BAG-Novelle

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrMärz 2020

ua Ermöglichung der Kurzarbeit auch für Lehrlinge; regelmäßige Analyse aller Berufsbilder in einem fünfjährigen Turnus; Änderung des Begriffs „Lehrlingsentschädigung“ in „Lehrlingseinkommen“; Ausbildung in reduzierter Arbeitszeit bei Kinderbetreuungspflichten

Inkrafttreten

22.3.2020

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

22.3.2020

Betroffene Normen

BAG

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Quelle

BGBl I 2020/18

Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird, BGBl I 2020/18 (AA-18 BlgNR 27 GP , AB 100 BlgNR 27 GP , RV 34 BlgNR 27 GP , 148/ME NR 26 GP )

Weiterentwicklung der Lehrlingsausbildung

Die zunehmende Bedeutung der Lehrlingsausbildung für die österreichische Wirtschaft und der steigende Bedarf nach ausgebildeten Fachkräften erfordern das Ansprechen neuer Zielgruppen und die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen. Die vorliegende BAG-Novelle soll dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. 

Im Zuge des Gesetzgebungsprozesses wurde durch einen Abänderungsantrag im Plenum des Nationalrates noch gesetzlich verankert, dass das Instrument der Kurzarbeit auch für Lehrlinge möglich wird. Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen, die allesamt mit 22. 3. 2020 in Kraft treten, kurz dargestellt:

1. Regelmäßige Analyse aller Berufsbilder

Bisher wurden die Lehrberufe und deren Ausbildungsinhalte zwar jährlich, aber zum Teil unregelmäßig – im Normalfall über Anregung einer Branche – auf aktuelle Anforderungen geprüft und überarbeitet. Um die Berufsbildentwicklung mittel- und langfristig stärker zu systematisieren und evidenzbasiert auszurichten, wird künftig eine regelmäßige Analyse aller Berufsbilder in einem fünfjährigen Turnus verpflichtend (§ 1a BAG). Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Lehrberufe den jeweils neuesten beruflichen und technischen Standards entsprechen, wobei auch die Ergebnisse der aktuellen Forschung zu berücksichtigen sind.

2. Änderung von Bezeichnungen

Die Bezeichnungen „Lehrlingsentschädigung“ und „Verwendung“ von Lehrlingen werden von der Gesellschaft zum Teil negativ aufgefasst. Aus diesem Grund werden veraltete Bezeichnungen in der Lehre adaptiert und die Bezahlung von Lehrlingen künftig statt „Lehrlingsentschädigung“ „Lehrlingseinkommen“ bezeichnet werden (in der Regierungsvorlage war noch der Begriff „Lehrlingsentgelt“ vorgesehen). Statt „verwendet“ werden Lehrlinge künftig „beschäftigt“, aus der „Weiterverwendung“ wird die „Weiterbeschäftigung“.

3. Neugestaltung der überbetrieblichen Ausbildung

Die überbetriebliche Lehrausbildung wird künftig verpflichtend mit der betrieblichen Ausbildung verknüpft, um den – vorwiegend – Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Ausbildung in Unternehmen durch möglichst frühzeitige und nachhaltige Vermittlung zu ermöglichen. So hat die Ausbildung in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen auch die Einbeziehung von zur Ausbildung von Lehrlingen berechtigten Unternehmen in die Ausbildungsgestaltung bzw den Trainingsalltag zu beinhalten mit dem Ziel, den auszubildenden Personen den Beginn eines Lehrverhältnisses gemäß § 12 BAG zu ermöglichen (gesetzlicher Vermittlungsauftrag für die Träger der überbetrieblichen Ausbildung; § 30 BAG). Auch die Zuweisung zu einem Ausbildungsplatz in der überbetrieblichen Lehrausbildung durch das AMS kann künftig erst nach (erfolglos) versuchter Vermittlung in die betriebliche Lehrausbildung erfolgen (§ 30b BAG).

4. Ausbildung in reduzierter Arbeitszeit

Bisher war die Möglichkeit einer Ausbildung mit reduzierter Arbeitszeit nur für Lehrlinge mit Behinderung bzw bei Vorliegen gesundheitlicher Gründe gegeben, nicht jedoch für Personen mit Betreuungspflichten gegenüber Kindern. Aufgrund der auch nach der Karenzzeit bestehenden Betreuungsintensität eines Kindes ist insbesondere eine Lehrausbildung, die einer Vollzeitarbeitsstelle entspricht, oft nicht realisierbar. Um auch dieser Personengruppe die Aufnahme bzw Fortsetzung einer Lehre zu ermöglichen, wurde nunmehr die Möglichkeit geschaffen, dass auch Lehrlinge mit Kinderbetreuungspflichten eine Lehrausbildung mit reduzierter täglicher und/oder wöchentlicher Arbeitszeit absolvieren können.

Für Lehrlinge mit Kindern besteht künftig die Möglichkeit zur Ausbildung mit reduzierter Arbeitszeit bis zum 31. 12. des Jahres des Schuleintritts des Kindes, dh Lehrberechtigte und Lehrlinge können im Lehrvertrag eine Reduktion der täglichen oder wöchentlichen Normalarbeitszeit um max 50 % vereinbaren. Zur Erreichung des Ausbildungszieles (Absolvierung der Lehrabschlussprüfung) kann die reguläre Lehrzeit um die reduzierte Arbeitszeit, max um zwei Jahre verlängert werden, dh bei einem vierjährigen Lehrberuf auf max sechs Jahre. Für Ausbildungsverhältnisse mit verlängerter Lehrzeit oder für Teilqualifizierungen gilt eine entsprechende Verlängerungsoption.

Weiters wurde die schon derzeit gemäß § 8b Abs 8 BAG bestehende Möglichkeit der Ausbildung mit reduzierter Arbeitszeit für Personen mit Behinderung bei Vorliegen gesundheitlicher Gründe in die neue Bestimmung integriert und angeglichen (Reduktion im Lehrvertrag um max 50 % und Möglichkeit zur Lehrzeitverlängerung). Zur Sicherung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme der Bestimmung muss künftig nur mehr eine ärztliche Befürwortung beigebracht werden; die Verpflichtung zur Einholung der (idR rein formellen) Zustimmung des Landes-Berufsausbildungsbeirates ist aus Gründen der Vereinfachung weggefallen.

Durch einen Abänderungsantrag im Plenum des Nationalrates wurde auch die Möglichkeit geschaffen, dass Lehrlinge in Kurzarbeit gehen können, um damit in wirtschaftlichen angespannten Zeiten aufgrund von COVID-19 („Coronavirus“) auch Lehrbetriebe zu unterstützen und um die Lehrstellen zu erhalten bzw die Lehrlingsausbildung strukturell zu unterstützen. In diesem Fall kann die tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit für die Dauer der Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe bis zur Gänze, jedoch längstens bis zum 31. 8. 2020, reduziert werden, wenn dies zur Ermöglichung von Kurzarbeit im Lehrbetrieb gemäß § 37b AMSG erforderlich ist. Zu einer Verlängerung der Lehrzeit kommt es dadurch nicht.

5. Anrechnung verwandter Schulabschlüsse

Bislang konnte aufgrund verpflichtender Lehrzeitanrechnungen nach Absolvierung einer berufsbildenden Schule in vielen Fällen kein Lehrvertrag in einem mit dem Schulabschluss fachlich verwandten Lehrberuf mehr abgeschlossen werden, um zusätzliche berufliche Kompetenz zu erwerben, da die verbleibende Restlehrzeit mit in der Regel einem Jahr zu gering war (§ 34a BAG).

Beispiel
 
Der Abschluss einer Handelsschule ist mit dem dreijährigen Lehrberuf Bürokaufmann/-frau gleichgehalten. Aufgrund verpflichtender Anrechnung von zwei Lehrjahren auf den (ebenfalls dreijährigen) Lehrberuf Versicherungskaumann/-frau bleibt nur mehr ein Lehrjahr für eine aufbauende Lehrausbildung übrig. Dies wird idR von den Unternehmen als zu kurz angesehen, um Berufsspezifika zu vermitteln. Daher kommen entsprechende Lehrverträge (oftmals) nicht zustande, obwohl eine ergänzende Lehrausbildung sowohl aus Sicht des Unternehmens als auch des Schulabsolventen sinnvoll wäre.

Die Neuregelung ermöglicht nun für diese Fälle ergänzender Lehrausbildung in (mit dem gleichgehaltenen Lehrberuf) verwandten Berufsbereichen eine um ein Jahr längere „Restlehrzeit“. Im genannten Beispiel hätte das zu Folge, dass im Lehrberuf Versicherungskaufmann/-frau eine aufbauende zweijährige (statt einjährige) Lehre möglich wird. Neu ist damit die Möglichkeit zur Reduzierung des verpflichtenden Lehrzeitersatzes bei Schulabschlüssen um ein Jahr im Einvernehmen der Lehrvertragspartner, wenn der Schulabsolvent eine (zum Schulabschluss) verwandte Lehrausbildung anschließen möchte.

Von der neuen Bestimmung profitieren Absolventen berufsbildender Schulen, deren Schulabschluss mit einer fachlich entsprechenden Lehrabschlussprüfung gleichgehalten ist und die zum Zweck der Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten in fachlich verwandten Lehrberufen (bei Abschluss der Handelsschule zB Bankkaufmann/frau, Steuerassistenz, Versicherungskaufmann/frau, Buch- und Medienwirtschaft) eine verkürzte Lehrausbildung mit ausreichender Ausbildungszeit zur Erreichung des Ausbildungszieles absolvieren wollen.

6. Sonstige Maßnahmen
  • Inhaltliche Straffung der Richtlinien für die betriebliche Lehrstellenförderung zum Zweck einer transparenten und rascheren Förderungsabwicklung.
  • Adaptierung des § 23 Abs 11 BAG, damit Lehrlinge die Lehrabschlussprüfung im Rahmen einer Höherqualifizierungsmaßnahme auch in einem anderen Bundesland ablegen können, wenn im Wohnsitz-Bundesland diese Prüfungsmöglichkeit nicht besteht.



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