Susanne Kalss
Europarechtliche Grundlagen
Die Verwirklichung der Marktfreiheiten ist ein wesentliches Ziel der europäischen Gemeinschaft; wesentlicher Baustein dafür ist es, die Funktionsfähigkeit der fragmentierten nationalen Kapitalmärkte durch Integration zu fördern. Die maßgeblichen primärrechtlichen <i>Kalss</i> in <i>Holoubek/Potacs</i> (Hrsg), Öffentliches Wirtschaftsrecht<sup>Aufl. 4</sup> (2019) Kapitalmarktrecht, Seite 3 Seite 3
Grundlagen bilden die Kapitalverkehrs- (Art 63 AEUV), die Dienstleistungs- (Art 56 AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art 49 AEUV). Der EuGH bestätigte mehrfach die Geltung der Kapitalverkehrsfreiheit im Bereich der Kapitalmärkte (zB Begebung von Anleihen, Portfolioinvestition). Bereits in den sechziger Jahren wurden in dem Bericht einer Expertengruppe, dem sogenannten Segré-Bericht, die rechtspolitischen Grundlagen für die europaweite Integration gelegt, der auf der Idee der Marktfreiheiten aufbaute. Neben der Vereinheitlichung der Marktzugangserfordernisse bzw der Statuierung von Mindeststandards für Emittenten und Handelsteilnehmer sollte in der gesamten Gemeinschaft mit den Regelinstrumenten der Festlegung von Standards für professionelle Marktteilnehmer und der Regelung der Publizität und Anlegerinformation ein Mindestschutzniveau für aktuelle und potentielle Anleger erreicht werden. Die europarechtlichen Regelungen beruhten zunächst auf dem Konzept der Teilharmonisierung (Festlegung von Mindeststandards), teilweise auch der Vollharmonisierung, der wechselseitigen Anerkennung und der Herkunftslandkontrolle. Nunmehr zeigt sich eine Tendenz zur Vollharmonisierung, dh eine Vorgabe eines Regelungsergebnisses, das den Mitgliedstaaten keine Abweichungen gestattet. Aufgrund der besonders dynamischen Entwicklung der letzten Jahre ist es sinnvoll, den letzten Stand des aktuellen Kapitalmarktrechts auf europäischer Ebene nach der Art der Gesetzgebung in drei Stufen im Lichte der historischen Entwicklung darzustellen. Zu unterscheiden sind (i) die herkömmliche Gesetzgebung; (ii) die Normsetzung nach dem Lamfalussy-Verfahren und (iii) die Normsetzung auf der Grundlage der neuen europäischen Aufsichtsstruktur seit deren Inkrafttreten 2012.