Hinweis
Zur Einleitung ins Thema und zum Verfahrensablauf siehe das Lexis Briefing „Kurzarbeit – Allgemeines und Verfahren“.
Inhaltliche Ausgestaltung
Die arbeitsrechtlichen Bedingungen der Kurzarbeit sind in der Sozialpartnervereinbarung (kurz: SPV) festgelegt, die beihilfenrechtlichen in der sog KAB-Richtlinie.1
Geltungsbereich2
Der räumliche Geltungsbereich der SPV kann mit dem ganzen Unternehmen, mit einzelnen Betrieben oder Betriebsteilen festgelegt werden. Damit für einen Betriebsteil eine eigenständige SPV abgeschlossen werden kann, muss dieser jedoch fachlich und organisatorisch abgrenzbar sein. Das ist der Fall, wenn
- die Betriebsteile unterschiedlichen Kollektivverträgen unterliegen,
- sich an unterschiedlichen Standorten befinden3 oder
- wenn in ihnen unterschiedliche Gewerbe betrieben werden und sie unter einer eigenständigen Leitung stehen.4
Arbeitskräfteüberlasser können den räumlichen Geltungsbereich auch auf einen einzelnen Beschäftiger begrenzen.
Der persönliche Geltungsbereich umfasst grundsätzlich alle Arbeitnehmer, die innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs beschäftigt werden, ausgenommen geringfügig Beschäftigte, Lehrlinge und nahe Angehörige. Gewisse Arbeitnehmergruppen können in Abschnitt I Pkt 2 SPV ausgenommen werden. Wird die SPV als Einzelvereinbarung abgeschlossen, kann der persönliche Geltungsbereich individuell eingeschränkt werden, indem nur jene Arbeitnehmer die SPV unterschreiben, die in die Kurzarbeit einbezogen werden sollen.
Hinweis
Förderbar sind nur arbeitslosenversicherte Arbeitnehmer, die in einem aufrechten Arbeitsverhältnis stehen und vor Beginn der Kurzarbeit mindestens einen vollentlohnten Kalendermonat beim Arbeitgeber beschäftigt waren.5
Ein voller Kalendermonat wird vom AMS schon dann angenommen, wenn das Arbeitsverhältnis am ersten kollektivvertraglich möglichen Arbeitstag des Monats begonnen hat.6
Der zeitliche Geltungsbereich kann bis zu einer maximalen Dauer von sechs Monaten frei festgelegt werden. Eine vorzeitige einseitige Beendigung der Kurzarbeit durch den Arbeitgeber ist jederzeit möglich. Hierfür hat der Arbeitgeber unverzüglich den Betriebsrat bzw die Arbeitnehmer sowie die beteiligten Sozialpartner und das AMS schriftlich zu informieren. Die Information an die Sozialpartner ist mittels formlosen E-Mails, die des AMS mittels Textnachricht über das eAMS-Konto möglich.
Praxistipp
Ist die weitere Entwicklung der wirtschaftlichen Situation ungewiss, ist von einer vorzeitigen Beendigung der Kurzarbeit abzuraten. Die Arbeitnehmer dürfen, auch während die Kurzarbeit formal weiter läuft, voll beschäftigt werden. Eine vorzeitige Beendigung kann aber dann sinnvoll sein, wenn Arbeitnehmer möglichst rasch gekündigt werden sollen, weil sich mit der vorzeitigen Beendigung der Kurzarbeit gleichzeitig die Behaltepflicht (dazu gleich unten) verkürzt.
Beschäftigtenstand7
In der SPV ist die Anzahl der innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs Beschäftigten anzugeben. Geringfügig Beschäftigte sind nicht einzurechnen.8
Der Arbeitgeber ist verpflichetet, während der Kurzarbeit den Beschäftigtenstand aufrecht zu erhalten, der unmittelbar vor Beginn der Kurzarbeit bestanden hat (= Behaltepflicht). Ferner darf idR bis einen Monat nach der Kurzarbeit (= Behaltefrist) der Beschäftigtenstand der in die Kurzarbeit einbezogenen Arbeitnehmer nicht verringert werden.
Hinweis
Auch Arbeitnehmer, die nicht von der Kurzarbeit betroffen sind, dürfen während der Kurzarbeit nicht gekündigt werden.
Folgende Beendigungen sind ohne Auffüllpflicht auch während der Kurzarbeit möglich:9
- Auslaufen bereits vor der Kurzarbeit gekündigter Arbeitsverhältnisse;
- Beendigungen, die bereits vor Beginn der Kurzarbeit zum Frühwarnsystem angemeldet worden sind, sofern die Sozialpartner dem zugestimmt haben;
- Zeitablauf befristeter Arbeitsverhältnisse;
- Arbeitnehmerkündigung;
- berechtigte Entlassung;
- unberechtigter vorzeitiger Austritt;
- einvernehmliche Auflösung nach vorangehender Belehrung des Arbeitnehmers durch Gewerkschaft oder Arbeiterkammer;
- Beendigung durch Tod des Arbeitnehmers;
- Beendigung aufgrund eines Pensionsantritts;
- Probezeitauflösung;
- Arbeitgeberkündigung, wenn der Fortbestand des Unternehmens oder Betriebsstandortes in hohem Maße gefährdet ist, sofern die Gewerkschaft zustimmt oder das AMS eine Ausnahmebewilligung erteilt.
Hinweis
Eine Ausnahmebewilligung wird vom AMS idR nur bei drohender Insolvenz erteilt.
Alle anderen Beendigungsarten lösen eine Auffüllpflicht aus. Dh, es muss für jedes beendete Arbeitsverhältnis vor dem Ende der Kurzarbeit ein neuer Arbeitnehmer eingestellt werden.
Die unzulässige Verringerung des Beschäftigtenstands führt zu einer anteiligen10 Rückforderung der Kurzarbeitsbeihilfe.11 Die SPV verleiht dem Arbeitnehmer aber keinen individuellen Kündigungsschutz.12
Praxistipps
Der Beschäftigtenstand wird nur nach Köpfen berechnet. Das Beschäftigungsausmaß ist irrelevant. Als Ersatzarbeitskraft für einen Vollzeitbeschäftigten kann daher auch nur ein Teilzeitbeschäftigter (nicht aber ein geringfügig Beschäftigter) eingestellt werden.
Die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses während der Kurzarbeit sollte unbedingt schriftlich erfolgen, damit die Beendigungsart bei Abgabe des Durchführungsberichtes bescheinigt werden kann.
Vor Abschluss einer einvernehmlichen Auflösung sollte sich der Arbeitgeber von der Gewerkschaft bzw Arbeiterkammer bescheinigen lassen, dass sich der Arbeitnehmer der geforderten Belehrung unterzogen hat. Eine Bescheinigung wird idR anstandslos ausgestellt.
Die Erhöhung des Beschäftigtenstandes ist grundsätzlich erlaubt. Jedoch sollten Einstellungen in großem Stil vermieden werden, weil
- 1. dadurch der Eindruck eines Beihilfenmissbrauchs entstehen könnte,
- 2. künftige Kurzarbeitsbegehren deswegen abgelehnt werden könnten und
- 3. die neu eingestellten Arbeitnehmer erst nach einem vollentlohnten Kalendermonat in die Kurzarbeit einbezogen werden können.
Jedenfalls verboten ist der Einsatz zusätzlicher Leiharbeitskräfte, es sei denn, die Gewerkschaft stimmt dem zu.13
Arbeitszeitreduktion14
In der SPV ist das reduzierte Arbeitszeitausmaß anzugeben. Dieses ist bloß ein Durchschnittswert und kann über die gesamte Kurzarbeitsdauer ungleichmäßig verteilt (= durchgerechnet) werden. Die Bandbreite des Arbeitszeitausmaßes beträgt zwischen 10 und 90 %.
Änderungen der festgelegten Arbeitszeit sind zu vereinbaren. Der Arbeitgeber kann darüber hinausgehende Arbeitsleistungen einseitig anordnen, wenn
- er dies den Arbeitnehmern mindestens drei Tage vorher mitteilt (bei kurzfristig entstehendem erhöhten Arbeitsbedarf kann davon abgesehen werden),
- keine berücksichtungswürdigen Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen und
- diese Arbeitszeit innerhalb der vor Kurzarbeit vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit liegt.
Bei solchen angeordneten Arbeitsleistungen handelt es sich um keine Mehrarbeit.15 Wird aber die vor Kurzarbeit vereinbarte tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit überschritten, liegen extra abzugeltende Überstunden vor. Überstunden sind während der Kurzarbeit nur dann erlaubt, wenn sie unter Abschnitt VI. Pkt 6 SPV zugelassen werden.
Hinweis
Die Überstundenleistung ohne entsprechende Erlaubnis kann streng genommen eine (teilweise) Rückforderung der Kurzarbeitsbeihilfe nach sich ziehen. In der Praxis kommt es normalerweise zu keinen Beanstandungen durch das AMS, da ohnehin jede geleistete Überstunde die Ausfallsstundenzahl und damit die Kurzarbeitsbeihilfe mindert.
Kurzarbeitsunterstützung
Der Arbeitgeber muss während der Kurzarbeit die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung voll bezahlen. Darüber hinaus schuldet er dem Arbeitnehmer eine Kurzarbeitsunterstützung zur Sicherstellung einer Bruttoersatzrate von 88 %. Die Kurzarbeitsunterstützung muss aber jedenfalls der Höhe der gewährten Kurzarbeitsbeihilfe entsprechen.16 Die Bruttoersatzrate wird aus dem durchschnittlichen Entgelt der letzten drei Monate vor Beginn der Kurzarbeit ermittelt. Zu den Details siehe Corona-Kurzarbeitsunterstützung.
Sonderzahlungen, Abfertigung Alt
Sonderzahlungen und die Abfertigung Alt sind auch während der Kurzarbeit in voller Höhe zu zahlen, also auf Basis jenes Entgelts zu berechnen, welches ohne Kurzarbeit gebührt hätte.17
Urlaub und Zeitausgleich
Urlaub aus vergangenen Urlaubsjahren und Zeitguthaben sollten tunlichst vor Beginn der Kurzarbeit verbraucht werden. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer dazu freilich nicht zwingen, er sollte jedoch im Bedarfsfall nachweisen können, dass er den Arbeitnehmern Urlaubsverbrauch bzw Zeitausgleich angeboten hat.
Hinweis
Der bis 31. 12. 2022 zwingend vorgeschriebene Urlaubsverbrauch während der Kurzarbeit ist nunmehr nicht mehr obligat.
Die Höhe des Urlaubsentgelts richtet sich nach der Entgelthöhe vor Kurzarbeit.18
Dasselbe gilt für das Entgelt für Zeitausgleich.
Urlaubsverbrauch und Zeitausgleich werden in der Frage der Arbeitszeitreduktion wie volle Arbeitszeit gewertet.
Beispiel
Für den Monat Jänner ist ein Arbeitszeitausmaß von 30 % vorgesehen. Ein Arbeitnehmer verbraucht in diesem Monat eine Urlaubswoche. Dadurch beträgt das Arbeitszeitausmaß im Jänner effektiv 46 %.
Aus-, Fort- und Weiterbildung19
Auf Anordnung des Arbeitgebers ist der Arbeitnehmer verpflichtet, in der ausfallenden Arbeitszeit Bildungsveranstaltungen zu besuchen. Die Zeit ist arbeitsrechtlich wie Arbeitszeit zu bezahlen, wird beihilfenrechtlich aber wie Ausfallszeit gewertet. Ab Sommer 2024 soll es seitens des AMS wieder Förderungen für die Weiterbildungskosten geben.20
Abgaben und Beiträge
Die Kurzarbeitsunterstützung zählt zum Entgelt und somit zum lohnsteuerpflichtigen Einkommen.21
Die Beiträge zur Sozialversicherung richten sich dagegen nach der letzten Beitragsgrundlage vor Beginn der Kurzarbeit, wenn diese höher ist als die aktuelle Beitragsgrundlage.22 Beginnt ein neues Kurzarbeitsprojekt, findet ein Günstigkeitsvergleich zwischen der bisherigen und der fiktiven aktuellen Beitragsgrundlage statt. Die jeweils höhere ist anzuwenden.23
Die Kurzarbeitsunterstützung ist von der Kommunalsteuerpflicht befreit.24
Eine Übersicht über die Bemessungsgrundlage für alle Abgaben und Beiträge finden Sie hier.