Grace-Period-Gesetz

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrApril 2024

Erleichterungen für Betriebsübergaben; begleitende steuerliche Kontrolle bei Übergabe im Familienverband; Verwaltungsvereinfachungen im Gewerberecht und Arbeitnehmerschutzrecht

Inkrafttreten

1.12.2023

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Vorschlag

Letzte Änderung

24.4.2024

Betroffene Normen

ASchG, BAO, GewO 1994

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht, Steuerrecht, Gewerberecht

Quelle

RV 2510 BlgNR 27. GP

Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden sollen (Grace-Period-Gesetz); Regierungsvorlage 10. 4. 2024, 2510 BlgNR 27. GP (149/ME NR 27. GP )
→ Gesetzwerdung bleibt abzuwarten

1. Überblick

Bereits im Oktober 2021 hat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort einen Ministerialentwurf zu einem Grace-Period – Gesetz vorgelegt, mit dem Erleichterungen bei Betriebsübergaben geschaffen werden sollten (siehe ARD 6773/15/2021). Knapp 2,5 Jahre nach Ablauf der Begutachtungsfrist wurde nun die Regierungsvorlage in den Nationalrat eingebracht.

Ziel ist weiterhin, Familienunternehmen und KMU in der Zeit der Betriebsübergabe zu unterstützen, indem Hürden abgebaut und damit die Übertragung von Unternehmen an neue Eigentümer (zB in einem Familienbetrieb an die nächste Generation) erleichtert werden sollen. So soll bei Übergaben im Familienverband eine begleitende Kontrolle durch das Finanzamt auf Antrag möglich werden, die Vorlage eines Firmenbuchauszuges bei Gewerbeanmeldung entfallen und Erleichterungen in Bezug auf Sicherheitsvertrauenspersonen und Arbeitsschutzausschüsse geschaffen werden.

2. Erleichterungen bei Betriebsübergaben

Im Bereich des Abgabenrechts soll für Unternehmer die Möglichkeit geschaffen werden, während des Übergabeprozesses durch die Abgabenbehörde begleitet zu werden („Begleitung einer Unternehmensübertragung“; § 153h bis § 153l BAO). Im Zuge dieses Prozesses werden einerseits bislang noch ungeprüfte Zeiträume des übergebenden Unternehmers geprüft, andererseits besteht die Möglichkeit, Auskunft über bereits verwirklichte oder noch nicht verwirklichte Sachverhalte zu erhalten. Diese Aktivitäten garantieren dem übernahmewilligen Unternehmer größtmögliche Rechts- und Planungssicherheit im Hinblick auf den Übertragungsvorgang.

Die Begleitung einer Unternehmensübertragung ist möglich, wenn eine natürliche Person einen (Teil-)Betrieb oder einen Mitunternehmeranteil an einen ihrer Angehörigen übertragen möchte. Die Definition des zu übertragenden Vermögens (Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil) richtet sich nach § 24 EStG 1988. Soll ein Anteil an einer Mitunternehmerschaft übertragen werden, muss dieses als Familienunternehmen anzusehen sein. Daher dürfen an der Mitunternehmerschaft, deren Anteil übertragen werden soll, nur natürliche Personen beteiligt sein, die zum Antragsteller in einem Angehörigenverhältnis iSd § 25 BAO stehen. Voraussetzung ist zudem, dass bei allen an der Begleitung der Unternehmensübertragung Beteiligten das Finanzamt Österreich für die Erhebung der Umsatzsteuer – bzw wenn ein Unternehmer von der Umsatzsteuer befreit sein sollte – für die Erhebung der Einkommensteuer zuständig ist. Der Antragsteller hat darüber hinaus zu erklären, dass eine Übertragung seines Unternehmens innerhalb von 2 Jahren ab Antragstellung an eine oder mehrere Personen aus seinem Angehörigenkreis erfolgen wird.

Bei Vorliegen aller Voraussetzungen hat das Finanzamt Österreich eine Außenprüfung (gemäß § 147 BAO) des Antragstellers bzw der Mitunternehmerschaft, deren Anteile zu übertragen beabsichtigt ist, durchzuführen. Der Zeitraum für die Außenprüfung umfasst die letzten 3 Jahre vor der Antragstellung, sofern für diese bereits Abgabenerklärungen eingereicht wurden und noch keine Außenprüfung stattgefunden hat. Um Unternehmensübergaben zeitlich planbar durchführen zu können, soll die Außenprüfung tunlichst spätestens 3 Monate nach der Antragstellung erfolgen und tunlichst nicht länger als 6 Monate dauern. Sie umfasst alle in die Zuständigkeit des Finanzamtes Österreich fallenden Abgaben, ausgenommen jene, die von der Lohnsteuerprüfung gemäß § 86 EStG 1988 umfasst sind. Nach Beendigung der Begleitung einer Unternehmensübertragung sind die von dieser umfassten (Teil-)Betriebe für die jeweils umfassten Zeiträume von einer Außenprüfung auszunehmen („partielles Wiederholungsverbot“).

Während der Begleitung der Unternehmensübertragung besteht eine erhöhte Offenlegungspflicht und ein laufender Kontakt zwischen dem voraussichtlichen Erwerber und den Organen des Finanzamtes Österreich. Zusätzlich zu anderen abgabenrechtlichen Offenlegungspflichten sind jene Sachverhalte offenzulegen, die für die Übertragung des (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils von Relevanz sind und bei denen ein Risiko besteht, dass diese durch das Finanzamt Österreich abweichend beurteilt werden und folglich auch nicht unerhebliche Auswirkungen auf das steuerliche Ergebnis haben könnten. Diese Offenlegung hat ohne Aufforderung des Finanzamtes zu erfolgen.

Da die Umsetzung der Begleitung einer Unternehmensübertragung einer gewissen Vorlaufzeit seitens der Abgabenbehörden (sowohl in administrativer als auch technischer Hinsicht) bedarf, ist das Inkrafttreten erst mit 1. 12. 2024 vorgesehen. Anträge auf Begleitung einer Unternehmensübertragung können frühestens ab dem 1. 1. 2025 gestellt werden.

Im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes sind im Fall einer Betriebsübergabe (Betriebsübertragung iSd § 3 AVRAG) für die ersten 2 Jahre nach der Übergabe folgende Erleichterungen geplant (rückwirkend bereits ab 1. 1. 2024):

  • Werden Sicherheitsvertrauenspersonen bestellt, so muss die Mitteilung über die erfolgte Bestellung an das Arbeitsinspektorat gemäß § 10 Abs 8 ASchG nicht unmittelbar nach Bestellung der Sicherheitsvertrauensperson erfolgen, sondern kann innerhalb des zweijährigen Zeitraums ab der Betriebsübergabe vorgenommen werden.
  • Der Arbeitsschutzausschuss ist abweichend von § 88 Abs 5 erster Satz ASchG nur mindestens einmal innerhalb der 2 Jahre einzuberufen. Vorsitz, Einladung und Protokoll sind in diesem Zeitraum an keine Formerfordernisse gebunden.

3. Verwaltungsvereinfachungen im Gewerberecht

Vor dem Hintergrund, dass gerade eine Betriebsübergabe ein Anlass ist, das Geschäftsmodell, das Geschäftsumfeld sowie die Struktur des übernommenen Unternehmens zu evaluieren und an aktuelle Gegebenheiten anzupassen, erscheint es angemessen, dass die nicht mehr zeitgemäße Verpflichtung, einen Firmenbuchauszug vorlegen zu müssen, durch die ohnedies längst mögliche gewerbebehördliche elektronische Validierung des Firmenbuchstandes ersetzt wird. Für jene Anmeldeverfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens (Tag nach Kundmachung im BGBl) bereits anhängig waren, soll in einer Übergangsbestimmung festgelegt werden, dass auch bei diesen Verfahren mit der amtswegigen elektronischen Validierung des Firmenbuches das Auslangen zu finden ist (es kommt aber zu keiner rückwirkenden Gebührenbefreiung nach bereits erfolgter Erfüllung der Vorlage bei anhängigen Gewerbeanmeldungsverfahren).

Darüber hinaus werden bei Betriebsübergaben üblicherweise nicht nur das übernommene Unternehmen, sondern auch die übernommenen Betriebseinrichtungen der gewerblichen Betriebsanlage evaluiert und modernisiert. In diesem Zusammenhang soll es im gewerblichen Betriebsanlagenrecht zu einer höheren Flexibilität des Genehmigungskonsenses kommen: Im § 353 GewO 1994 soll unmissverständlich klargestellt werden, dass bei den Einreichunterlagen künftig keine unverhältnismäßigen Detailangaben mehr erforderlich sind, sondern Rahmenangaben von Prozess-, Leistungs- oder Emissionsdaten und Stoffeigenschaften und -mengen durchaus ausreichen, um die erforderlichen behördlichen Beurteilungen treffen zu können.



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