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3.12 Bürgerinitiative, Umweltorganisation

Höhne/Jöchl6. AuflOktober 2019

Was eine Bürgerinitiative (BI) ist, ist zwar allgemein bekannt, auch wenn nicht immer Klarheit darüber herrscht, dass eine BI als solche nicht notwendigerweise Rechtspersönlichkeit hat.201201Welch wunderschöne Gegend sich hinter der geheimnisvollen Initiale „S“ verbirgt, mit der ZVR 1995/4 die Entscheidung des UVS Steiermark vom 9. 9. 1993, 30.11-164/93 anonymisiert, wissen wir nicht. Wir erfahren nur, dass es um die „Bürgerinitiative für ein lebenswertes S“ geht. Und wir erfahren auch, dass ein Mitarbeiter dieser BI einen Verstoß gegen die StVO beging – bedauerlicherweise mit einem Fahrzeug, das ein mit der BI sympathisierender Landwirt dieser geborgt hatte. Zur Lenkerauskunft aufgefordert, konnte der sympathisierende Landwirt nur angeben, dass er sein Kfz der „Bürgerinitiative für ein lebenswertes S“ überlassen habe; wer am fraglichen Tag das Kfz gelenkt bzw in gesetzwidriger Weise abgestellt habe, konnte er nicht sagen. Da es sich bei dieser BI um keinen Verein, sondern eine rechtsformlose Interessengemeinschaft handelte, hatte mit dieser Auskunft der freundliche Landwirt allerdings seine Pflicht nach dem KFG nicht erfüllt, da er durch die bloße Angabe einer BI ohne eigene Rechtspersönlichkeit das staatliche Interesse „an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung“ nicht ermöglicht hatte. Der gute Mann musste ATS 1.000,– zahlen und weiß seit damals, dass eine BI keine eigene Rechtspersönlichkeit hat. Eine gesetzliche Definition existiert nicht, auch wenn der Begriff „Bürgerinitiative“ in verschiedenen Gesetzen, allerdings mit durchaus verschiedenem Bedeutungsinhalt, auftaucht. So wird im burgenländischen Landesrecht ein Volksbegehren als „Bürgerinitiative“ bezeichnet, während das UVP-G202202BGBl 1993/697. in seinen §§ 9, 19, 24 und 24f diesen Begriff ebenfalls kennt, allerdings als Gruppe von mindestens 200 Personen, die eine Stellungnahme zu einem Vorhaben eingebracht haben. Eine derartige Personengruppe ist berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den VwGH oder den VfGH zu erheben (§ 19 Abs 4 UVP-G). Die „Bürgerinitiative“ nimmt an dem im Anhang II zum Vorhaben angeführten Leitverfahren (näheres s UVP-G) als Beteiligte mit dem Recht auf Akteneinsicht teil. Allerdings kann eine Bürgerinitiative nur durch Unterstützung einer Stellungnahme gem § 9 Abs 4 UVP-G tätig werden, woraus folgt, dass im Verfahrensstadium vor der öffentlichen Auflage der Unterlagen zum Vorhaben eine rechtmäßige Konstituierung der Bürgerinitiative nicht zustande kommen kann. In einem solchen Fall hat sie daher auch keine Rechtspersönlichkeit und somit auch kein Beschwerderecht vor dem VwGH.203203VwGH 8. 9. 1998, 96/03/0266 ÖJZ 1999/115 A (VwGH A). Das UVP-G trifft auch eine ausdrückliche Bestimmung hinsichtlich des Vertreters der BI: das ist die in der Unterschriftenliste als solche bezeichnete Person, mangels einer solchen Bezeichnung die in der Unterschriftenliste an erster Stelle genannte Person (§ 19 Abs 5 UVP-G). Ein Verein kann im UVP-Verfahren nicht Parteistellung haben, sondern eben nur eine mindestens 200 Personen umfassende Gruppe physischer Personen.204204VfGH 28. 6. 2001, V 51/00 ÖZW 2002, 18; vgl auch VfGH 22. 6. 2007, V 40/06; VfGH 1. 12. 2004, V 124/03; 28. 6. 2001, V 51/00.

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