VwGH Ro 2016/13/0011

VwGHRo 2016/13/001120.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der S S als Rechtsnachfolgerin nach J S in T, vertreten durch die sh TREUHAND Steuerberatung GmbH in 3100 St. Pölten, Kupferbrunnstraße 21, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 20. Jänner 2016, Zl. RS/7100196/2015, betreffend die Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §303 Abs1;
BAO §85;
BAO §85a;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2016130011.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem im vorliegenden Fall angefochtenen Beschluss hat das Bundesfinanzgericht eine Säumnisbeschwerde vom 24. November 2015 zurückgewiesen, in der behauptet wurde, ein die Einkommensteuer für das Jahr 2000 betreffender Wiederaufnahmeantrag des Rechtsvorgängers der Revisionswerberin sei mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid des Finanzamts vom 24. Juni 2010 nur zum Teil erledigt worden.

5 Das Bundesfinanzgericht hat sich bei der Zurückweisung dieser Säumnisbeschwerde u.a. darauf gestützt, dass die behaupteten weiteren, unerledigt gebliebenen Antragsbegehren unzulässig gewesen wären, und eine Revision für zulässig erklärt, weil es an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit solcher Antragsinhalte fehle. Die Revision enthält Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit derselben Fragen, aber keine Ausführungen dazu, weshalb die vom Bundesfinanzgericht auch vertretene Ansicht, das Finanzamt habe mit seinem stattgebenden Bescheid dem damals erkennbaren Begehren (zur Gänze) entsprochen, eine Abweichung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeute oder aus anderen Gründen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfe.

6 Mit Schriftsatz vom 6. November 2009 hatte der Rechtsvorgänger der Revisionswerberin (vertreten durch eine Steuerberatungsgesellschaft) "hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO" beantragt. Im Schriftsatz erfolgte eine Darstellung des Verfahrensgangs, die aber Änderungsbescheide vom 13. Jänner 2003 (eine andere als die strittige Beteiligung betreffend) und vom 13. Oktober 2004 nicht erwähnte. Geltend gemacht wurde nur, dass ein Änderungsbescheid vom 24. Februar 2003 auf einem Nichtbescheid beruht habe, wie aus einer Berufungszurückweisung des unabhängigen Finanzsenates vom 7. September 2006 hervorgehe. Zum Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2006 wurde auf eine die zugrunde gelegte Feststellungserledigung (vom 28. September 2006) betreffende Berufungszurückweisung des unabhängigen Finanzsenates vom 7. August 2009 verwiesen. Da "die Feststellungsbescheide" vom unabhängigen Finanzsenat "als Nichtbescheide qualifiziert" worden seien, seien alle gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeleiteten Einkommensteuerbescheide, mit Ausnahme des Erstbescheids vom 28. November 2002, rechtswidrig und "daher bis zum Ursprung aus dem Rechtsbestand zu entfernen".

7 Ausgeführt wurde weiters, die Qualifizierung des Feststellungsbescheids als Nichtbescheid durch den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 7. August 2009 stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und sei als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Es werde daher innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten die Wiederaufnahme beantragt. Allenfalls werde angeregt, dass das Finanzamt die Einkommensteuer 2000 von Amts wegen wieder aufnehmen möge.

8 Abschließend wurde ausgeführt: "Wir ersuchen um Stattgabe unseres Antrages bzw. regen eine amtswegige Wiederaufnahme an und bitten um Entfernung aller rechtswidrig nach § 295 Abs. 1 BAO abgeleiteten Einkommensteuerbescheide 2000 bis hin zum Ursprung, sodass ausschließlich der Einkommensteuerbescheid 2000 vom 28.11.2002 (=Erstbescheid) rechtsgültig verbleibt."

9 Mit Bescheid vom 24. Juni 2010 sprach das Finanzamt aus, das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2000 werde gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufgenommen. Die Wiederaufnahme wurde auf den Antrag vom 6. November 2009 gestützt; im Betreff wurde angeführt: "Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303(1) BAO zu Bescheid vom 16.10.2006".

10 In der Berufung gegen den neuen Sachbescheid (Einkommensteuer 2000 vom 24. Juni 2010) wurde u.a. ausgeführt, dem Antrag auf Wiederaufnahme sei mit Wiederaufnahmebescheid vom 24. Juni 2010 stattgegeben worden.

11 Erst in der gegenständlichen Säumnisbeschwerde vom 24. November 2015 wird nunmehr behauptet, der Wiederaufnahmeantrag sei nur zum Teil erledigt worden.

12 Parteienerklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl. - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - Ritz, BAO6, § 85 Tz 1). Die Auslegung einer Parteierklärung im Einzelfall wirft im Allgemeinen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

13 Der Wiederaufnahmeantrag wurde auf § 303 Abs. 1 lit. b BAO (in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013) gestützt. Nach dieser dem Wiederaufnahmeverfahren zugrunde liegenden Rechtslage war insbesondere nach § 303 Abs. 2 BAO der Antrag auf Wiederaufnahme binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen. Nach § 303a lit. c BAO hatte der Wiederaufnahmeantrag u.a. auch Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind, zu enthalten.

14 Der Rechtsvorgänger der Revisionswerberin brachte in diesem Sinne auch vor, die Wiederaufnahme werde innerhalb der Frist von drei Monaten beantragt. Dies bezog sich nach der Schilderung im Antrag ausschließlich auf den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 7. August 2009, nicht aber etwa auf jenen ebenfalls im Schriftsatz erwähnten Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 7. September 2006. Damit wurde aber vom Rechtsvorgänger der Revisionswerberin ausschließlich die Wiederaufnahme des mit jenem Bescheid abgeschlossenen Verfahrens beantragt, der sich auf jenen Feststellungsbescheid gestützt hatte, der vom unabhängigen Finanzsenat mit Bescheid vom 7. August 2009 als Nichtbescheid qualifiziert worden war. Dabei handelt es sich um den Bescheid des Finanzamts vom 16. Oktober 2006, was im Bescheid des Finanzamts, mit dem über den Wiederaufnahmeantrag entschieden wurde, auch ausdrücklich so dargelegt wurde. Diese Entscheidung des Finanzamts über den Wiederaufnahmeantrag blieb unbekämpft.

15 Soweit hingegen im Antrag auf Wiederaufnahme auch die Rechtswidrigkeit weiterer Änderungsbescheide mit der Begründung geltend gemacht wurde, dass diesen Änderungsbescheiden ebenfalls keine wirksamen Feststellungsbescheide zugrunde lägen, wurde - erkennbar im Hinblick auf den eingetretenen Ablauf der Frist nach § 303 Abs. 2 BAO - lediglich die amtswegige Wiederaufnahme angeregt, in deren Rahmen alle weiteren abgeleiteten Einkommensteuerbescheide "entfernt" werden sollten.

16 Damit hat das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme vom 6. November 2009 mit dem Bescheid vom 24. Juni 2010 zur Gänze erledigt. Die Anregung einer amtswegigen Wiederaufnahme begründet hingegen keine Entscheidungspflicht (vgl. VwGH 22.5.2014, 2011/15/0064).

17 Auf die Richtigkeit der in der Säumnisbeschwerde und nun auch in der Revision zitierten Äußerungen im späteren Schrifttum über mögliche Antragsinhalte kommt es daher nicht an, sodass die Revision - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.

Wien, am 20. Februar 2019

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