Stand: 24.3.2020
Das 2. Covid-19 Gesetz (dort Art 21 [Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz] II. Hauptstück [Verfahren in Strafsachen/besondere Vorkehrungen] § 9 Z 3) beinhaltet eine Verordnungsermächtigung der BMJ, um in Verfahren für Strafsachen Fristen für die Dauer der angeordneten Betretungsverbote zu unterbrechen. Die BMJ hat mit der am 23.3.2020 im BGBl verlautbarten Verordnung (BGBl. II 2020 Nr. 113) davon Gebrauch gemacht und zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 besondere Vorkehrungen in Strafsachen getroffen. Die Verordnung ist seit 24.3.2020 in Kraft.
Eine Vielzahl von Rechtsmittelfristen (auch für Anmeldungen von Rechtsmitteln) ist gemäß dieser Verordnung in der Zeit vom 24.3.2020 bis zum Ablauf des 13.4.2020 unterbrochen (am 13.4.2020 enden die in dieser Verordnung genannten vom BMSGPK gemäß § 2 Z 1 COVID-19. Maßnahmengesetz angeordneten Betretungsverbote und auch diese Verordnung der BMJ tritt dann außer Kraft). „Unterbrochen“ bedeutet, dass die von dieser Verordnung umfassten Rechtsmittelfristen, die nach dem 23.3.2020 enden oder beginnen würden, mit dem 14.4.2020 vollständig neu zu laufen beginnen (der 14.4.2020 ist in die Frist dann miteinzurechnen).
Es ist jedoch zu bezweifeln, ob überhaupt eine Unterbrechung auch der in der Verordnung genannten Fristen eintritt. Denn gemäß § 8 der Verordnung (BGBl. II 2020 Nr. 113), mit der zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 besondere Vorkehrungen in Strafsachen getroffen werden, tritt die Verordnung mit dem Ablauf des 13.4.2020 außer Kraft. Damit fällt aber auch die Grundlage der Unterbrechung der Fristen weg und es besteht damit ab dem 14.4.2020 keine taugliche Rechtsgrundlage mehr, sich auf die Unterbrechung der Fristen berufen zu können – die gemäß der noch aktuell geltenden Verordnung unterbrochenen Fristen, die alle am 14.4.2020 neu zu laufen beginnen sollen, sind damit auch bereits abgelaufen. Demnach hätte die mit dieser Verordnung verfügte Unterbrechung der Fristen keine Wirkung und es besteht die Gefahr, dass alle nach Ablauf der Geltung der Verordnung eingebrachten Rechtsmittel, selbst wenn deren Fristen laut der Verordnung unterbrochen gewesen wären, verfristet sind.
Die mit der Verordnung angeordnete Unterbrechung gilt auch gemäß der Verordnung selbst überdies nicht für folgende Fristen der Strafprozessordnung (StPO):
§ 294 Abs 2 StPO; dabei handelt es sich um die vierwöchige Frist für die Ausführung der Berufung gegen Urteile des Gerichtshofs (LG als Schöffengericht oder LG als Einzelrichter). Offenbar wurde diese Frist übersehen, denn die Frist des § 294 Abs 1 StPO, somit die dreitägige Frist zur Anmeldung der Berufung gegen Urteile des LG als Schöffengericht oder LG als Einzelrichter, ist laut der genannten VO der (sehr wohl) BMJ unterbrochen. Eine der wohl wichtigsten Fristen in Strafsachen ist somit von den besonderen Vorkehrungen in Strafsachen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht umfasst.
§ 213 Abs 2 StPO; dabei handelt es sich um die vierzehntägige Frist für den Einspruch gegen die Anklageschrift.
§ 427 Abs 2 StPO; dabei handelt es sich um die vierzehntägige Frist für den Einspruch gegen ein in Abwesenheit des Angeklagten gefälltes Urteil.
§ 491 Abs 6 StPO; dabei handelt es sich um die vierwöchige Frist für den Einspruch gegen im Mandatsverfahren ergangene Strafverfügungen.
Die Unterbrechung gilt laut der Verordnung auch bloß ausschließlich für folgende Fristen der Strafprozessordnung (StPO):
88 Abs 1: die Frist für Beschwerden gegen Beschlüsse; § 106 Abs 3: die Frist für Einsprüche wegen Rechtsverletzungen; § 276a: die zweimonatige Frist nach Vertagung einer Verhandlung, die eine Wiederholung der Verhandlung erforderlich macht; 284 Abs 1 u. 2: die dreitägige Frist für die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde; § 285 Abs 1: die vierwöchige Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde; § 294 Abs 1: die dreitägige Frist zur Anmeldung der Berufung gegen Urteile des LG als Schöffengericht oder LG als Einzelrichter; § 466 Abs 1 u 2: die dreitägige Frist für die Anmeldung der Berufung gegen Urteile des Bezirksgerichts und §467 Abs 1: die vierwöchige Frist für die Ausführung der Berufung gegen Urteile des Bezirksgerichts.