Sozialrechts-Änderungsgesetz 2023

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrJänner 2024

ua Ausweitung der Informationsansprüche von Teilzeitbeschäftigten; Rahmenfristerstreckung beim Altersteilzeitgeld durch selbstständige Tätigkeit; Verbesserungen für erwerbstätige Pensionsbezieher; höherer Pensionsbonus für längeres Arbeiten; Ausweitung der Pensionskontoinformation; Toleranzgrenze beim Zuverdienst bei Korridor- und Schwerarbeitspension

Inkrafttreten

1.1.2024

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

1.1.2024

Betroffene Normen

AlVG, APG, ASVG, AZG, BSVG, GSVG, LAG

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht

Quelle

BGBl I 2023/189

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Landarbeitsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz geändert werden sollen (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2023 – SRÄG 2023); BGBl I 2023/189 vom 31. 12. 2023 (AA-355 BlgNR 27.GP , AB 2391 BlgNR 27. GP , 3743/A BlgNR 27. GP )

1. Überblick

Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2023 sieht zahlreiche, nicht unbedingt im Zusammenhang stehende Änderungen in mehreren Gesetzen vor. So gibt es unter anderem einen höheren Pensionsbonus für längeres Arbeiten und werden die Pensionsbeiträge für Pensionisten teilweise übernommen, die neben der Pension erwerbstätig sind. Im Sinne der Bewusstseinsbildung wird die schon bestehende jährliche Pensionskontoinformation für ältere Beschäftigte ausgeweitet: Versicherte ab dem 55. Lebensjahr sind jedes Jahr darüber zu informieren, welche Auswirkung ein unterschiedliches Pensionsantrittsalter auf ihre Pension hat. Zuletzt kommt es noch zu Verbesserungen für Teilzeitbeschäftigte und im Zusammenhang mit der Altersteilzeit.

Gegenüber dem Initiativantrag kam es im Ausschuss für Arbeit und Soziales (AB 2391 BlgNR 27 GP ) noch zu kleineren Änderungen und Anpassungen, insbesondere iZm der Übernahme der Dienstnehmerbeiträge zur Pensionsversicherung und der Pensionskontoinformation. Im Nationalrat wurde schließlich noch ein Abänderungsantrag angenommen (AA-355 BlgNR 27. GP ), der die Durchführung von COVID-19-Tests im niedergelassenen Bereich sowie die Verfügung über Impfstoffe und Bedarfsmaterialien zur Verabreichung von COVID-19-lmpfstoffen sowie über COVID-19-Arzneimittel betrifft.

Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen durch die Gesetzesnovelle zusammengefasst dargestellt.

2. Verbesserungen für Teilzeitbeschäftigte

Nach § 19d Abs 2a AZG sind Arbeitgeber schon derzeit verpflichtet, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer von im Betrieb freiwerdenden Arbeitsplätzen, die zu einem höheren Arbeitszeitausmaß führen können, zu informieren. Die Information kann auch durch allgemeine Bekanntgabe an einer geeigneten, für die Teilzeitbeschäftigten leicht zugänglichen Stelle im Betrieb, durch geeignete elektronische Datenverarbeitung oder durch geeignete Telekommunikationsmittel erfolgen. Dadurch soll es Arbeitnehmern erleichtert werden, ihre Arbeitszeit und damit ihr Einkommen zu erhöhen. Künftig gilt diese Informationspflicht (nicht nur für freiwerdende, sondern) auch für neue Arbeitsplätze, die entweder bereits vor der Aussendung der Information geschaffen wurden und noch nicht besetzt sind, oder die in näherer Zukunft geschaffen werden sollen.

Zusätzlich zur schon bestehenden Strafsanktion des § 28 Abs 1 Z 6 AZG für die Nichtbeachtung dieser Informationsverpflichtung (Geldstrafe von € 20,- bis € 436,-) wird mit dem neuen § 19d Abs 2b AZG zusätzlich ein pauschalierter Schadenersatzanspruch der Teilzeitbeschäftigten iHv € 100,- eingeführt. Dies erscheint den Regierungsparteien zur Verhinderung von unfreiwilliger Teilzeitarbeit sinnvoll.

Das Gesetz schreibt keinen Zeitpunkt vor, bis zu dem die Teilzeitbeschäftigten informiert werden müssen. Dies muss nur so rechtzeitig erfolgen, dass Teilzeitbeschäftigte sich noch um die Vollzeitstelle bewerben können. Wird daher ein Arbeitgeber vor der tatsächlichen Nachbesetzung von Teilzeitbeschäftigten darauf hingewiesen, dass die Informationsverpflichtung ihnen gegenüber verletzt wurde, kann der Arbeitgeber die Information immer noch nachholen und so einen Schadenersatzanspruch der Teilzeitbeschäftigten vermeiden. Abweichende Regelungen durch Kollektivvertrag sind sowohl zur Höhe des pauschalierten Schadenersatzes als auch hinsichtlich der Voraussetzungen für den Schadenersatz möglich.

Die Änderungen treten mit 1. 1. 2024 in Kraft. Eine entsprechende Regelung wird auch im Landarbeitsgesetz umgesetzt.

3. Änderungen bei der Altersteilzeit

Nach derzeitigem Recht setzt der Anspruch auf Altersteilzeitgeld ua eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung im Ausmaß von 15 Jahren in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruchs voraus (§ 27 Abs 2 Z 1 AlVG). Die Rahmenfrist wird um arbeitslosenversicherungsfreie Zeiten der Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres erstreckt. Mit 1. 7. 2024 wird nun die Rahmenfrist für den Zugang zur Altersteilzeit auch um Zeiträume einer selbstständigen Erwerbstätigkeit erstreckt, sofern diese Zeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG unterlagen oder gemäß § 5 GSVG davon ausgenommen waren. Damit wird auch Personen, die in ihrem Versicherungsverlauf längere Zeiträume einer Pflichtversicherung nach dem GSVG aufweisen, der Zugang zur Altersteilzeit ermöglicht, da auch auf Arbeitslosenversicherungszeiten vor der Selbstständigkeit zurückgegriffen werden kann.

Das Ausmaß von 15 Jahren (780 Wochen) arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung muss gleichfalls erfüllt werden. Eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG oder BSVG aufgrund einer Erwerbstätigkeit erstreckt hingegen die Rahmenfrist nicht. Sich überlagernde Zeiträume, die die Rahmenfrist erstrecken, können nur einmal berücksichtigt werden.

4. Verbesserungen für erwerbstätige Pensionisten
4.1. Wegfall der PV-Dienstnehmerbeiträge

Im Hinblick auf den zunehmenden Fachkräftemangel wird ein weiterer Anreiz für eine Erwerbstätigkeit neben dem Pensionsbezug aus eigener Pensionsversicherung ab Erreichung des Regelpensionsalters gesetzt, indem der Bund jenen Beitragsteil, der in der Pensionsversicherung auf die versicherte Person fällt, bis zu einer Höhe von 10,25 % der doppelten Geringfügigkeitsgrenze übernimmt, im Jahr 2024 somit maximal € 106,28 (§ 54b ASVG und Parallelrecht). Das bedeutet, dass die Beitragsübernahme des Bundes bis zu jener Höhe der Beitragsgrundlage erfolgt, die dem Doppelten der Geringfügigkeitsgrenze entspricht, und zwar unter Heranziehung des Beitragssatzes für den Anteil der versicherten Person am Pensionsversicherungsbeitrag; Sonderbeiträge sind nicht umfasst. Durch die Beitragsübernahme wird die Pensionsleistung der begünstigten Personen (Gutschrift im Pensionskonto, besondere Höherversicherung) nicht geschmälert.

Auch selbstständig erwerbstätige Pensionsbezieher, die nach dem GSVG oder BSVG in der Pensionsversicherung pflichtversichert sind und das Regelpensionsalter bereits erreicht haben, werden im gleichen Ausmaß wie die nach dem ASVG pflichtversicherten Pensionsbezieher entlastet.

Liegen neben dem Bezug einer Pensionsleistung ab Erreichung des Regelpensionsalters mehrere Pflichtversicherungen für eine Person vor, so erfolgt die Beitragsübernahme durch den Bund insgesamt maximal bis zu dem monatlichen Betrag (€ 106,28 im Jahr 2024). Der zuständige Versicherungsträger hat nicht entrichtete Beitragsteile, die aufgrund dieser Begrenzung nicht durch die Beitragsübernahme des Bundes gedeckt sind, der versicherten Person vorzuschreiben. Diese hat die Beiträge nachzuentrichten. Bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände kann der Versicherungsträger eine Nachentrichtung in Teilbeträgen zulassen. Die im Initiativantrag noch vorgesehene Frist für die Nachentrichtung der Beiträge (bis zum 31. März des Jahres, das dem Kalenderjahr der Beitragsübernahme folgt), ist nunmehr entfallen, da die Festlegung der maßgeblichen Fristen in die Richtlinienkompetenz des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger fallen soll und deshalb keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf.

Wegen der noch erforderlichen technischen Anpassungen erfolgt die Verrechnung der Beitragsübernahme rückwirkend nach Vorliegen der technischen Anpassungen in allen betroffenen Systemen.

Die Änderung tritt mit 1. 1. 2024 in Kraft und gilt vorerst bei Ende 2025; bis Ende März 2025 soll die Regelung von Dachverband zu evaluieren.

4.2. Höherer Pensionsbonus für längeres Arbeiten

Nimmt ein Versicherter die Alterspension nicht schon mit der Erreichung des Regelpensionsalters, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch, gebührt derzeit ein Zuschlag iHv 4,2 % für je 12 Monate der späteren Inanspruchnahme der Alterspension (§ 261c ASVG). Dieser Bonus wird ab 2024 – in Entsprechung der Abschläge bei Inanspruchnahme der Korridorpension (vgl § 5 Abs 2 APG) – auf 5,1 % der Leistung pro Jahr des Pensionsaufschubs (bzw 0,425 % pro Monat des Aufschubs) angehoben. Dies dient der Attraktivierung eines späteren Pensionsantritts und der damit verbundenen Kostenersparnis für die öffentliche Hand, die durch den Bundesbeitrag zur Finanzierung der Pensionen beiträgt. Als Einschränkung gilt, dass die Pension 94,28 % der gesamten Bemessungsgrundlage (derzeit: 91,76 %) nicht überschreiten darf.

5. Ausweitung der Pensionskontoinformation

Zur Bewusstseinsbildung über die Auswirkungen einer längeren Erwerbstätigkeit und des Erwerbs zusätzlicher Versicherungszeiten auf die Leistungen der gesetzlichen Pensionsversicherung soll eine gesetzliche Grundlage für die – in der Praxis bereits stattfindende – jährliche Information von erwerbstätigen Pflichtversicherten, die das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, über ihre künftigen Pensionsansprüche geschaffen werden. Aus der Information sollen insbesondere Unterschiede in der Pensionshöhe ersichtlich sein, die sich (bei gleichbleibendem Erwerbseinkommen) aus unterschiedlichen Zeitpunkten des Pensionsantritts unter Einschluss der Abschläge bei Pensionsantritt vor dem Regelpensionsalter bzw der Bonifikation bei Aufschiebung der Geltendmachung des Pensionsanspruchs ergeben. Aus der Information ergeben sich keine Rechtsansprüche. Die noch im Initiativantrag enthaltene Regelung, dass konkret auch auf Angebote zur Gesundheitsvorsorge hinzuweisen ist, ist doch wieder entfallen.

Darüber hinaus wird normiert, dass die Pensionsvorausberechnungsmitteilung eine Information über die Möglichkeit eines persönlichen Beratungsgespräches über die künftigen Pensionsansprüche, insbesondere im Hinblick auf die Verminderung der Leistung bei Pensionsantritt vor dem Regelpensionsalter und die Erhöhung der Leistung bei Aufschiebung der Geltendmachung des Pensionsanspruchs, zu enthalten hat.

Die Mitteilung kann aber ausgesetzt werden, wenn gesetzliche Änderungen erfolgen, die technisch nicht rechtzeitig umgesetzt werden können, oder wenn für eine größere Personengruppe notwendige Daten nicht vorhanden sind.

6. Zuverdienst bei Korridor- und Schwerarbeitspension

Für Personen, die eine Korridor- bzw eine Schwerarbeitspension beziehen, wird eine Toleranzgrenze beim erlaubten Zuverdienst eingeführt. Bei Bezug von Sonderzahlungen kommt es bei Personen, die neben dem Pensionsbezug eine geringfügige Erwerbstätigkeit ausüben, mitunter ungewollt zu einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze, wodurch die Pensionsleistung für jenen Zeitraum wegfällt, in dem dieses Erwerbseinkommen bezogen wird. Ab 2024 führt ein Überschreiten der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze (2024: € 518,44) nicht mehr automatisch zum Wegfall der Pensionsleistung, wenn und solange die Überschreitungsbeträge im Kalenderjahr (in Summe) 40 % der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze (Toleranzgrenze 2024: € 207,37) nicht überschreiten. (§ 9 Abs 1 APG)



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