Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrMärz 2024

Neustrukturierung der Berufskrankheitenliste sowie Ergänzung und Streichung einzelner Berufskrankheiten; Umstellung der Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten auf vorrangig elektronische Übermittlung

 

Inkrafttreten

1.3.2024

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

28.3.2024

Betroffene Normen

 

Betroffene Rechtsgebiete

 

Quelle

BGBl I 2024/18

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz); BGBl I 2024/18 vom 28. 3. 2024 (AB 2443 BlgNR 27. GP ; 3870/A BlgNR 27. GP )

1. Überblick

Als Berufskrankheiten gelten die in der Anlage 1 zum ASVG bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht sind (§ 177 Abs 1 ASVG). Die bisher in Geltung stehende Berufskrankheitenliste ist eine historisch gewachsene Liste, die bei Ergänzung neuer Berufskrankheiten in der Regel um die entsprechenden Positionen erweitert wurde. Sie umfasst Erkrankungen, die in bestimmten Berufsgruppen bzw bei bestimmten Expositionen deutlich häufiger auftreten als in der Normalbevölkerung. Für die Aufnahme einer Erkrankung in die Liste der Berufskrankheiten müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Es muss wissenschaftliche Evidenz eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Art der Erkrankung und einer oder mehreren Expositionen gegeben sein.
  • Es muss in bestimmten Expositionen bzw bei bestimmten Tätigkeiten eine entsprechend große Anzahl an Fällen aufgetreten sein.
  • Es muss eine klare Zuordnung zwischen Exposition und Zielorgan gegeben sein.
  • Es muss eine klare medizinische Diagnose gestellt werden können (Vollbeweis).
  • Die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung ist dann gegeben, wenn es wahrscheinlicher ist, dass eine Erkrankung durch die berufliche Tätigkeit als durch außerberufliche Faktoren verursacht wurde. Diese Voraussetzung für die Aufnahme in die Liste ist erfüllt, wenn durch wissenschaftliche Evidenz belegt ist, dass eine bestimmte Krankheit bei bestimmten beruflichen Expositionen mindestens doppelt so häufig auftritt wie in der Allgemeinbevölkerung (Verdoppelungsrisiko).

Bei einzelnen Berufskrankheiten kann eine Eingrenzung auf bestimmte Tätigkeiten bzw Berufsgruppen erfolgen, wenn nur in diesen Gruppen bzw bei diesen Tätigkeiten eine entsprechende wissenschaftliche Evidenz gegeben ist.

Zuletzt erfolgte eine Erweiterung der Berufskrankheitenliste basierend auf einer Einigung der Sozialpartner durch BGBl I 2012/123, ARD 6288/8/2013. Mit dem vorliegenden Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz wurde nunmehr eine Neustrukturierung der Berufskrankheitenliste sowie eine Ergänzung und Streichung einzelner Berufskrankheiten vorgenommen. Die Neueregelung tritt rückwirkend mit 1. 3. 2024 in Kraft und sieht eine Übergangsregelung für jene Krankheiten vor, die aufgrund dieses Bundesgesetzes nunmehr als Berufskrankheit gelten (siehe Pkt 4).

2. Überarbeitung der Berufskrankheitenliste

Die Berufskrankheitenliste wird gänzlich neu strukturiert und bekommt ein Inhaltsverzeichnis. Materiell-rechtliche Änderungen ergeben sich durch das Inhaltsverzeichnis sowie die Neustrukturierung nicht.

Die Schaffung von Gruppen von Berufskrankheiten soll wesentlich zur Übersichtlichkeit der Liste beitragen. Durch die bessere Lesbarkeit und einfachere Einordnung bzw Auffindbarkeit von Erkrankungen in der Berufskrankheitenliste soll auch ein niederschwelliger Zugang und damit eine höhere Verbreitung in den unterschiedlichen Facharztgruppen erreicht werden.

Die Bedingung zur Anerkennung von Hautkrankheiten als Berufskrankheit im § 177 Abs 1 ASVG („wenn und solange sie zur Aufgabe schädigender Tätigkeiten zwingen“) wird zur einfacheren Handhabbarkeit der Berufskrankheitenliste von § 177 ASVG in die Anlage 1 zur einschlägigen Nr 2.1. verschoben. Wie bisher ist die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Hautkrankheit eine Erscheinungsform einer Allgemeinerkrankung ist, die durch Aufnahme einer oder mehrerer der in der Anlage 1 angeführten schädigenden Stoffe in den Körper verursacht wurde.

Folgende vier Krankheiten wurden neu in die Berufskrankheitenliste aufgenommen:

  • Hypothenar-/Thenar-Hammersyndrom
  • Fokale Dystonien bei Instrumentalmusikerinnen und -musikern
  • Plattenepithelkarzinom, aktinische Keratosen der Haut durch UV-Exposition
  • Ovarialkarzinom nach Asbest-Exposition

Die bisherige Nr 29 („Erkrankungen durch Thomasschlackenmehl“) soll mangels praktischer Relevanz gestrichen werden.

3. Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten

Nach der derzeitigen Rechtslage sind Meldungen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten an den Unfallversicherungsträger „auf einem von diesem aufzulegenden Vordruck“ vorzunehmen. Um die Meldequote zu erhöhen, wurde § 363 ASVG dahin abgeändert, dass Meldungen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten nunmehr vorrangig elektronisch übermittelt werden sollen. Die Erstattung von Meldungen in physischer Form (zB mittels eines Vordrucks) bleibt aber weiterhin möglich; die Meldung hat aber jedenfalls schriftlich zu erfolgen.

4. Inkrafttreten

Die Änderungen treten rückwirkend mit 1. 3. 2024 in Kraft.

Wie bei bisherigen Ergänzungen der Berufskrankheitenliste wurde auch eine entsprechende Übergangsregelung für jene Krankheiten vorgesehen, die aufgrund dieses Bundesgesetzes nunmehr als Berufskrankheit gelten (dies betrifft ausschließlich die Neuaufnahmen in die Berufskrankheitenliste – siehe Pkt 3). Leidet der Versicherte am 1. 3. 2024 an einer solchen neu aufgenommenen Berufskrankheit oder ist er vor dem 1. 3. 2024 an einer solchen Krankheit gestorben, so sind an ihn oder an seine Hinterbliebenen die Leistungen der Unfallversicherung zu erbringen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. 12. 1955 eingetreten ist. Die Leistungen sind frühestens ab 1. 3. 2024 zu erbringen, wenn der Antrag bis zum Ablauf des 28. 2. 2025 gestellt wird; wird der Antrag nach dem 28. 2. 2025 gestellt, so gebühren die Leistungen frühestens ab dem Tag der Antragstellung.



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