VwGH Ro 2018/13/0015

VwGHRo 2018/13/001519.5.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der R in W, vertreten durch die Kotlik / Prokopp / Stadler GmbH, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in 2353 Guntramsdorf, Klingerstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 30. Juli 2018, Zl. RV/7103356/2015, betreffend u.a. Einkommensteuer 2013, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §30 Abs4 Z1 idF 2012/I/022

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018130015.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin hat mit Kaufvertrag vom 1. Februar 2013 den Hälfteanteil an einem in W gelegenen Grundstück um 675.990 EUR an die X GmbH veräußert. Über Vorhalt gab sie dem Finanzamt bekannt, der Hälfteanteil sei ihr im Jahr 1983 von der Mutter vererbt worden und die Immobilientragsteuer von 3,5 % des Kaufpreises (23.659,65 EUR) sei von der Notarin, die den Kaufvertrag mit der X GmbH errichtet habe, an das Finanzamt abgeführt worden.

2 Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2013 mit Bescheid vom 10. November 2014 erklärungsgemäß fest. Mit Bescheiden vom 9. April 2015 hob es den Bescheid vom 10. November 2014 gemäß § 299 BAO auf und erließ einen neuen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013, in dem es die Steuer aus Grundstücksveräußerungen mit 101.398,50 EUR in Ansatz brachte. Zur Begründung führte es aus, das als landwirtschaftliche Fläche veräußerte Grundstück sei mittlerweile in Bauland umgewidmet worden. Gemäß § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 seien Anschaffungskosten von 40 % des Verkaufspreises anzusetzen, wenn zwischen Veräußerung und Umwidmung eines Grundstückes ein enger zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Aufgrund der Höhe des Kaufpreises, der sich an vergleichbarem Bauland orientiere, einem Immobilienentwickler als Käufer und der Tatsache der langen Vorlaufzeit im Zusammenhang mit Umwidmungen, gehe das Finanzamt von diesem engen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang aus. Es seien daher die Anschaffungskosten mit 270.396 EUR anzusetzen, weshalb es zu einer Bemessungsgrundlage für die Immobilienertragsteuer in Höhe von 405.594 EUR komme. Die falsch berechnete und bereits abgeführte Steuer in Höhe von 23.659,65 EUR sei bei der Bescheiderstellung berücksichtigt worden.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen den Einkommensteuerbescheid vom 9. April 2015 Beschwerde und führte zur Begründung u.a. aus, § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 idF vor dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2014 habe geregelt, dass die Anschaffungskosten von 40 % des Veräußerungserlöses auch bei einer "späteren Umwidmung in engem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung" anzusetzen seien. Die Begriffspaare "enger zeitlicher Zusammenhang" und "enger wirtschaftlicher Zusammenhang" seien gesetzlich unbestimmt. Um die Besteuerung des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 auszulösen, müssten beide Bedingungen erfüllt sein. Das Grundstück sei Anfang Februar 2013 verkauft worden, wohingegen die Umwidmung - nach den Informationen der Revisionswerberin - erst mehr als 20 Monate danach erfolgt sei. Bei einem derart langen Zeitraum bestehe kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Veräußerung und Umwidmung. Der von der Revisionswerberin realisierte Verkaufspreis habe 290 EUR pro Quadratmeter betragen, obwohl es sich um ein Grundstück in sehr guter Lage handle. Laut Immobilienpreisspiegel seien Baugrundstücke in dieser Lage im Jahr 2013 ab 417 EUR pro Quadratmeter gehandelt worden. Die Revisionswerberin hätte das Grundstück nicht um 290 EUR pro Quadratmeter verkauft, wenn weit höhere Quadratmeterpreise erzielbar gewesen wären. Eine erhöhte Pauschalbesteuerung könne nur zur Anwendung kommen, wenn im Veräußerungserlös Wertsteigerungen enthalten seien, die auf eine Umwidmung zurückzuführen seien. Dass es sich beim Käufer um einen Immobilienentwickler handle, sei irrelevant, weil dieser die Liegenschaft auch aus rein spekulativen Motiven und nicht zur Bebauung nach Umwidmung erworben haben könnte.

4 Das Finanzamt legte die Beschwerde - ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde nach Durchführung von Erhebungen zur Frage, wann die ersten Schritte zur Umwidmung des gegenständlichen Grundstücks gesetzt worden seien, als unbegründet ab. Es stellte u.a. fest, dass der Verkaufspreis für das gegenständliche Grundstück 290 EUR pro Quadratmeter betragen habe und die Umwidmung von Grünland/ländliches Gebiet in Bauland am 25. September 2014 erfolgt sei. Der Quadratmeterpreis für Baugrundstücke habe im Jahr 2013 in normaler Wohnlage 278 EUR, in guter Wohnlage 320 EUR und in sehr guter Wohnlage 417,50 EUR betragen.

6 § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 sehe auch eine nach der Veräußerung erfolgte Umwidmung, die in wirtschaftlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dieser Veräußerung stehe, als "Besteuerungsfall des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG" vor. Ein solcher Fall sei gegeben, wenn ein Grundstück zwar noch als Freifläche verkauft werde, im Zeitpunkt der Veräußerung aber bereits eine Umwidmung absehbar sei und der Verkauf des Grundstückes in Hinblick auf diese absehbare Umwidmung erfolge. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Veräußerung und einer später erfolgten Umwidmung liege jedenfalls vor, wenn für das Grundstück bereits der volle Baulandpreis bezahlt werde. In so einem Fall könne davon ausgegangen werden, dass dieser Veräußerungspreis nur deshalb vereinbart worden sei, weil beide Vertragsparteien mit einer Umwidmung des veräußerten Grundstückes gerechnet hätten.

7 Es sei offensichtlich, dass für das in Rede stehende Grundstück ein Baulandpreis und nicht ein Preis für Grünflächen bezahlt worden sei, zumal die Revisionswerberin die in der Beschwerde behauptete sehr gute Lage nicht dargelegt habe. Gleichzeitig übersehe sie, dass sie kein Bauland sondern landwirtschaftlich genutzte Grundflächen (Äcker, Wiesen oder Weiden) im Ausmaß von 4.683 m2 verkauft habe. Damit sei ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Veräußerung des Grundstückes und einer erwarteten Umwidmung desselben in Baugrund gegeben. § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 fordere zudem einen engen zeitlichen Zusammenhang. Ein solcher sei anzunehmen, wenn sich aufgrund konkreter Umstände bereits bei Abschluss des Kaufvertrages eine Umwidmung abgezeichnet habe. Die mit der Novellierung durch das 2. Abgabenänderungsgesetz 2014 eingeführte absolute Zeitspanne zwischen Veräußerung und Umwidmung von fünf Jahren könne als äußerste Grenze für einen solchen engen zeitlichen Zusammenhang herangezogen werden.

8 Das gegenständliche Grundstück liege in einem Bereich, der bereits im Stadtentwicklungsplan für W aus dem Jahr 1994 als bebaubares Stadtgebiet ausgewiesen sei. Im April 2010 sei laut Auskunft der dafür zuständigen Magistratsabteilung mit der Erstellung eines neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes begonnen worden. Dieser sei im März 2012 und nach einer Überarbeitungsphase im August 2013 erneut dem Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung zur Begutachtung vorgelegt worden. Die Genehmigung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes durch den Gemeinderat sei am 25. September 2014 erfolgt. Da der Bereich bereits seit zwanzig Jahren im Stadtentwicklungsplan als Wohngebiet ausgewiesen und "schrittweise realisiert" werde, sei auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Veräußerung und der späteren Umwidmung zu bejahen.

9 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil zur Frage, "wie der Begriff ?enger zeitlicher Zusammenhang' im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 idF BGBl. I 22/2012 (1. Stabilitätsgesetz 2012 ab 01.04.2012) auszulegen ist", keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision, zu der das Finanzamt keine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

 

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Gemäß § 29 Abs. 2 EStG 1988 in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 (1. StabG 2012), BGBl. I Nr. 22/2012, unterliegen Einkünfte aus privaten Grundstücksverkäufen (§ 30) und aus Spekulationsgeschäften (§ 31) als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer.

13 Private Grundstücksverkäufe sind gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2012 (AbgÄG 2012), BGBl. I Nr. 112/2012, Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 EStG 1988 sinngemäß anzuwenden.

14 § 30 Abs. 4 EStG 1988 in der Fassung des 1. StabG 2012 lautete auszugsweise:

"(4) Soweit Grundstücke am 31. März 2012 nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte anzusetzen:

1. Im Falle einer Umwidmung des Grundstückes nach dem 31. Dezember 1987 der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten. Als Umwidmung gilt eine Änderung der Widmung, die nach dem letzten entgeltlichen Erwerb stattgefunden hat und die erstmals eine Bebauung ermöglicht, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche im Sinne der Landesgesetze auf dem Gebiet der Raumordnung entspricht. Dies gilt auch für eine spätere Umwidmung in engem zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Veräußerung.

2. In allen übrigen Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten."

15 Die Revisionswerberin hat mit Kaufvertrag vom 1. Februar 2013 ein am 31. März 2012 nicht steuerverfangenes Grundstück veräußert. Strittig ist, ob in Bezug auf diese Veräußerung der Umwidmungstatbestand des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 greift oder ob eine Besteuerung nach § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 zu erfolgen hat.

16 Das Bundesfinanzgericht sah im angefochtenen Erkenntnis den in § 30 Abs. 4 Z 1 letzter Satz EStG 1988 geforderten engen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der im Februar 2013 erfolgten Veräußerung und der im September 2014 erfolgten Umwidmung des Grundstücks als gegeben an und begründete dies im Wesentlichen mit der Höhe des erzielten Kaufpreises sowie dem Umstand, dass das Grundstück in einem Bereich gelegen sei, der im Stadtentwicklungsplan für W seit 1994 als bebaubares Stadtgebiet ausgewiesen werde. Im April 2010 sei mit der Erstellung eines neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes für diesen Bereich begonnen worden. Dieser sei im März 2012 und nach einer Überarbeitungsphase im August 2013 dem Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung zur Begutachtung vorgelegt und am 25. September 2014 durch den Gemeinderat genehmigt worden.

17 Die Revision trägt vor, nach dem Telos des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 solle - bei Grundstücken des Altvermögens - die aufgrund einer Umwidmung eingetretene Wertsteigerung eines Grundstückes zu einer höheren Besteuerung bei demjenigen führen, der wirtschaftlich von der Umwidmung profitiere. Ein Indiz dafür, dass der Erwerber von der Umwidmung profitiert habe, sei die städteplanerische Umgestaltung des Bereichs, in dem das veräußerte Grundstück liege: Im September 2017 sei die Verlängerung einer näher bezeichneten U-Bahnlinie fertiggestellt worden, wodurch die in diesem Bereich gelegenen Liegenschaften stark an Wert zugelegt hätte. Der enge wirtschaftliche Zusammenhang sei daher nicht gegeben. Zum Zeitpunkt des Verkaufs sei eine Bebauung nicht möglich gewesen. Vielmehr habe eine Bausperre vorgelegen, weil die Liegenschaft nicht von Bebauungsplänen erfasst gewesen sei. Der Revisionswerberin sei die spätere Umwidmung nicht bekannt gewesen und sie habe auch keine Besserungsvereinbarung für eine etwaige Umwidmung abgeschlossen.

18 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt, weil sich der in § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 geforderte enge wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Veräußerung und Umwidmung in der Regel aus dem vereinbarten Kaufpreis ergibt und das Bundesfinanzgericht festgestellt hat, dass die Revisionswerberin für das als Grünland/ländliches Gebiet gewidmete Grundstück den zum Zeitpunkt der Veräußerung ortsüblichen Baulandpreis erhalten habe. Dass zum damaligen Zeitpunkt für nicht bebaubares Grünland Preise von 290 EUR pro Quadratmeter erzielbar gewesen wären, wird in der Revision nicht behauptet, die - unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit von Verfahrensvorschriften - nur rügt, das Bundesfinanzgericht "habe keine eigenen Erhebungen zum Baulandpreis vorgenommen, sondern ausschließlich auf den (Anm: von der Revisionswerberin) übermittelten Immobilienpreisspiegel der WKO verwiesen".

19 Soweit in der Revision der Standpunkt vertreten wird, der in § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 geforderte enge zeitliche Zusammenhang zwischen Veräußerung und Umwidmung liege nicht vor, weil es zum Zeitpunkt der Veräußerung kein Umwidmungsverfahren gegeben habe, das so weit fortgeschritten gewesen wäre, dass man mit vernünftiger wirtschaftlicher Sicherheit von einer Umwidmung habe ausgehen können, ist zunächst auf die Feststellung des Bundesfinanzgerichtes zu verweisen, wonach im Jahr 2010 für jenen Bereich, in dem das verkaufte Grundstück gelegen sei, mit der Erstellung eines neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes begonnen worden sei, die auf entsprechenden Auskünften der dafür zuständigen Magistratsabteilung beruht. Ein weiteres Indiz dafür, dass mit einer Umwidmung zu rechnen war, stellt die verkehrstechnische Erschließung des besagten Bereiches dar, zumal mit der Verlängerung der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten, näher bezeichneten U-Bahnlinie im Sommer 2012 begonnen worden war. Dass die Revisionswerberin für Grünland den ortsüblichen Baulandpreis erhalten hat, ist ebenfalls nur im Hinblick auf die erwartete Umwidmung verständlich. Es stößt daher auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, wenn das Bundesfinanzgericht einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Veräußerung und Umwidmung bejaht hat, der im Hinblick auf die Langwierigkeit von Baulandwidmungsverfahren auch mehrere Jahre umfassen kann (vgl. idS auch Beiser, NZ 2013, 196).

20 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am 19. Mai 2020

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