Änderung des DBA-Deutschland

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrMärz 2024

ua Umsetzung von OECD-Standards betreffend Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Standard); Vermeidung von Abkommensmissbrauch; Neufassung der Bestimmung zur Begründung einer Betriebsstätte; Änderung des Methodenartikels; Anpassung der Grenzgängerregelung für nichtselbständig Tätige und Einführung einer Grenzgängerregelung für öffentlich Bedienstete; Aufnahme einer De-minimis-Regel für Ortskräfte; Aufhebung der Bestimmung betreffend die Wegzugsbesteuerung

Inkrafttreten

1.1.2024

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

5.2.2024

Betroffene Normen

 

Betroffene Rechtsgebiete

Einkommensteuer

Quelle

BGBl III 2024/12

Protokoll zur Änderung des Abkommens vom 24. 8. 2000 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der durch das Protokoll vom 29. 12. 2010 geänderten Fassung; BGBl III 2024/12 (AB 2233 BlgNR 27. GP ; RV 2180 BlgNR 27. GP )

1. Überblick

Die steuerlichen Beziehungen zwischen Österreich und Deutschland werden durch ein 2002 geschlossenes Abkommen geregelt, das zuletzt 2010 geändert wurde (BGBl III 2022/182 idF BGBl III 2012/32). Dieses Abkommen galt als revisionsbedürftig, da es weder dem Standard der OECD betreffend Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Standard) entspricht noch den jüngsten Entwicklungen bei der Besteuerung von Grenzgängern der Arbeitswelt sowie den damit einhergehenden geänderten Arbeitsformen Rechnung trägt. Die Republik Österreich und die Bundesrepublik Deutschland haben daher am 21. 8. 2023 ein Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet, das zu seinem Inkrafttreten noch der Ratifikation in beiden Staaten bedarf. Die Änderungen werden grundsätzlich ab dem 1. 1. des Kalenderjahres anzuwenden sein, das dem Jahr folgt, in dem das Änderungsprotokoll in Kraft getreten ist; die angepasste Grenzgängerregelung ist aber jedenfalls bereits ab 1. 1. 2024 anzuwenden, auch wenn das Inkrafttreten des Protokolls später erfolgt.

Das Änderungsprotokoll umfasst im Wesentlichen folgende Maßnahmen:

2. Neuregelung der Grenzgängerbestimmung

Aufgrund der COVID-19-Pandemie kam es zu einer rasanten Entwicklung der Arbeitswelt. Besonders Formen des mobilen Arbeitens (vor allem Tätigwerden im Homeoffice, Telearbeit etc) haben sich etabliert und werden auch nach Beendigung der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung weiterhin praktiziert. Aufgrund des Wortlauts des bestehenden Abkommens konnten diese Entwicklungen im Bereich der Grenzgänger bisher keine Berücksichtigung finden. Die ursprüngliche Grenzgängerregelung, die dem Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht einräumt, erforderte ua ein tägliches Pendeln vom Wohnsitz zum Arbeitsort. Wurde an mehr als 45 Arbeitstagen nicht über die Grenze gependelt (zB im Falle von Homeoffice oder Dienstreisen in Drittstaaten; sog schädliche Nichtrückkehrtage), so kam es zum Verlust der Grenzgängereigenschaft und die Vergütung musste nach Arbeitstagen im jeweiligen Staat aufgeteilt werden.

Mit dem Abänderungsprotokoll wird nun die Grenzgängerbestimmung neu gefasst und damit Arbeitnehmern in der Grenzzone mehr Flexibilität eingeräumt. Dies wird dadurch erreicht, dass künftig das Arbeiten und Wohnen in der Grenzzone, nicht jedoch ein tägliches Pendeln über die Grenze erforderlich sein wird, um die Voraussetzungen der Grenzgängereigenschaft zu erfüllen.

Gemäß des neuen Art 15 Abs 6 DBA-Deutschland wird das ausschließliche Besteuerungsrecht an Gehältern, Löhnen und ähnlichen Vergütungen dem Ansässigkeitsstaat zugeteilt,

  1. 1. wenn der Arbeitnehmer seinen Hauptwohnsitz in der Nähe der Grenze hat und
  2. 2. seine unselbständige Tätigkeit üblicherweise in der Nähe der Grenze ausübt.

Dabei ist unbeachtlich, ob der Arbeitnehmer in der Grenzzone des Ansässigkeitsstaates (insbesondere im Homeoffice) oder jener des anderen Staates (insbesondere in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers) tätig wird. Somit kann die Grenzgängereigenschaft selbst dann erfüllt sein, wenn die Tätigkeit an mehr als 45 Tagen im Homeoffice ausgeübt wird; Arbeitstage im Homeoffice sind daher von nun an keine schädlichen Tage im Sinne der Grenzgängerregelung mehr. Arbeitstage im Ausmaß von über 45 Tagen, die außerhalb der Grenzzone verbracht werden (zB Dienstreisen in Drittstaaten oder Arbeitstage in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers außerhalb der Grenzzone), sind hingegen schädlich und führen dazu, dass eine Besteuerung nach den Grundsätzen des Art 15 Abs 1 und 2 des Abkommens zu erfolgen hat.

Der Ausdruck „in der Nähe der Grenze“ erfasst die Gemeinden, deren Gebiet ganz oder teilweise in einer Zone von je 30 Kilometern beiderseits der Grenze liegt, wobei in einer Konsultationsvereinbarung eine Liste jener Gemeinden veröffentlicht werden soll, die in der Grenzzone liegen. Damit sollen Rechtsunsicherheiten bei der Ermittlung der 30 km-Zone (zB aufgrund unterschiedlicher Messpunkte in der Region um den Bodensee) vermieden werden.

Für die Frage, was „üblicherweise“ bedeutet, wird an der 45-Tage-Frist der alten Grenzgängerregelung festgehalten: Die Tätigkeit wird in dieser Zone „üblicherweise“ ausgeübt, wenn der Arbeitnehmer während eines Kalenderjahres höchstens an 45 Arbeitstagen ganz oder teilweise außerhalb der Grenzzone tätig wird. Darüber hinaus wurde klarstellend festgehalten, dass im Falle von unterjährigen Beschäftigungen oder bei Teilzeit die 45 Tage aliquotiert werden müssen; diesfalls sind 20 % der tatsächlichen Arbeitstage die maßgebliche Grenze.

Hinweis
Die Anwendung und Auslegung des neuen Art 15 Abs 6 DBA-Deutschland wurde – wie auch im Falle der bestehenden Grenzgängerregelung – in einer Konsultationsvereinbarung genauer determiniert werden – Konsultationsvereinbarung zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Auslegung der Grenzgängerregelung nach Art 15 Abs 6 und Art 19 Abs 1a des deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 24. 8. 2000, Erlass des BMF vom 22. 12. 2023, 2023-0.913.349, BMF-AV Nr 155/2023, sowie die Konsultationsvereinbarung zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Besteuerung von Ärzten gemäß dem deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 24. 8. 2000, Erlass des BMF vom 22. 12. 2023, 2023-0.913.347, BMF-AV Nr 154/2023.

3. Grenzgängerregelung für öffentlich Bedienstete

Neben der Neufassung der allgemeinen Grenzgängerregelung wird eine ähnlich ausgestaltete Grenzgängerregelung auch für im öffentlichen Dienst tätige Personen eingeführt. Aufgrund der bisherigen Bestimmung des Art 19 Abs 1 dürfen Vergütungen von im öffentlichen Dienst des Kassenstaates angestellten Personen, die im anderen Staat ansässig sind und Staatsangehöriger dieses Staates sind oder nicht ausschließlich dort ansässig geworden sind, um diese Dienste zu leisten, im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, soweit sie den Dienst dort leisten. Das führt dazu, dass bei Homeoffice-Tätigkeit solcher Personen ein geteiltes Besteuerungsrecht des Kassen- und des Ansässigkeitsstaates besteht und daher eine Aufteilung nach Tätigkeitstagen zu erfolgen hat. Um eine derartige Aufteilung im grenznahen Bereich zu vermeiden und mehr Flexibilität beim Arbeiten in der Grenzzone einzuräumen, wird auch für die im öffentlichen Dienst angestellten Personen eine Grenzgängerregelung eingeführt, mit der Besonderheit, dass das Besteuerungsrecht in diesen Fällen im Kassenstaat verbleibt.

4. Änderungen aufgrund des BEPS-Standards

Das Mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (MLI; BGBl III 2018/93), wurde zwar von beiden Staaten unterzeichnet, findet aber im bilateralen Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines Vorbehalts Deutschlands keine Anwendung. Die BEPS-Maßnahmen, die durch das Änderungsprotokoll umgesetzt werden, haben das Ziel, jene Strukturen, die eine doppelte Nichtbesteuerung erleichtern, einzuschränken bzw nach Möglichkeit zu verhindern. Sie entsprechen dem von der OECD entwickelten Mindeststandard.

  • Vermeidung von Abkommensmissbrauch: Zur Vermeidung von Abkommensmissbrauch erhält das DBA-Deutschland einen neuen Titel („Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung“) und eine neue Präambel. Weiters werden eine Bestimmung zur Missbrauchsbekämpfung für in Drittstaaten oder -gebieten gelegene Betriebsstätten sowie eine Bestimmung zur Beschränkung der Abkommensvergünstigungen (Principal Purpose Test bzw Hauptzwecktest) eingefügt; diese entsprechen Art 29 Abs 8 und 9 OECD-Musterabkommen 2017.
  • Umgehung des Betriebsstättenstatus: Art 5 Abs 4 des Abkommens sieht eine Ausnahme von der Begründung einer Betriebsstätte vor, wenn sie bloß vorbereitenden Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten dient. Mit dem Abänderungsprotokoll wird nun eine dem Wortlaut des Art 5 Abs 4 OECD-Musterabkommen 2017 entsprechende Bestimmung eingeführt, die die Umgehung des Betriebsstättenstatus aufgrund des Ausnahmenkatalogs betreffend die Begründung von Betriebsstätten verhindern soll. Die Ausnahmebestimmung greift nur, wenn die Tätigkeit tatsächlich vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. Nach der geltenden österreichischen Verwaltungspraxis gelangt die Ausnahmebestimmung des Art 5 Abs 4 OECD-Musterabkommen in der Fassung vor 2017 ebenfalls nur zur Anwendung, wenn es sich bei der betreffenden Tätigkeit nicht um die Haupttätigkeit des Unternehmens handelt. Insofern ist die neu gefasste Bestimmung aus österreichischer Sicht nur klarstellend.
  • Methode zur Beseitigung der Doppelbesteuerung: Um eine mögliche Doppelnichtbesteuerung zu vermeiden, die sich aufgrund unterschiedlicher Sachverhaltsbeurteilungen oder Abkommensauslegungen ergibt, sieht ein neuer Abs 3 in Art 23 DBA-Deutschland vor, dass den Ansässigkeitsstaat bei andernfalls eintretender unerwünschter Doppelnichtbesteuerung aufgrund von negativen Qualifikations- und Zurechnungskonflikten keine Befreiungsverpflichtung trifft (entspricht der Bestimmung in Art 23 Abs 4 OECD-Musterabkommen 2017); Art 28 Abs 1 lit a des Abkommens idF BGBl III 2012/32 wird aufgehoben.

5. Aufhebung der Bestimmung zur Wegzugsbesteuerung

Vor dem Hintergrund der bestehenden innerstaatlichen Regelungen zur Wegzugsbesteuerung besteht keine Notwendigkeit mehr, Wegzug und Zuzug im Abkommen gesondert zu regeln. Vielmehr besteht das Risiko unbeabsichtigter Inkongruenzen mit den jeweiligen nationalen Regelungen. Art 13 Abs 6 des Abkommens wird daher aufgehoben; dadurch kommen die Vorschriften des jeweiligen innerstaatlichen Rechts zur Wegzugsbesteuerung uneingeschränkt zur Anwendung (in Österreich: § 27 Abs 6 Z 1 EStG 1988, der im Falle eines Zuzugs den Ansatz des gemeinen Werts als Anschaffungskosten vorsieht).

6. Aufnahme einer De-minimis-Regel für Ortskräfte

Gemäß Art 19 Abs 1 letzter Satz des Abkommens dürfen sogenannte Ortskräfte – abweichend vom grundsätzlich in Art 19 verankerten Kassenstaatsprinzip – nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, wenn die Dienste in diesem Staat geleistet werden. Um Gehälter von Ortskräften nicht einer Aufteilung unterziehen zu müssen, wenn Ortskräfte kurzzeitig im Kassenstaat tätig werden, wird eine De-minimis-Regelung im Ausmaß von 10 Arbeitstagen eingeführt, wonach das Besteuerungsrecht in solchen Fällen im Ansässigkeitsstaat verbleibt. Beispielsweise soll die Vergütung des in Österreich ansässigen österreichischen Fahrers der deutschen Botschaft in Wien, der nach Art 19 Abs 1 letzter Satz des Abkommens grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegt, nicht tageweise aufgeteilt werden müssen, wenn sich der Fahrer für ein einwöchiges Fahrsicherheitstraining im Kassenstaat Deutschland aufhält.

Hinweis
Siehe zu den Änderungen im DBA-Deutschland auch eine allgemeine Information des BMF .



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