Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022130016.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Am 16. November 2004 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Bundessozialamt) der Mitbeteiligten einen Behindertenpass aus, welcher ‑ ohne zusätzliche Eintragungen ‑ einen Grad der Behinderung von 50 % bescheinigte.
2 In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 machte die Mitbeteiligte als außergewöhnliche behinderungsbedingte Belastung neben dem pauschalen Freibetrag wegen einer eigenen Behinderung im Ausmaß von 65 % den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung für außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010) geltend.
3 Im Einkommensteuerbescheid 2020 berücksichtigte das Finanzamt lediglich den Pauschbetrag wegen einer eigenen Behinderung im Ausmaß von 50 % in Höhe von 401 €.
4 Die gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 erhobene Beschwerde der Mitbeteiligten wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 29. Oktober 2021 ab. Begründend führte das Finanzamt aus, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch eine amtliche Bescheinigung einer zuständigen Stelle nachzuweisen sei. Das Bundessozialamt habe den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses am 1. März 2001 (gemeint wohl: 16. November 2004) mit 50 % bescheinigt. Die ältere Bescheinigung des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg, welche einen Grad der Behinderung von 65 % bestätigt habe, komme nicht zur Anwendung. Im Hinblick auf die Diätverpflegung ging das Finanzamt davon aus, dass der Anteil der auf die Diätverpflegung entfallenden Krankheit (chronische Gastritis) nur 10 % betrage, weshalb der Freibetrag nur mit Selbstbehalt berücksichtigt werden könne.
5 Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2021 begehrte die Mitbeteiligte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten teilweise statt und setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2020 neu fest, wobei es den pauschalen Freibetrag wegen einer eigenen Behinderung im Ausmaß von 50 % in Höhe von 401 € und den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung in Höhe von 504 € als außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung im Sinne des § 34 Abs. 6 EStG 1988 und somit ohne Selbstbehalt berücksichtigte.
7 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, das Bundessozialamt habe der Mitbeteiligten im November 2004 einen Behindertenpass ausgestellt, welcher die maßgebliche Bescheinigung über die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) im Sinne des § 35 Abs. 2 EStG 1988 darstelle. Da die Mitbeteiligte insgesamt einen bescheinigten Grad der Behinderung im Ausmaß von 50 % habe, sei im Hinblick auf die Diätverpflegung kein Selbstbehalt vom Pauschbetrag gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der VO über außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, auch wenn das einzelne aus der Gesamtschau herausgenommene Leiden für sich alleine betrachtet eine mindestens 25%ige Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht erreichen würde.
8 Das Bundesfinanzgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass es noch keine auf die vorliegende Entscheidung des Bundesfinanzgerichts übertragbare Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 35 Abs. 2 EStG 1988 gebe.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision des Finanzamtes.
10 Die Mitbeteiligte erstattete eine von ihr selbst verfasste Revisionsbeantwortung.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
14 Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die Darlegung, welche konkrete Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat. Mit dem bloßen Hinweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer näher bezeichneten Verwaltungsvorschrift wird nicht dargelegt, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte (vgl. VwGH 26.9.2022, Ro 2010/04/0034; 22.10.2020, Ra 2020/10/0120, jeweils mwN).
15 Den dargelegten Anforderungen an eine Zulässigkeitsbegründung genügt das angefochtene Erkenntnis nicht, weil es nur ganz allgemein auf das Fehlen von Rechtsprechung zu § 35 Abs. 2 EStG 1988 verweist.
16 Reicht die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für deren Zulässigkeit nicht aus oder erachtet der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben, hat der Revisionswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 9.11.2022, Ro 2022/10/0015; 24.3.2022, Ro 2021/10/0019, jeweils mwN).
17 Das revisionswerbende Finanzamt erachtet in seiner Zulässigkeitsbegründung als relevante Rechtsfrage, zu der das BFG die Revision zugelassen habe, erkennbar die Frage, welche der vorliegenden Bescheinigungen als Nachweis des Behinderungsgrades heranzuziehen sei und bring dazu ergänzend vor, das BFG habe zu Recht auf den Behindertenpass als Nachweis der Tatsache und des Ausmaßes der Minderung der Erwerbsfähigkeit abgestellt. Welche Rechtsfrage grundsätzlicher Art iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sich in diesem Zusammenhang stellt, ist aber auch der Amtsrevision nicht zu entnehmen.
18 In der Anfechtungserklärung wird das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten, weil das Bundesfinanzgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass sämtliche individuell diagnostizierten Gesundheitsschädigungen als insgesamt behinderungsbedingt anzuerkennen seien, auch wenn die festgestellte innere Krankheit zu keiner Steigerung des Ausmaßes der Behinderung geführt habe. Dazu enthält die Revision zwar ausführliche Darlegungen in den Revisionsgründen in Bezug auf die Diätverpflegung (§ 2 Abs. 1 3. Teilstrich der VO über außergewöhnliche Belastungen), aber kein Zulässigkeitsvorbringen.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. Juni 2023
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