VwGH Ro 2019/13/0029

VwGHRo 2019/13/00296.12.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien Magistratsabteilung 6 in 1080 Wien, Buchfeldgasse 6, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 15. April 2019, RV 7500640 /2018, betreffend Verletzung der Anzeigepflicht für Diensteanbieter gemäß § 15 Abs. 2 des Wiener Tourismusförderungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: K, vertreten durch Mag. Michael Schubhart, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 6), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019130029.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien wurde die mitbeteiligte Partei für schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der C GmbH, die ein Diensteanbieter im Sinne des § 3 Z 2 des E‑Commerce‑Gesetzes sei, ab 31. August 2017 bis zum 17. Oktober 2017 unterlassen, die nach ihrenGeschäftsunterlagen vorhandenen Identifikationsdaten (Bezeichnung, Name, Geschlecht, Geburtsdaten, Rechtsform) und Kontaktdaten der bei dieser registrierten Unterkunftgeber sowie sämtliche Adressen der registrierten Unterkünfte (Unterkunftseinheiten) im Gebiet der Stadt Wien auf einer Plattform dem Magistrat in einer automationsunterstützt auswertbaren Form anzuzeigen und dadurch 515 Verwaltungsübertretungen begangen. Es seien dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt worden: § 15 Abs. 2 des Wiener Tourismusförderungsgesetzes (WTFG) in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 VStG. Weiters wurden Strafen gemäß § 20 Abs. 2 WTFG verhängt und die Verfahrenskosten gemäß § 64 VStG vorgeschrieben. Die C GmbH hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

2 Begründend wurde ausgeführt, gemäß § 11 Abs. 1 WTFG hätten alle Gäste, also Urlaubende, Geschäftsreisende und sonstige Personen, die im Gebiet der Stadt Wien in einer Unterkunft gegen Entgelt Aufenthalt nehmen, die Ortstaxe zu entrichten. Die Abgabepflicht bestehe unabhängig davon, ob das Entgelt vom Gast selbst oder durch Dritte für diesen entrichtet werde. Für Zwecke der ordnungsgemäßen und vollständigen Abgabenerhebung, der Wahrnehmung der Aufgaben der Tourismusförderung und für statistische Zwecke hätten die Diensteanbieter im Sinne des § 3 Z 2 des E‑Commerce‑Gesetzes im Bereich des Tourismus die nach ihren Geschäftsunterlagen vorhandenen ldentifikationsdaten (Bezeichnung, Name, Geschlecht, Geburtsdaten, Rechtsform) und Kontaktdaten der bei ihnen registrierten Unterkunftgeber sowie sämtliche Adressen der bei ihnen registrierten Unterkünfte (Unterkunftseinheiten) im Gebiet der Stadt Wien dem Magistrat bis zum 15. des der jeweiligen Registrierung nächstfolgenden Monates in einer automationsunterstützt auswertbaren Form anzuzeigen.

3 Nach § 9 Abs. 1 VStG sei für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt seien, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen sei. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die mitbeteiligte Partei die zur Vertretung nach außen berufene Person der Gesellschaft und somit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich verantwortlich sei. Es sei betreffend der auf der Internetseite der C GmbH gelisteten Unterkünfte keine Meldung beim Magistrat der Stadt Wien eingelangt.

4 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen dieses Erkenntnis fristgerecht Beschwerde. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hob das Bundesfinanzgericht das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte die gegen den Beschuldigten geführten Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Es stellte fest, dass die C GmbH im Zeitraum 31. August 2017 bis zum 17. Oktober 2017 gewerblichen Reiseveranstaltern (Vermittlern) eine Online‑Plattform zur Vermietung von Ferienunterkünften in Wien angeboten habe. Potentielle Interessenten/Mieter einer Unterkunft hätten bei Abfrage eine ungefähre Angabe der Lage des Objektes (ohne Angabe von Straßennamen und Hausnummer), eine genaue Beschreibung der wesentlichen Eigenschaften der Mietobjekte (Größe, Ausstattung, Bettenanzahl etc.), sowie Auskunft über den Preis und über die zeitliche Verfügbarkeit dieser Objekte erhalten. Ein interessierter Mieter habe unter Angabe seiner persönlichen Kontaktdaten (Name, Adresse, Telefonnummer, E‑Mailadresse) und der Zahlungsweise (Kreditkarte, Rechnung etc.) zahlungspflichtig buchen können. Die Vermieter/Unterkunftgeber seien unstrittig bei diesen Reiseveranstaltern registriert gewesen. Diese seien die Vertragspartner der mitbeteiligten Partei, nicht jedoch die jeweiligen Vermieter der Unterkünfte gewesen. Die Verarbeitung von Identifikationsdaten und Kontaktdaten habe unstrittig ausschließlich zwischen den Reiseveranstaltern und den Wiener Unterkunftgebern stattgefunden. Die C GmbH habe keine Kenntnisse über die Identifikationsdaten (Name, Adresse, Geburtsdaten, Rechtsform) und die Kontaktdaten sowie die Anschrift der Vermieter gehabt, sehr wohl jedoch über die ungefähre Lage und den Wiener Bezirk der offerierten Unterkünfte.

5 Ermittlungsergebnisse dahingehend, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum tatsächlich Identifikationsdaten und Kontaktdaten im Sinne des § 15 Abs. 2 WTFG, wie z.B. Bezeichnung, Name, Geschlecht, Geburtsdaten, Rechtsform, Adressen von Unterkunftgebern etc., in den Geschäftsunterlagen der C GmbH vorhanden gewesen seien, habe die belangte Behörde nach den vorgelegten Ermittlungsergebnissen und nach der Aktenlage nicht gewinnen und dem Bundesfinanzgericht darlegen können. Auch eine Ergänzung des Untersuchungsverfahrens durch das Bundesfinanzgericht habe keine Anhaltspunkte in diese Richtung ergeben.

6 In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht habe der Behördenvertreter eingeräumt, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass die maßgeblichen Kontakt- u. Identifikationsdaten der C GmbH nicht direkt bekannt gewesen seien. Der Magistrat vertrete jedoch die Rechtsansicht, die C GmbH hätte die rechtliche Verpflichtung getroffen, im Rahmen ihrer Meldeverpflichtungen gemäß § 15 Abs. 2 WTFG die Namen der anderen Plattformen, die die Kenntnis der relevanten Daten gehabt hätten, offen zu legen.

7 Das Bundesfinanzgericht teile die Ansicht der Behörde, dass die Meldepflicht nach § 15 Abs. 2 WTFG im Hinblick auf den gesetzlich festgelegten Zweck der ordnungsgemäßen und vollständigen Abgabenerhebung weit auszulegen sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 2 WTFG beziehe sich jedoch die Anzeigepflicht der Diensteanbieter auf die nach ihren Geschäftsunterlagen vorhandenen Identifikationsdaten (Bezeichnung, Name, Geschlecht, Geburtsdaten, Rechtsform) und Kontaktdaten der bei ihnen registrierten Unterkunftgeber sowie auf sämtliche Adressen der bei ihnen registrierten Unterkünfte (Unterkunftseinheiten) im Gebiet der Stadt Wien. Hätte somit die C GmbH über die technischen Schnittstellen zu den Reiseveranstaltern Zugriff zu den Kontakt- bzw. Identifikationsdaten der Unterkunftgeber im Bereich der Stadt Wien gehabt, so wäre eine Meldepflicht gemäß § 15 Abs. 2 WTFG zweifelsfrei gegeben gewesen. Das sei im gegenständlichen Fall ‑ nach den auch von der Behörde anerkannten Sachverhaltsfeststellungen ‑ aber nicht der Fall gewesen.

8 Wenn nach dem Geschäftsmodell des Diensteanbieters als Vermittlungsplattform für Reiseveranstalter diesem die Kontakt- und Identifikationsdaten der Unterkunftgeber nicht bekannt (in seinen Geschäftsunterlagen nicht vorhanden) seien, bestehe auch keine (automationsunterstützte) Meldeverpflichtung im Sinne dieser Bestimmung. In diesem Fall treffe die Anzeigepflicht nach § 15 Abs. 2 WTFG den Reiseveranstalter, bei dem die Unterkunftgeber registriert seien. Da sich die Meldeverpflichtung nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf „in den Geschäftsunterlagen vorhandene“ Kontakt- und Identifikationsdaten beziehe, war die C GmbH ‑ unabhängig von datenschutzrechtlichen Hindernissen ‑ auch nicht verpflichtet, diese ‑ bei den Reiseveranstaltern offenkundig vorhandenen ‑ Daten beizuschaffen. Wenn, wie im gegenständlichen Fall, dem Diensteanbieter als Vermittlungsplattform zwischen Reiseveranstaltern und Unterkunftgebern nur Informationen über die ungefähre Lage des Objektes (ohne Angabe von Straßennamen und Hausnummer), über die wesentlichen Eigenschaften des Mietobjektes (Größe, Ausstattung, Bettenanzahl etc.), sowie über den Preis und die zeitliche Verfügbarkeit des Mietobjektes zur Verfügung stünden, bestehe insoweit keine Meldepflicht, weil diese Daten weder als Kontakt- noch als Identifikationsdaten im Sinne des § 15 Abs. 2 WTFG einzustufen seien, aufgrund derer eine Identifikation des Unterkunftgebers bzw. eine Kontaktaufnahme mit diesem ohne aufwendige Ermittlungshandlungen möglich wäre.

9 Aus § 15 Abs. 2 WTFG könne keine Offenlegungspflicht hinsichtlich jener Diensteanbieter, die die Kontakt- und Identifikationsdaten in ihren Geschäftsunterlagen hätten, abgeleitet werden. Eine derart extensive ‑ weit über den klaren (und somit keiner Interpretation bedürfenden) Wortsinn hinausgehende ‑ Interpretation der hier in Rede stehenden Meldeverpflichtung nach § 15 Abs. 2 WTFG sei nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht zulässig.

10 Da der C GmbH somit eine Verletzung der Anzeigepflicht nach § 15 Abs. 2 WTFG nicht angelastet werden könne, sei der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die gegen die mitbeteiligte Partei geführten Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen gewesen.

11 Selbst wenn man im gegenständlichen Fall (bei Nichtvorliegen von Kontakt- und Identifikationsdaten der Unterkunftgeber/innen) das Bestehen einer Meldeverpflichtung nach § 15 Abs. 2 WTFG im Bezug auf die anderen Diensteanbieter/innen, somit das Vorliegen der objektiven Tatseite bejahen würde, so könnte der mitbeteiligten Partei, die in ihrem Handeln einer vertretbaren und im Wortsinn des Gesetzes jedenfalls Deckung findenden Rechtsansicht im Bezug auf das Nichtbestehen einer Meldeverpflichtung gemäß § 15 Abs. 2 WTFG gefolgt sei, kein Verschulden (auch keine fahrlässige Handlungsweise) angelastet werden. Somit sei im gegenständlichen Fall weder die objektive noch die subjektive Tatseite der angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt.

12 Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht zu, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der in § 15 Abs. 2 WTFG normierten Anzeigepflicht von Diensteanbietern im Sinne des § 3 Z 2 des E‑Commerce‑Gesetzes nicht existiere, insbesondere in Bezug auf die Frage, welche Daten als Identifikationsdaten bzw. Kontaktdaten der Meldepflicht unterliegen, und die Frage, ob aus der Bestimmung des § 15 Abs. 2 WTFG im Wege der Auslegung eine wechselseitige Meldeverpflichtung der Diensteanbieter abgeleitet werden könne.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Magistrats der Stadt Wien, die zur Begründung der Zulässigkeit ausführt, im Revisionsfall stellten sich Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu § 15 Abs. 2 WTFG, insbesondere zu den Begriffen der Identifikationsdaten und der Kontaktdaten. Ausführungen, die die Annahme der fehlenden subjektiven Tatseite der mitbeteiligten Partei bekämpfen, finden sich nicht.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

17 Das Bundesfinanzgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des § 15 Abs. 2 WTFG fehlt. Auch die Revision enthält in ihren Zulässigkeitsausführungen nur Vorbringen hinsichtlich der inhaltlichen Auslegung des § 15 Abs. 2 WTFG.

18 Das Bundesfinanzgericht hat die Aufhebung des Straferkenntnisses allerdings auf eine tragfähige Alternativbegründung ‑ nämlich das Fehlen der subjektiven Tatseite ‑ gestützt. Dazu finden sich keine Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung der Amtsrevisionswerberin.

19 Beruht ein Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung und wird im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt, so erweist sich die Revision als unzulässig (vgl. VwGH 27.1.2020, Ro 2018/04/0007, mwN). Selbst wenn die vom Bundesfinanzgericht in seiner Zulässigkeitsbegründung dargestellte Rechtsfrage grundsätzlicher Natur ist, das angefochtene Erkenntnis aber auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht, so ist in dieser Konstellation die Rechtsprechung, wonach der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die Gründe ihrer Zulässigkeit darzulegen habe, auf seines Erachtens im Zusammenhang mit der Alternativbegründung relevante weitere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu übertragen (vgl. VwGH 20.11.2018, Ro 2018/12/0002, mwN).

20 Weder die Zulassungsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses noch die Zulässigkeitsdarstellung der vorliegenden Revision zeigen eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG hinsichtlich der vom Bundesfinanzgericht alternativ vertretenen Rechtsansicht auf. Das rechtliche Schicksal der Revision hängt daher nicht von der von der Revisionswerberin und in der Zulassungsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses angesprochenen Rechtsfrage ab; die Revision ist somit unzulässig.

21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 6. Dezember 2021

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