Informationsfreiheits-Anpassungsgesetz – BMF

GesetzgebungSteuerrechtSadloJuli 2025

Neuformulierung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht und Neusystematisierung des Abschnitts „Geheimhaltungspflicht und Datenschutz“ in der BAO

Inkrafttreten

1.9.2025

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

24.7.2025

Betroffene Normen

BAO, BewG, BFGG, BoSchätzG, EU-BStbG, FinStrG

Betroffene Rechtsgebiete

Verfahrensrecht, Finanzstrafrecht

Quelle

BGBl I 2025/50

Bundesgesetz, mit dem ua das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Glücksspielgesetz, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespensionskasse AG, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Börsegesetz 2018, das Investmentfondsgesetz 2011, das Kapitalmarktgesetz 2019, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Nationalbankgesetz 1984, das Abschlussprüfer-Aufsichtsgesetz, das PEPP-Vollzugsgesetz, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz, das Mineralrohstoffgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz, das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Finanzstrafgesetz, das Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (Informationsfreiheits-Anpassungsgesetz
 – 9. Abschnitt Finanzen); BGBl I 2025/50 vom 24. 7. 2025 (AA 9. 7. 2025, AA-19 BlgNR 28. GP AB 26. 6. 2025, 151 BlgNR 28. GP RV 18. 6. 2025, 129 BlgNR 28. GP ; ME 22. 5. 2025, 27/ME NR 28. GP )

Allgemeiner Hintergrund

Mit 1. September 2025 werden die wesentlichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird, BGBl I 2024/5, in Kraft treten. Die gemäß Art 20 Abs 3 B‑VG verfassungsgesetzlich geschützte Amtsverschwiegenheit wird damit außer Kraft treten. Gleichzeitig wird ein neuer Art 22a B‑VG in Kraft treten, der – einerseits proaktive und andererseits auf Antrag zu erfüllende – Informationsverpflichtungen mit bestimmten Ausnahmen (Geheimhaltungsgründen) verfassungsgesetzlich vorsieht (vgl Art 22a Abs 1 bis 3 B‑VG iVm Art 151 Abs 68 B‑VG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I 2024/5). Ausgeführt werden die neuen Verfassungsbestimmungen im begleitenden Informationsfreiheitsgesetz – IFG, BGBl I 2024/5.

In zahlreichen einfachgesetzlichen Bestimmungen wird jedoch noch auf die Amtsverschwiegenheit (das Amtsgeheimnis) Bezug genommen. Insbesondere all diese Bestimmungen waren in inhaltlicher und auch in legistisch-terminologischer Hinsicht auf ihre Übereinstimmung mit den künftigen verfassungsgesetzlichen Vorgaben zu prüfen und gegebenenfalls an diese anzupassen. Zugleich macht die Aufhebung der bisher für alle funktionellen Verwaltungsorgane verfassungsgesetzlich geltenden Amtsverschwiegenheit zum Teil eine Neujustierung einfachgesetzlicher Geheimhaltungspflichten erforderlich, insbesondere in anderen Regelungszusammenhängen als in den Fällen der Erledigung von Informationsbegehren bzw der (proaktiven) Veröffentlichung.

Die zuständigen Bundesministerien haben die Gesetze im eigenen Wirkungsbereich im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit der Informationsfreiheit und einen allfälligen Regelungsbedarf überprüft. Zu diesem Zweck wurden Gesetzentwürfe ausgearbeitet und im Mai 2025 zur allgemeinen Begutachtung versendet. Nach der Einarbeitung der Ergebnisse der Begutachtungsverfahren durch die Bundesministerien hat das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst den zusammenfassenden Gesetzentwurf (RV 129 BlgNR 28. GP ) vorgelegt. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat am 26. Juni 2025 die Novelle plenarreif gemacht. Die Beschlussfassung im Nationalrat unter Berücksichtigung eines im Zuge der Debatte eingebrachten Abänderungsantrags mit redaktionellen Anpassungen erfolgte am 9. Juli 2025 und der Bundesrat gab am 26. Juni 2025 grünes Licht.

Nachstehend werden ausgewählte Aspekte zu den vom BMF angepassten Materiengesetzen – im 9. Abschnitt (Finanzen) des Informationsfreiheits-Anpassungsgesetzes – dargestellt, darüber hinaus wird auf den besonderen Teil der parlamentarischen Erläuterungen verwiesen.

Änderung der BAO betr abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht und Datenschutz

Mit 1. September 2025 entfällt Art 20 Abs 3 B-VG (Art 151 Abs 68 B-VG) und damit auch die bisherige verfassungsrechtliche Grundlage für das Amtsgeheimnis. Gleichzeitig tritt das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. Der Entfall des Amtsgeheimnisses macht auch eine Anpassung der einfachgesetzlichen Bestimmung des § 48a BAO notwendig. Mit der Neufassung wird sichergestellt, dass die Geheimhaltungsverpflichtung jenen Umfang nicht überschreitet, der verfassungsrechtlich ab dem 1. September 2025 zulässig ist. Zusätzlich wird im Sinne eines in sich schlüssigen Konzeptes der Datenverarbeitung eine engere Abstimmung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht (gemeinhin als Steuergeheimnis bezeichnet) mit dem Datenschutzrecht vorgenommen.

Mit der Neufassung wird erstmals eine Paragraphenüberschrift vor § 48a BAO eingefügt. Diese lautet „Abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht“. Die Einschränkung des Wortlauts des Abs 1 auf „personenbezogene Daten“ hat folgenden Hintergrund: Der bisherige § 48a Abs 1 BAO enthält bloß eine plakative Formel, aus der sich nichts über den Umfang und die Abgrenzung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht ableiten lässt. Den Umfang der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht bestimmen bisher ausschließlich die Abs 2 bis 4. Aus diesen ergibt sich allerdings eindeutig, dass die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht nur für „der Öffentlichkeit unbekannte Verhältnisse oder Umstände eines anderen“ gilt. Dieser Ausdruck wird in den Abs 2 bis 4 durch den Ausdruck „der Öffentlichkeit unbekannte personenbezogene Daten“ ersetzt. Der Begriff „personenbezogene Daten“ entspricht der Legaldefinition des Art 4 Z 1 DSGVO sowie des § 36 Abs 2 Z 1 DSG. Die DSGVO und das 3. Hauptstück des DSG gelten ausschließlich für natürliche Personen (Art 1 Abs 1 DSGVO; § 36 Abs 2 Z 1 DSG). Die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht soll aber wie bisher auch juristische Personen und Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) umfassen. Daher wird der letzte Satz des Abs 1 die Anordnung enthalten, dass für Zwecke der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht auch Daten von juristischen Personen und Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) wie personenbezogene Daten natürlicher Personen zu behandeln sind. Weil durch § 48a Abs 1 letzter Satz BAO die Anwendung der DSGVO unterstellt wird, gelten die Durchbrechungstatbestände des Abs 4 auch für juristische Personen und Personenvereinigungen (Personengemeinschaften).

Wie bisher gilt die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht aufgrund des § 2a BAO auch für das Bundesfinanzgericht bzw in abgabenrechtlichen Verwaltungsstrafverfahren für die Verwaltungsgerichte der Länder.

Der bisherige Text des Abs 4, der die Durchbrechungstatbestände der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht umfasst hat, wird neu gefasst. Grundsätzlich knüpft die Neufassung des Abs 4 die Durchbrechung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht an das Vorliegen von Grundlagen für die Offenbarung oder Verwertung von personenbezogenen Daten. Allerdings werden die in § 48a Abs 1 BAO angeführten Verfahren in der Neufassung des § 48a Abs 4 BAO weiterhin ausdrücklich angeführt, um die bisherige Ausnahme vom Abgabengeheimnis des § 48a Abs 4 lit a BAO (alt) fortzuführen. Damit wird sichergestellt, dass Daten aus einem Abgabenverfahren, die für die Durchführung eines anderen Abgabenverfahrens, eines Tabakmonopolverfahrens, eines Finanzstrafverfahrens oder abgabenrechtlichen Verwaltungsstrafverfahrens erforderlich sind, offenbart oder verwertet werden können. Eine Offenbarung bzw Verwertung von personenbezogenen Daten ist dann zulässig, wenn eine datenschutzrechtliche Grundlage für die Datenverarbeitung vorliegt. Diese Grundlagen können sich danach unterscheiden, ob die Offenbarung oder Verwertung im Anwendungsbereich der DSGVO, des FinStrG oder des DSG erfolgt. Insbesondere in Abgabenverfahren und Tabakmonopolverfahren sind die Bestimmungen des Art 6 Abs 1 lit a, c und e DSGVO einschlägig, soweit es sich nicht um eine besondere Kategorie personenbezogener Daten handelt.

Besteht eine Informationserteilungspflicht aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes, stellt dies einen Durchbrechungstatbestand der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht dar. Das ergibt sich bereits aus Art 6 Abs 1 lit c iVm Abs 3 DSGVO, weshalb der vorletzte Satz des § 48a Abs 4 BAO bloß deklaratorischer Natur ist. In Bezug auf Abgabenverfahren und Tabakmonopolverfahren sind vor allem folgende drei Ausnahmetatbestände des IFG einschlägig:

  1. 1. die Vorbereitung einer Entscheidung,
  2. 2. die Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers und
  3. 3. die Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen.

Bei der Beurteilung der Informationserteilungspflicht ist eine Interessenabwägung zwingend erforderlich (vgl AB 2420 27. GP , 19 ff). Daher kommt es zu einer Informationserteilung nur dann, wenn nicht einer der von Art 22a Abs 2 zweiter Satz B-VG vorgesehenen Geheimhaltungsgründe das Interesse an der Informationserteilung überwiegt. Ein wesentlicher Geheimhaltungsgrund ist beispielsweise das „überwiegende berechtigte Interesse eines anderen“. Dazu zählt insbesondere das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs 1 DSG (vgl AB 2420 27. GP , 13). Bei den bisher vom Abgabengeheimnis umfassten Informationen handelt es sich typischerweise um personenbezogene Daten. Daher wird das Recht auf den Schutz der personenbezogenen Daten in der überwiegenden Anzahl der Fälle ein wesentliches Abwägungskriterium im Rahmen der Prüfung, ob eine Pflicht zur Informationserteilung besteht, sein. Das gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen.

Gegenüber Verwaltungsbehörden oder Gerichten ist eine Offenbarung oder Verwertung von personenbezogenen Daten in Fällen, in denen

  • keine rechtliche Verpflichtung (Art 6 Abs 1 lit c DSGVO) dazu besteht,
  • die Datenübermittlung nicht im lebenswichtigen Interesse (Art 6 Abs 1 lit d DSGVO) des Betroffenen liegt oder
  • keine Zustimmung des Betroffenen zur Übermittlung (Art 6 Abs 1 lit a DSGVO) vorliegt,

nur dann zulässig, wenn die anfragende Verwaltungsbehörde oder das anfragende Gericht bei der Ermittlung des zu Grunde liegenden Sachverhalts von Amts wegen vorzugehen hat. Die Einschränkung auf amtswegig zu führende Verfahren hat den Hintergrund, dass eine Offenbarung stets im öffentlichen Interesse zu liegen hat. Auch wenn unterstellt werden kann, dass an Gerichtsverfahren per se ein öffentliches Interesse besteht, gibt es doch erhebliche Unterschiede in den Prozessmaximen. Während amtswegig zu führende Verfahren zweifelsfrei immer im öffentlichen Interesse liegen (materielle Wahrheitsfindung), steht bei Zivilverfahren das Parteiinteresse im Vordergrund (formelle Wahrheitsfindung). Im Ergebnis wird der letzte Satz des Abs 4 sicherstellen, dass die diesbezügliche bisherige Rechtsauffassung und -praxis zu § 48a BAO (alt) durch die Neufassung keine Änderung erfährt.

In § 48b BAO wird ergänzend zum bisherigen § 48b (nunmehr § 48c) eine allgemeine gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung geschaffen . Der Inhalt entspricht dem bisherigen § 48d BAO.

Einhergehend mit der Anpassung der Bundesabgabenordnung und dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes werden entsprechende Anpassungen im Bundesfinanzgerichtsgesetz, EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz, Bewertungsgesetz, Bodenschätzungsgesetz und Finanzstrafgesetz vorgenommen.



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