VwGH Ro 2017/22/0005

VwGHRo 2017/22/000516.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache des Bundesministers für Inneres in 1010 Wien, Herrengasse 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 20. Jänner 2017, VGW- 151/064/14608/2016-14, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien; mitbeteiligte Partei: T M in W, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs7;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art132 Abs1 Z2 idF 2012/I/051;
B-VG Art133 Abs6 Z3 idF 2012/I/051;
VwGG §33 Abs1 idF 2013/I/033;
VwGG §33 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Begründung

1.1. Die Mitbeteiligte, eine serbische Staatsangehörige, stellte am 17. Juni 2016 bei der Österreichischen Botschaft Belgrad einen Erstantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zwecks Zusammenführung mit dem die österreichische Staatsbürgerschaft innehabenden Urgroßvater ihres Ehemannes.

Am 5. August 2016 änderte die Mitbeteiligte den Antrag dahin ab, dass sie die Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG zwecks Zusammenführung mit ihrem Ehemann, der über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfüge, begehrte.

Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit Bescheid vom 14. September 2016 mit der wesentlichen Begründung ab, dass die im Jahr 1996 geborene Mitbeteiligte im Zeitpunkt der Antragstellung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und daher keine Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG sei.

Diesen Bescheid bekämpfte die Mitbeteiligte mit Beschwerde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 21. Dezember 2016 änderte sie den Antrag neuerlich dahin ab, dass sie nun wieder die Erteilung des Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 NAG begehrte.

1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde statt und behob den bekämpften Bescheid ersatzlos.

Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, die Mitbeteiligte habe den Antrag nicht bloß modifiziert, sondern wesentlich abgeändert. Eine wesentliche Änderung sei als Zurückziehung des ursprünglichen und Stellung eines neuen Anbringens zu qualifizieren. Die belangte Behörde habe über das neue Anbringen noch nicht entschieden, die erstmalige Entscheidung durch das Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren sei nicht zulässig. Der bekämpfte Bescheid sei daher wegen Rechtswidrigkeit ersatzlos zu beheben und der geänderte Antrag an die belangte Behörde zur Behandlung weiterzuleiten.

Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Wesentlichkeit einer Antragsänderung in einer Konstellation wie hier keine Rechtsprechung vorliege.

2.1. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Bundesminister für Inneres Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts mit einem Aufhebungsantrag. Er führte im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht hätte gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht mit einer ersatzlosen Behebung des bekämpften Bescheids vorgehen dürfen, sondern den bloß präzisierten bzw. modifizierten und jedenfalls kein neues Begehren darstellenden geänderten Antrag selbst in Behandlung nehmen und einer Entscheidung zuführen müssen.

2.2. Noch vor der Entscheidung über die Revision durch den Verwaltungsgerichtshof zog die Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 19. Juli 2017 den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurück und begehrte die Einstellung des Verfahrens.

3.1. Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Darunter sind gemäß § 13 Abs. 1 AVG alle Arten von Verfahrenshandlungen zu verstehen, mit denen Beteiligte an eine Behörde herantreten können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2016, Ra 2016/08/0041).

Die Zurückziehung ist so lange zulässig, als der Antrag noch unerledigt ist. Dies bedeutet für Fälle, in denen der Antrag auf Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Fall einer Berufung bis zum Berufungsbescheid, möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juli 2013, 2013/07/0099). Diese zum Berufungsverfahren vor den Verwaltungsbehörden ergangene Rechtsprechung ist auf das Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu übertragen (vgl. abermals das hg. Erkenntnis Ra 2016/08/0041).

3.2. Vorliegend wurde der verfahrenseinleitende Antrag der Revisionswerberin vom 17. Juni 2016 - nach erstmaliger Abänderung am 5. August 2016 - mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. September 2016 abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde - nach neuerlicher Abänderung des Antrags am 21. Dezember 2016 - mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts dahin Folge gegeben, dass der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben und der geänderte Antrag an die belangte Behörde zur Behandlung weitergeleitet wurde.

Demnach wurde der wiederholt geänderte verfahrenseinleitende Antrag vom 17. Juni 2016 bislang nicht durch einen behördlichen Bescheid oder eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung abschließend erledigt. Das Verfahren über das Anbringen ist vielmehr weiterhin offen, sodass der unerledigte Antrag nach § 13 Abs. 7 AVG zurückgezogen werden kann.

4.1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofs hat (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 12. August 2014, Ro 2014/06/0049).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt weiters in ständiger Rechtsprechung, dass ein bei ihm anhängiges Verfahren auch im Fall einer Amtsbeschwerde bei Wegfall des rechtlichen Interesses an einer meritorischen Erledigung in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 26. April 2010, 2007/01/1186, mwN). Diese Rechtsprechung hat auch für eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 3 B-VG gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts Gültigkeit (vgl. die hg. Beschlüsse vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0028, und vom 8. September 2016, Ro 2015/17/0028).

4.2. Vorliegend ist das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an einer meritorischen Erledigung zufolge der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags durch die Mitbeteiligte (nachträglich) weggefallen. Die Amtsrevision war daher als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren hierüber gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Wien, am 16. August 2017

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