VwGH Ro 2016/11/0020

VwGHRo 2016/11/002016.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der S M D in M, vertreten durch Mag. Dr. Mathis Fister, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 23. Dezember 2015, Zl. KLVwG- 928/22/2015, betreffend Eintragung in das Hebammenregister (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichisches Hebammengremium), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
HebG 1994 §10 Z2;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - insoweit in Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Antrag der Revisionswerberin auf (Wieder‑)Eintragung in das Hebammenregister gemäß §§ 22 Abs. 3, 42b iVm 10 Z 2 des Hebammengesetzes abgewiesen.

2 Dem legte das Verwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - Folgendes zu Grunde: Der zuvor langjährig als Hebamme tätigen Revisionswerberin sei mit Bescheid vom 16. April 2004 die Berufsberechtigung entzogen worden, weil sie im Jahr 2003 in mehreren Fällen bei Risikogeburten entgegen §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 3 Hebammengesetz keinen Arzt beigezogen und damit die Grenzen der eigenverantwortlichen Ausübung des Hebammenberufs überschritten habe. Dies habe für die betroffenen Kinder "gewaltige Konsequenzen", im Fall eines Kindes, hinsichtlich dessen Geburt ihr zudem weitere näher beschriebene Unterlassungen angelastet wurden, sogar dessen Tod zur Folge gehabt. Die Revisionswerberin sei dafür mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen verurteilt worden.

3 Diese besonders schweren Berufspflichtverletzungen ließen die Vertrauenswürdigkeit der Revisionswerberin (ungeachtet der Tilgung der strafgerichtlichen Verurteilung) weiterhin verneinen, zumal nicht nur strafgerichtliche Verurteilungen Vertrauensunwürdigkeit begründen könnten, sondern auch Berufspflichtverletzungen, wie vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum ÄrzteG 1998 und zum Psychotherapiegesetz näher dargelegt wurde. Es sei daher nicht entscheidend, ob die von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Vorwürfe - unbefugte Erbringung von Leistungen bei der Betreuung einer Wöchnerin, "intransparente" Verzeichnung von Leistungen in Zusammenhang mit einer Geburt, Auftritt unter der Berufsbezeichnung "Hebamme" bei einer Fernsehsendung - für sich genommen die Vertrauensunwürdigkeit der Revisionswerberin begründeten. Diese habe zudem auch in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugend darlegen können, dass sie in Hinkunft sämtliche gesetzlichen Bestimmungen einhalten werde, zumal sie eingeräumt habe, näher genannte, dem Hebammengesetz unterliegende Beratungsleistungen erst nach einem Telefonat mit der Präsidentin der belangten Behörde eingestellt zu haben.

4 Die für die Ausübung des Hebammenberufs erforderliche Vertrauenswürdigkeit sei daher zu verneinen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung des Begriffs "Vertrauenswürdigkeit" nach dem Hebammengesetz fehle.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vom Verwaltungsgericht zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte ordentliche Revision. Die belangte Behörde und die Oberbehörde haben Revisionsbeantwortungen erstattet.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 21.4.2017, Ro 2016/11/0004, mwN).

10 Die vorliegende Revision verweist zur Begründung ihrer Zulässigkeit auf die Begründung des Verwaltungsgerichts. Sie macht zudem geltend, die zu beurteilende Auslegungsfrage habe weit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, weil Vertrauenswürdigkeit für jede Ein- und Wiedereintragung in das Hebammenregister erforderlich sei. Auch in der Literatur sei schon darauf hingewiesen worden, dass die geforderte Vertrauenswürdigkeit im Hebammengesetz nicht näher definiert werde.

11 Mit diesem Vorbringen wird nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung über die vorliegende Revision von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nämlich nicht vor, wenn die aufgeworfene Frage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bereits beantwortet wurde, auch wenn diese Rechtsprechung zu anderen Normen, die sich in den entscheidenden Teilen nicht von den im konkreten Fall anzuwendenden Normen unterscheiden, ergangen ist (vgl. VwGH 20.4.2016, Ra 2016/11/0049, mwN). Eine solche Situation ist im Revisionsfall gegeben:

12 § 10 Hebammengesetz lautet (auszugsweise):

"Berufsberechtigung

§ 10. Zur Ausübung des Hebammenberufes sind Personen

berechtigt, die

1. ...,

2. die für die Erfüllung der Berufspflichten erforderliche

gesundheitliche Eignung und Vertrauenswürdigkeit besitzen,

..."

13 In der Regierungsvorlage (1461 Blg.NR 18. GP) wird dazu u. a. Folgendes ausgeführt:

"Der Nachweis der Vertrauenswürdigkeit wird durch Vorlage einer Strafregisterbescheinigung oder einer vergleichbaren Bescheinigung, in der keine Verurteilung aufscheint, die eine verläßliche Berufsausübung nicht erwarten läßt, erbracht.

Eine verläßliche Berufsausübung wird jedenfalls dann nicht zu erwarten sein, wenn eine durch ein inländisches Gericht erfolgte Verurteilung wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe vorliegt. Es bleibt aber im Einzelfall zu prüfen, ob die einer solchen Verurteilung zugrunde liegende strafbare Handlung die ordnungsgemäße Ausübung des Hebammenberufes hindert."

14 Gemäß § 42a Abs. 3 Hebammengesetz sind von Personen, die den Hebammenberuf in Österreich auszuüben beabsichtigen und die Erfordernisse gemäß § 10 Z 1 bis 4 erfüllen, zum Nachweis der Vertrauenswürdigkeit eine Strafregisterbescheinigung oder ein vergleichbarer Nachweis des Heimat- oder Herkunftstaats (Z 1) und, sofern dies die Rechts und Verwaltungsvorschriften des Heimat- oder Herkunftstaats vorsehen, eine Disziplinarstrafregisterbescheinigung oder ein vergleichbarer Nachweis (Z 2) vorzulegen, die zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung nicht älter als drei Monate sein dürfen.

15 Gemäß § 42b Hebammengesetz hat das Österreichische Hebammengremium die Eintragung in das Hebammenregister mit Bescheid zu versagen, wenn die betreffende Person - u.a. - die Erfordernisse nach § 10 Z 1 bis 4 leg. cit. nicht erfüllt.

16 Der Begriff der "Vertrauenswürdigkeit" wird im Hebammengesetz nicht näher definiert. Schon der Wortlaut des § 10 Z 2 leg. cit. verknüpft aber die Erfüllung der Berufspflichten mit der Vertrauenswürdigkeit. Diese Verbindung wird auch in den (oben wiedergegebenen) Gesetzesmaterialien angesprochen, wonach für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit entscheidend sei, ob eine "verläßliche Berufsausübung" zu erwarten sei.

17 Auch das ÄrzteG 1998, das Psychotherapiegesetz und das Zahnärztegesetz fordern (wie im Übrigen eine Reihe weiterer Berufsgesetze) als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufnahme und der weiteren Ausübung der entsprechenden beruflichen Tätigkeit Vertrauenswürdigkeit.

18 Zur "Vertrauenswürdigkeit" als Voraussetzung für die ärztliche und psychotherapeutische Berufsausübung besteht langjährige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. zum ÄrzteG 1998 VwGH 24.2.2005, 2003/11/0252, 20.4.2010, 2010/11/0047, 24.7.2013, 2010/11/0075, 8.9.2016, Ra 2015/11/0117, und 15.12.2016, Ra 2016/11/0111; zum Psychotherapiegesetz VwGH 27.9.2007, 2006/11/0230, und 10.6.2015, 2013/11/0210), aus der hervorzuheben ist, dass Vertrauensunwürdigkeit nicht nur durch strafbare Handlungen, sondern auch durch (sonstige) Berufspflichtverletzungen begründet werden kann. Dieses Begriffsverständnis der "Vertrauenswürdigkeit" wurde vom Verwaltungsgerichtshof auch auf den Begriff der "Vertrauenswürdigkeit" nach dem Zahnärztegesetz übertragen (vgl. VwGH 11.10.2016, Ra 2016/11/0140).

19 Vor dem dargestellten Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zur Auslegung des § 10 Z 2 Hebammengesetz zu Recht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den genannten Vorschriften herangezogen; das Auslegungsergebnis, wonach nicht nur strafgerichtliche Verurteilungen, sondern auch Berufspflichtverletzungen Vertrauensunwürdigkeit begründen können, steht mit dieser langjährigen Rechtsprechung im Einklang. Die Zulässigkeitsbegründung der Revision zeigt auch nicht etwa auf, dass die angefochtene Entscheidung von den Grundlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abwiche. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall hat im Übrigen regelmäßig - von einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden krassen Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl. VwGH 20.4.2016, Ra 2016/11/0049).

20 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. November 2017

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