die geschaffene Klarheit fördert zudem den Mut zu Transformation und Innovation, weil sie der Rechtsabteilung erlaubt, neue Rollen anzunehmen – etwa für Sparring bei der Digitalisierung (zB künstliche Intelligenz) oder als Impulsgeberin für Nachhaltigkeit.

Der Purpose (und hieraus abgeleitete Grundsätze) schaffen das Bewusstsein, Teil eines großen Ganzen zu sein. Für die Mitglieder der Rechtsabteilung wird dadurch greifbar, warum ihre Arbeit zählt – nicht nur im Sinne der Risikovermeidung, sondern auch als Enabler nachhaltiger, verantwortungsvoller Unternehmensführung.

Mit dem Ziel, (im besten Fall) direkt positiv auf den Unternehmenserfolg einzuzahlen, sollte der Purpose natürlich nicht willkürlich formuliert, sondern im Team entwickelt und auf die tatsächliche Arbeitspraxis abgestimmt werden (als methodischer Rahmen empfiehlt sich aus meiner Sicht das Modell des „Golden Circle“ von Simon Sinek: „Why – What – How“).

Um einen glaubwürdigen und tragfähigen Purpose zu entwickeln, braucht es Zeit, aktive Beteiligung, Kenntnis von der Unternehmensstrategie und ein klares Verständnis darüber, was von der Rechtsabteilung erwartet wird.

Die Antworten auf das „Warum“ entstehen aus einem strukturierten Reflexionsprozess. Es empfiehlt sich, die Leitung der Abteilung, das gesamte Team und Vertreter:innen wichtiger Schnittstellen in den Prozess einzubeziehen. Dieser sollte Fragen nach dem Selbstbild, dem konkreten Mehrwert der Rechtsabteilung, dem Fremdbild und den gelebten Werten umfassen. Wichtig sind ebenso die strategische Anbindung an den Unternehmenszweck und bereits vorhandene Leitbilder.

Der Purpose darf nicht kompliziert sein, sondern muss prägnant, verständlich und anschlussfähig sein. Hier ein Beispiel für einen Purpose: „We exist to protect and empower everyone in the company to be able to take responsibility.“

Wichtig:
Auch externe Stakeholder – insbesondere Anwält:innen – profitieren von einem klaren Purpose der Rechtsabteilung. Er schafft Transparenz über Erwartungen, Haltung und Prioritäten. Kanzleien, die sich mit ihren Mandanten beschäftigen und die Rolle der Rechtsabteilung im jeweiligen Unternehmen verstehen, können so gezielter servicieren. Dies fördert langfristige, vertrauensvolle Beziehungen.

Ein Purpose wirkt also in viele Richtungen. Er stärkt die innere Klarheit, fördert die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen, erhöht die Sichtbarkeit und Relevanz der Rechtsabteilung und schafft eine wertorientierte Grundlage für die Kooperation mit externen Partnern.

Der Purpose ist somit kein „weicher“ Faktor, sondern ein strategisches Führungsinstrument.

 

Checkliste zur Erarbeitung des eigenen Purpose

Als Grundvoraussetzung für die weiteren Schritte gilt: Verständnis schaffen! Es muss klar sein, dass es einen Purpose braucht.

Tipp:
Nutze Simon Sineks Golden Circle („Why – What – How“) als methodisches Framework.

 

1.   Schritt: Selbstbild & Status quo analysieren

Die Arbeit am Purpose beginnt in der Regel bei „Was tun wir?“. Das „Warum tun wir das?“ leitet sich oft daraus ab.

  • Welche Aufgaben erfüllt die Rechtsabteilung aktuell?
  • Welche Rollen (zB Risikomanager, Enabler, Netzwerker) nehmen wir aktuell (schon) wahr?
  • Wofür sind wir (nicht) zuständig?
  • Wofür sollten wir als Rechtsabteilung zuständig sein?
  • Gibt es Prozesse, in denen wir (noch) keine Rolle spielen?
  • Gibt es Prozesse, in denen wir eine Rolle spielen, aber gar nicht müssten?

Diese erste „Bestandsaufnahme“ bringt Klarheit und zeigt, wo der gemeinsame – oft auch kleinste gemeinsame – Nenner liegt (zB Risiko erkennen, bewerten, minimieren und Verantwortung übernehmen bzw ermöglichen).

 

2.   Schritt: Perspektive wechseln und Fremdbild sowie Erwartungen verstehen

Die Legitimation der Rechtsabteilung kommt in der Regel durch das Business – nicht aus sich selbst heraus (Wichtig: die Rechtsabteilung erfüllt keinen Selbstzweck).

  • Wie sehen uns unsere internen Stakeholder (Fachabteilungen, Geschäftsleitung)?
  • Welche Erwartungen haben andere an unsere Leistung?
  • Wo gibt es Wahrnehmungslücken zwischen „Selbstbild“ und „Fremdbild“?

Eine Rechtsabteilung ohne Einbindung durch andere Abteilungen und Akzeptanz aus der Organisation wirkt schnell wie ein „Elfenbeinturm“. An dieser Stelle daher noch ein Shoutout für „Beziehungsmanagement“ als Kernaufgabe der Rechtsabteilung (schafft Vertrauen).

 

3.   Schritt: Vision entwickeln und festlegen, „Wohin wollen wir uns entwickeln?“

Der Purpose ist natürlich auch ein kulturelles Statement.

  • Was würde passieren, wenn es die Rechtsabteilung nicht gäbe?
  • Welche Kultur, Werte und Wirkung wollen wir nach innen und außen entfalten?
  • Wie tragen wir zur Unternehmensstrategie bei?

 

4.   Schritt: Purpose gemeinsam formulieren („Co-Creation“)

Ein guter Purpose muss aus dem Team entstehen und nicht top-down. Im Gegenzug können Grundsätze, die sich aus dem Purpose ableiten, von der Führungskraft entwickelt und implementiert werden. Die Grundsätze haben immer auch etwas mit Leadership zu tun.

  • Workshop mit dem Team: alle schreiben ihre eigene Idee des „Warum“ auf.
  • Diskussion in Paaren: Das eigene „Warum“ verteidigen und konsolidieren. Die „beste“ Lösung obsiegt an dieser Stelle. Der Prozess wird so lange fortgesetzt, bis nur noch ein einziger Entwurf vorliegt.
  • Es folgt: Gemeinsame Formulierung eines kurzen, prägnanten Statements.
  • Abgleich mit bestehenden Werten, Prinzipien und Unternehmensstrategie.

 

5.   Schritt: Verankerung durch Umsetzung und Kommunikation

Der Purpose entwickelt sich nur dann positiv (und richtig), wenn er konkret (gelebt) wird. Das erfordert Maßnahmen in Verhalten, in Sprache und im Serviceverständnis.

  • Kommunikation nach innen und außen (zB über Intranet, Leitbild, Workshops)
  • Regelmäßiger Abgleich mit der gelebten Realität (zB über Feedback, Ticketsystem)