Normen
GSpG 1989 §1 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018170001.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis wurde gemäß § 53 Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme des in einem näher bezeichneten Lokal betriebsbereit vorgefundenen und näher bezeichneten Geräts „TimeMachine“ angeordnet.
2 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge gegeben und dieser Bescheid behoben; die Revision wurde für zulässig erklärt.
3 Das LVwG traf seine Feststellungen nach Einholung eines Gutachtens und Einvernahme des Amtssachverständigen in der Verhandlung. Während diese Feststellungen ‑ bis auf nicht näher begründete Auslassungen (etwa zum Beleuchtungsablauf) ‑ den Befund des Amtssachverständigen wiedergeben, gelangt das LVwG rechtlich zu der Beurteilung, dass das Spiel „Time‑Machine“ als Geschicklichkeitsspiel einzustufen sei. Die Zulässigkeit der Revision begründete das LVwG mit der Frage, ob ein Geschicklichkeits‑ oder Glücksspielgerät vorliege.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der belangten Behörde des Beschlagnahmeverfahrens mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
5 Die Revision ist zulässig, weil das Gerät „TimeMachine“ im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Glücksspielgeräten sowie im Hinblick auf die hier vorliegenden Feststellungen des LVwG, die dem hier vorliegenden Gutachten des Amtssachverständigen folgen, in unvertretbarer Weise als Geschicklichkeitsgerät qualifiziert wurde.
6 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 107/2017, stellen sich wie folgt dar:
„Glücksspiele
§ 1. (1) Ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.
(2) Glücksspiele im Sinne dieses Bundesgesetzes sind insbesondere die Spiele Roulette, Beobachtungsroulette, Poker, Black Jack, Two Aces, Bingo, Keno, Baccarat und Baccarat chemin de fer und deren Spielvarianten. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, aus Gründen der Rechtssicherheit durch Verordnung weitere Spiele als Glücksspiele im Sinne des Abs. 1 zu bezeichnen.
...
Ausspielungen
§ 2. (1) Ausspielungen sind Glücksspiele,
1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und
2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und
3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).
(2) Unternehmer ist, wer selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.
Wenn von unterschiedlichen Personen in Absprache miteinander Teilleistungen zur Durchführung von Glücksspielen mit vermögenswerten Leistungen im Sinne der Z 2 und 3 des Abs. 1 an einem Ort angeboten werden, so liegt auch dann Unternehmereigenschaft aller an der Durchführung des Glücksspiels unmittelbar beteiligten Personen vor, wenn bei einzelnen von ihnen die Einnahmenerzielungsabsicht fehlt oder sie an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels nur beteiligt sind.
(3) Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten liegt vor, wenn die Entscheidung über das Spielergebnis nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, durch Verordnung bau‑ und spieltechnische Merkmale von Glücksspielautomaten näher zu regeln sowie Aufzeichnungs‑ und Aufbewahrungspflichten festzulegen. Glücksspielautomaten gemäß § 5 sind verpflichtend an die Bundesrechenzentrum GmbH elektronisch anzubinden. Der Bundesminister für Finanzen kann im Wege einer Verordnung den Zeitpunkt dieser Anbindung festlegen. Darüber hinaus kann der Bundesminister für Finanzen zu den Details der elektronischen Anbindung und den zu übermittelnden Datensätzen in dieser Verordnung Mindeststandards festsetzen, wobei auch der Zugriff der Behörden auf einzelne Glücksspielautomaten (§ 5) zu regeln ist. Die auf 10 Jahre verteilten Kosten für die Errichtung eines Datenrechenzentrums bei der Bundesrechenzentrum GmbH sowie die Kosten für dessen laufenden Betrieb sind durch die konzessions‑ und bewilligungserteilenden Behörden den Konzessionären und Bewilligungsinhabern auf Grundlage einer von der Bundesrechenzentrum GmbH durchzuführenden Abrechnung über die durch die Konzessionäre und Bewilligungsinhaber verursachten Kosten jährlich bescheidmäßig vorzuschreiben und für die Bewilligungsinhaber von Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten (§ 5) dem Bund zu erstatten. Im Rahmen des laufenden Betriebs des Datenrechenzentrums kann der Bundesminister für Finanzen ferner jederzeit eine technische Überprüfung von Glücksspielautomaten, der auf diesen befindlichen Software sowie einer allfälligen zentralen Vernetzung vornehmen oder die Vorlage eines unabhängigen technischen Gutachtens über die Einhaltung der glücksspielrechtlichen Bestimmungen verlangen. Mit der Errichtung des Datenrechenzentrums und der elektronischen Anbindung sind dem Bundesminister für Finanzen Quellcodes oder Referenzprogramme der Spielprogramme der daran anzubindenden Glücksspielautomaten gesondert vorab zu hinterlegen.
(4) Verbotene Ausspielungen sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind.
Glücksspielmonopol
§ 3. Das Recht zur Durchführung von Glücksspielen ist, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol).
Ausnahmen aus dem Glücksspielmonopol
§ 4. (1) Glücksspiele unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes, wenn sie
1. nicht in Form einer Ausspielung im Sinne des § 2 Abs. 1 und
2. a) bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge oder
b) nur einmalig zur Veräußerung eines körperlichen Vermögensgegenstandes durchgeführt werden.
(2) Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten nach Maßgabe des § 5 unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes.
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Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;
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Beschlagnahmen
§ 53. (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn
1. der Verdacht besteht, dass
a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder
b) durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird oder
2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder
3. fortgesetzt oder wiederholt durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird.
(2) Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, daß die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Sie haben darüber außer im Falle des § 52 Abs. 1 Z 7 dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen oder, wenn ein solcher am Aufstellungsort nicht anwesend ist, dort zu hinterlassen und der Behörde die Anzeige zu erstatten. In der Bescheinigung sind der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter und der Inhaber aufzufordern, sich binnen vier Wochen bei der Behörde zu melden; außerdem ist auf die Möglichkeit einer selbständigen Beschlagnahme (Abs. 3) hinzuweisen. Tritt bei dieser Amtshandlung der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter oder der Inhaber auf, so sind ihm die Gründe der Beschlagnahme bekanntzugeben.
(3) Die Behörde hat in den Fällen des Abs. 2 unverzüglich das Verfahren zur Erlassung des Beschlagnahmebescheides einzuleiten und Ermittlungen zur Feststellung von Identität und Aufenthalt des Eigentümers der Gegenstände, des Veranstalters und des Inhabers zu führen. Soweit nach der vorläufigen Beschlagnahme keine dieser Personen binnen vier Wochen ermittelt werden kann oder sich keine von diesen binnen vier Wochen meldet oder die genannten Personen zwar bekannt, aber unbekannten Aufenthaltes sind, so kann auf die Beschlagnahme selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
(4) Die beschlagnahmten Gegenstände sind amtlich zu verwahren. Bereitet die amtliche Verwahrung Schwierigkeiten, so sind die Gegenstände einer dritten Person in Verwahrung zu geben; sie können aber auch dem bisherigen Inhaber belassen werden, wenn hierdurch der Zweck der Beschlagnahme nicht gefährdet wird. In solchen Fällen ist ein Verbot zu erlassen, über die Gegenstände zu verfügen, wobei hinsichtlich der Benützung, Pflege und Wertsicherung der Gegenstände die erforderlichen Bedingungen und Auflagen festzulegen sind. Die Gegenstände können auch durch amtliche Verschlüsse gesichert werden.“
7 Im Revisionsverfahren ist die Qualifikation des beschlagnahmten Geräts als Glücksspielgerät strittig.
8 Nach § 1 Abs. 1 GSpG ist ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.
9 Ein Zufall liegt vor, wenn der Erfolg weder von zielbewusstem Handeln oder der Geschicklichkeit oder allein vom Belieben der beteiligten Personen abhängt, sondern wenn auch weitere Bedingungen dazu treten müssen, die außerhalb des Willens der beteiligten Personen liegen (vgl. schon VwGH 18.12.1995, 95/16/0047).
10 Eine vorwiegende Abhängigkeit vom Zufall im Sinne des § 1 Abs. 1 GSpG ist etwa dann gegeben, wenn sich nicht eine berechtigte rationale Erwartung über den Spielausgang entwickelt, sondern letztlich nur aufgrund eines Hoffens, einer irrationalen Einstellung, auf dieses oder jenes einzelne Ergebnis des Spieles gesetzt werden kann (vgl. Bresich/Klingenbrunner/Posch in Strejcek/Bresich, Kommentar zum Glücksspielgesetz 1989, Rz 5 zu § 1 GSpG, mwN).
11 Ausgehend von dem auf der Grundlage eines eingeholten Amtssachverständigengutachtens vom LVwG festgestellten Sachverhalt ist zunächst festzuhalten, dass der beschlagnahmte Apparat eine Gewinnchance bietet. Durch den Einwurf einer Münze bzw. durch das Einführen eines Geldscheines erwirbt man die Chance, bei Erlangen eines bestimmten Feldes einen Gewinn zu realisieren. Ziel des Spieles ist es, auf einem Gewinnfeld zu landen und nicht etwa z.B. besonders geschickt Bauteile zusammenzusetzen; letzteres ließe unter Beachtung der menschlichen Feinmotorik /Hand‑Auge‑Koordination bzw. Reaktionszeit auf ein Geschicklichkeitsspiel schließen. Zur Erreichung des Gewinnfeldes ist es nach den Feststellungen des LVwG, die insoweit den Ausführungen des Mitbeteiligten sowie des Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung folgen, erforderlich, eine Taste „3,6 bis 3,7 Sekunden“ lang gedrückt zu halten. Nach den Feststellungen ist diese Zeitspanne nicht exakt kalkuliert, da eine Abweichung von 0,1 Sekunden möglich ist. Die verwendete Taste ist dabei nach den auf den Ausführungen des Amtssachverständigen basierenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtes kein Präzisionsbauteil und besitzt eine Federsteuerung. Der Amtssachverständige führte dazu in seinem Gutachten aus: „Wenngleich eine rasche schlagartige Betätigung wohl eine durchaus zeitnahe Schaltfunktion bewirken wird, bestimmt die Schaltfunktion beim Loslassen der Taste stets ausschließlich die ‑ dem Spieler wiederum nicht erkennbare, somit auch nicht nachvollziehbare und für jederzeitige Wiederholung speicherbare ‑ Federkraft, welche die Taste in die Ausgangslage zurück bewegt“.
12 Es gibt nach den Feststellungen des LVwG ‑ insofern dem Gutachten des Amtssachverständigen folgend ‑ keine zusätzliche Rückmeldung zur Auslösung bzw. zum Schaltpunkt des Gerätes; somit auch nicht zu den Federwegen. Der Mitbeteiligte hat nach eigenen Angaben die Zeittoleranz zur Erreichung eines Gewinns von 0,2 auf 0,1 Sekunden je Feld reduziert. Folgende vom Amtssachverständigen in seinem Gutachten getätigten Ausführungen zum Beleuchtungsablauf wurden vom LVwG in seine Beurteilung (ohne nähere Begründung) nicht miteinbezogen: Der Beleuchtungsumlauf bestehe nicht aus jeweils einem einzelnen, kontinuierlich hintereinander beleuchtetem Feld, sondern aus bis zu sechs gleichzeitig beleuchteten Feldern, wobei das in Laufrichtung erste Feld jeweils bereits schwächer leuchte, und das in Laufrichtung letzte Feld gerade zu leuchten beginne, weshalb für den Spieler einzelne beleuchtete Felder gerade nicht erkennbar seien. Aufgrund der „Lauflichtfunktion“ und der Verweildauer von bloß einer Zehntelsekunde im Ziel könne der insgesamt vom Start bis ins Ziel erforderliche Zeitrahmen nur annähernd genau wahrgenommen werden.
13 Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die Beurteilung des LVwG, wonach es sich beim vorliegenden Gerät „TimeMachine“ nicht um ein Glücksspielgerät handelt, unvertretbar. Den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Amtssachverständigen folgend ist es keinesfalls vorwiegend aufgrund der Geschicklichkeit des Spielers möglich, einen Zeitablauf auf eine Zehntelsekunde genau wahrzunehmen und reproduzierbar zu speichern und/oder mit einer keinesfalls genau bzw. wiederholgenau schaltenden Taste richtig zu reproduzieren. Es konnte demzufolge nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Einfluss auf das Spielergebnis genommen werden, weshalb dieses als vorwiegend vom Zufall abhängig zu beurteilen gewesen wäre (vgl. zur Zufallsabhängigkeit z.B. VwGH 26.3.2015, Ra 2014/17/0033). Hängt das Spielergebnis jedoch vorwiegend vom Zufall ab, so ist ein Spiel gemäß § 1 Abs. 1 GSpG als Glücksspiel zu qualifizieren. Die dennoch vorgenommene Beurteilung des Gerätes als Geschicklichkeitsgerät durch das LVwG erweist sich auf Grundlage der getroffenen Feststellungen daher als krass fehlerhaft.
14 Da das LVwG insoweit die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 11. Juli 2018
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