Das Pflegevermächtnis stellt eine der zentralen Neuerungen der Erbrechtsreform dar und wurde bereits im Vorfeld von viel medialer Aufmerksamkeit begleitet. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass pflegenden Angehörigen, die durch ihre, vielfach immens aufopfernden und das eigene Leben einschränkenden Pflegeleistungen die Sozialsysteme entlasten, nun auch von Seiten
<i>Deixler-Hübner</i> in <i>Gruber/Kalss/Müller/Schauer</i> (Hrsg), Erbrecht und Vermögensnachfolge<sup>Aufl. 2</sup> (2017) § 10 Das Pflegevermächtnis, Seite 358 Seite 358
des Gesetzgebers der ihnen für diese Aufgabe gebührende Respekt gezollt wird. Bislang mussten sich diese Personen die
Abgeltung in oft aufreibenden Bereicherungsprozessen gegen die Verlassenschaft bzw die Erben erkämpfen. Vielfach gingen sie überhaupt leer aus, wenn sie ihre gesamte Zeit dem Pflegeeinsatz gewidmet und dadurch auch Geschwister entlastet haben. Diese mussten nach einer verfehlten Rsp weder zu Lebzeiten des Verstorbenen im Rahmen eines Bereicherungsanspruchs ihren Tribut leisten, noch wurde nach dem Tod des Erblassers ihr Erbteil geschmälert. So sprach sich etwa der sechste Senat
explizit dagegen aus, dass, wenn ein Geschwisterteil umfangreiche,
über die allgemeine Beistandspflicht hinausgehende Pflegeleistungen erbringt, dieser einen bereicherungsrechtlichen Verwendungsanspruch gegen den anderen Geschwisterteil hat. Lapidar wurde dies damit begründet, dass die Beistandspflicht des Angehörigen gem § 137 ABGB einen solchen bereicherungsrechtlichen Anspruch ausschließe. Dies ist nicht nur aus Gründen der Fairness nicht sachgerecht, sondern auch dogmatisch verfehlt. Die hM spricht sich bei Vorliegen der sonstigen bereicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Abgeltbarkeit der Beistands- und vor allem Pflegeleistungen aus, wenn diese über den gesetzlich geforderten Bereich hinausgehen. Derselbe Senat hat daher zu Recht einige Zeit später – wohl im Gegensatz zu seiner zuvor geäußerten Rechtsansicht – im sachlich gleichgelagerten Fall der Pflege durch einen Ehegatten einen
Bereicherungsanspruch für jene Leistungen bejaht, die über diese gesetzliche Beistandspflicht iSd §§ 90 f ABGB hinausgehen. Diesen Missstand der gegenteiligen Rsp will offenbar auch der Gesetzgeber durch die Einführung des Pflegevermächtnisses beseitigen, indem er ausdrücklich in den Erläuterungen festhält, dass einer allenfalls bestehenden Beistandspflicht durch § 677 ABGB derogiert wird. Die Formulierung ist zwar etwas irreführend, weil die Beistandsverpflichtung ja trotzdem weiter bestehen bleibt, aber diese
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gesetzliche Vorgabe keinesfalls den Anspruch auf ein Pflegevermächtnis ausschließen kann. Stützen sich diese nahen Angehörigen daher zur Abgeltung ihrer Pflegeleistungen auf § 677 ABGB, so sind auch jene Pflegehandlungen nach den Vorrausetzungen der §§ 677 f ABGB zu honorieren, die innerhalb der Beistandspflicht zu erbringen und somit nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen nicht abgeltbar sind. Diese Leistungen sind daher zwar gem §§ 90 bzw 137 ABGB gefordert, müssen aber nicht unentgeltlich erbracht werden.