Bei den meisten von Gerichten in Auftrag gegebenen Gutachten wird vor der Auftragserteilung bei dem vom Gericht ins Auge gefassten Gutachter angefragt, ob dieser/diese bereit wäre, diesen Gutachtensauftrag zu übernehmen. Für den so angefragten Gutachter empfiehlt es sich, sich am Telefon vorlesen zu lassen, wer an diesem Fall beteiligt war. Wenn Ärzte beteiligt waren, mit denen ein Naheverhältnis besteht – zB ein ehemaliger Chef, ein ehemaliger Assistent, ein langjähriger Kollege, ein Studienfreund, aber auch ein Kollege, den der angefragte Gutachter noch nie leiden konnte, dann empfiehlt es sich dringend, das Gutachten wegen Befangenheit abzulehnen! Österreich ist andererseits zu klein, als dass man als Sachverständiger jedes Gutachten ablehnen könnte, wo unter den Ärzten der beklagten Partei jemand vorkommt, den man einmal bei einem Kongress gesehen hat. In solchen Fällen muss man als Sachverständiger genau pro und kontra abwägen, bevor man sich zur Übernahme des Gutachtens entschließt. Wurde der Gutachtensauftrag vom Gericht aber erteilt, ohne dass vorher angefragt wurde, muss die Ablehnung mit Begründung meist schriftlich ausformuliert werden: „Ich habe mit dem Beklagten Dr X gemeinsam zwei Jahre der Facharztausbildung im Krankenhaus Y gemacht, ich bin Taufpate seiner Tochter. Seit 8 Jahren organisieren wir gemeinsam die Winter-Fortbildung unserer Fachgesellschaft in Lech. Wer unsere beiden Namen in eine Internet-Suchmaschine eingibt, wird mindestens ein Dutzend Verweise finden, in denen wir gemeinsam aufgeführt sind.“
Seite 532
